• Katar ist einer der grössten ausländischen Investoren in Deutschland.
  • Bei zahlreichen Dax-Unternehmen hat der katarische Staatsfonds QIA seine Finger im Spiel.
  • Experten diskutieren, ob von den Investitionen eine Gefahr für Deutschland ausgeht.

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Schlechte Menschenrechtslage, Ausgrenzung von Minderheiten, vermutlich Tausende tote Gastarbeiter beim Bau der Fussball-Stadien: Viele Deutsche lehnen die Fussball-Weltmeisterschaft in Katar aus guten Gründen ab. WM-Euphorie ist kaum aufgekommen, das frühe Ausscheiden der deutschen Elf trug ihr Übriges dazu bei. Die WM ist aus deutscher Sicht aus vielerlei Gründen ein Turnier zum Vergessen.

Doch mit dem Vergessen ist es nicht so leicht. Das Emirat am Persischen Golf, dessen Hauptstadt Doha 4.400 Kilometer von Berlin entfernt liegt, ist mehr als ein bedeutender Sportveranstalter. Katar gilt als wichtiger Handelspartner Deutschlands, allein 300 deutsche Unternehmen sind in und um Doha ansässig.

Katar-Staatsfond fast auf dem Niveau des Bundeshaushaltes

Zudem ist das Emirat hierzulande einer der grössten ausländischen Investoren. Es übt durch seine enormen finanziellen Mittel und durch die drittgrössten Gasvorkommen der Welt schon heute Einfluss in zahlreichen deutschen Unternehmen aus, darunter bei mindestens sechs Dax-Konzernen. Die Qatar Investment Authority (QIA), der Staatsfonds des Landes, besass zuletzt ein Vermögen von 445 Milliarden Dollar. Das liegt in etwa auf dem Niveau des Bundeshaushaltes von 2021 (561 Milliarden Dollar).

Beispiele für Beteiligungen gibt es zahlreiche: 2014 stieg Katar bei der Deutschen Bank ein. Die Qatar Holding, die Investmentsparte des Staatsfonds, verwaltet heute 6,1 Prozent der DB-Anteile. Am deutschen Industrie-Giganten Siemens ist Katar mit mehr als drei Prozent beteiligt, beim Logistikunternehmen Hapag-Lloyd sind es aktuell 12,3 Prozent. Bei Deutschlands grösstem Stromerzeuger RWE ist die Qatar Holding mit rund neun Prozent Anteilen sogar der grösste Einzelaktionär.

Schliesslich sind die Katarer offensichtlich grosse Fans deutscher Autos. An Volkswagen hielt die Qatar Holding 2021 Anteile in Höhe von 10,5 Prozent, bei Porsche waren es fünf Prozent. Beim Impfstoffhersteller Curevac aus Tübingen und dem grössten Baukonzern des Landes, Hochtief, war Katar ebenfalls eingestiegen.

Welche Ziele verfolgt Katar mit den deutschen Investitionen?

Die Qatar Investment Authority hat sich aus verschiedenen Gründen dafür entschieden, bei deutschen Unternehmen einzusteigen. "Deutschland gilt in Katar als stabiler Markt und verspricht Sicherheit", sagte Dawud Ansari von der Stiftung Wissenschaft und Politik zu "Spiegel Online". Zudem will das Emirat durch die Investitionen Verbündete gewinnen, "um sich gegen Rivalen in der Region abzusichern". Ein Ziel, das sich mit den Zielen deckt, die Katar durch die Ausrichtung internationaler Sportveranstaltungen wie der Fussball-WM erreichen möchte: Sicherheit durch Aufmerksamkeit.

Deutschland ist das bevölkerungsreichste EU-Mitglied und eines der wirtschaftsstärksten Länder der Welt - für die Katarer demnach ein idealer Partner. Früher sei es beim Einstieg bei deutschen Marken wie VW auch um Prestige in der Region gegangen. Inzwischen würden die Katarar pragmatischer und profitorientierter handeln, sagt Ansari. Wichtig ist es für Katar auch, sein Geld in zukunftsträchtigen Branchen anzulegen.

Schafft Katar Abhängigkeiten durch Investitionen in Deutschland?

Haben die Milliarden-Investitionen einen entsprechenden Einfluss zur Folge? Bisher nicht. Als grösster Einzelaktionär könnte Katar einen Kandidaten für den RWE-Aufsichtsrat vorschlagen. Mit einer Entscheidung durch Aufsichtsrat der RWE AG und Hauptversammlung wird nicht vor 2024 gerechnet. Zwei katarische Aufsichtsräte, darunter eine Frau, sind bereits bei Volkswagen tätig.

Katar agiert bei den meisten deutschen Beteiligungen in den Gremien aber eher passiv. Der Grund: Die QIA verfügt nicht über das geeignete Personal, um grossflächig Einfluss zu nehmen. "Es ist nicht mit China zu vergleichen", so Experte Ansari, "das versucht, systematisch Abhängigkeiten zu schaffen."

Auch, weil der katarische Staatsfonds über kein eigenes technologisches Know-how verfügt. "Anlagen, die als Eingriff in die kritische Infrastruktur Deutschlands und seiner Daseinsvorsorge gewertet werden könnten, werden bislang gemieden", sagte Rolf Langhammer vom Kieler Institut für Weltwirtschaft gegenüber "Business Insider" über die Ziele des Emirats. "Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es eines Tages seinen Einfluss für eigene Interessen ausnutzt". Die vermeintliche Gefahr katarischen Einflusses beurteilen Experten als gering. Bisher zumindest.

Verwendete Quellen:

  • Spiegel.de: So kauft sich Katar in Deutschland ein (Bezahlinhalt)
  • Business Insider.de: Deutsche Bank, VW, Siemens: In diese deutschen Unternehmen investiert der umstrittene WM-Gastgeber Katar Milliarden
  • RND: VW, Siemens, Deutsche Bank: Warum sich Katar in Deutschland einkauft
  • Aktionärsstruktur der Volkswagen AG
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