Mehr Öl, mehr Unabhängigkeit, mehr Macht: Die USA fördern durch moderne Technik viel Öl und sorgen damit für einen weltweiten Rohstoff-Preiskampf. Experten prognostizieren deshalb auch für 2015 niedrige Öl-Preise – und von Januar an könnte der Öl-Rausch der USA einen neuen Schub bekommen.
In der letzten Juliwoche des Jahres 2014 schrieb "BW Zambesi" Geschichte: Der Öl-Tanker machte sich auf den Weg nach Südkorea. Von Texas aus. Mit Öl im Gesamtwert von etwa 40 Millionen US-Dollar. Das Besondere: Das Schiff transportierte den ersten Öl-Export der USA seit 40 Jahren. Ziel der Lieferung war Südkorea. Die Ölexporte der USA sind noch immer verschwindend gering. Dennoch hatte das Auslaufen der "BW Zambesi" Strahlkraft.
Die USA steigern seit Jahren ihre Öl-Förderung kontinuierlich. Die US-Energiebehörde EIA schätzt, dass im Jahr 2020 in den USA 6,7 Millionen Barrel Öl täglich gefördert werden. Das würde im Vergleich zu den aktuellen Zahlen eine Steigerung von beinahe 20 Prozent bedeuten.
Der Grund für den Öl-Boom: Fracking. Das bezeichnet die Erschliessung von Ölvorkommen in Schiefergestein. Die Fördertechnik kostet je nach Aufwand und Standort zwischen 30 und 70 US-Dollar pro Barrel – und war damit lange nicht rentabel. Doch die Preise steigen und das Verfahren lohnt sich. Montana, North Dakota, Kalifornien und Texas gelten inzwischen als Boom-Regionen der US-Öl-Produktion. Sogar das Anzapfen der Vorräte in Alaska, das Naturschützer so vehement kritisieren, ist inzwischen kein Tabu mehr.
US-Präsident Obama will Öl-Importe senken
"Ursprünglich ist Öl nur ein Nebenprodukt der Gasförderung durch Fracking gewesen. Die gezielte Gewinnung von Öl war so nicht geplant," sagt Analystin Christiane von Berg von der BayernLB. Entscheidend sei eine Änderung der Pipelines gewesen, so die Volkswirtin. "Vorher wurde Öl produziert, musste aber lange gelagert werden, weil es nicht schnell genug abtransportiert werden konnte. Neue Pipelines können das Öl nun relativ schnell transportieren und somit verfügbar machen," sagt von Berg.
Opec-Staaten stehen unter Druck
Der Preisverfall ist eine Katastrophe für manche öl-produzierenden Länder. "Der genaue Wert schwankt von Land zu Land, aber bei weniger als 70 US-Dollar pro Barrel lohnt sich die Öl-Förderung auf keinen Fall," sagt von den Berg. Länder wie der Iran beispielsweise haben beschränkte technische Möglichkeiten zur Öl-Förderung und müssen höhere Preise verlangen, um daraus Profit zu schlagen. Russlands Wirtschaft steht seit den einschneidenden Sanktionen durch die EU ohnehin stark unter Druck. Durch das US-Gebaren auf dem Öl-Markt könnte der Rubel weiter abgewertet werden und Russland 2015 sogar in eine Rezession rutschen.
Auch andere ölproduzierende Länder bekommen durch die US-Politik Probleme. Der Iran brauche einen Öl-Preis von etwa 140 Dollar, um einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen, schreibt Marktanalyst Markus Fugmann auf "Wallstreet Online". "Schwer unter Druck ist aber auch Venezuela, das wie andere Öl-Exporteure im vergangenen Monat etwa 30 Prozent weniger Deviseneinnahmen verzeichnet hat, wie Präsident Maduro kürzlich eingestand. Geht der Preisverfall weiter, steht Venezuela mit einer (offiziellen) Inflationsrate von 63 Prozent vor dem Staatsbankrott," meint Fugmann.
Preiskampf auf dem Rohstoffmarkt
Einen Sonderstatus nimmt dabei Saudi-Arabien ein. "Saudi-Arabien ist der einzige Erdöllieferant, dessen Kapazitäten so hoch sind, dass er ohne längere Vorbereitungszeit zwei Millionen Barrel pro Tag zusätzlich fördern könnte, um auf Engpässe anderer Länder oder plötzlich steigende Nachfrage zu reagieren," schreibt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einem Gastbeitrag für die "Neue Zürcher Zeitung".
Die Öl-Förderländer unter dem Dach der Opec reagieren: "Entgegen unserer bisherigen Meinung scheinen sich die Opec-Länder doch auf einen Preiskampf einzulassen. Sie signalisieren bislang trotz gefallener Ölpreise keinerlei Bereitschaft, ihre Produktion zu drosseln," schreibt Dora Borbély von der Dekabank. Das spüren derzeit auch die Verbraucher. Mitten in der deutschen Heizperiode sinken die Preise für Heizöl kräftig. Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) meldete jüngst, dass die Spritpreise in Deutschland aktuell so niedrig sind wie seit drei Jahren nicht mehr. Doch der Preiskampf wird die Rohölkosten nicht endlos in die Tiefe ziehen. Volkswirtin Borbély vermutet, dass der Ölpreis nicht dauerhaft auf ein Niveau von weniger als 80 US-Dollar pro Barrel fallen wird. "Dennoch senken wir unsere Prognose für die Preisentwicklung im Jahr 2015", betont Borbély.
Öl ist gut für US-Konjunktur
Die US-Wirtschaft profitiert in jedem Fall von billigem Öl aus eigener Förderung. "Der niedrige Ölpreis begünstigt die US-Konjunktur," sagt BayernLB-Expertin von Berg. Der Konsumeffekt sei höher als der Investitionseffekt, so die Volkswirtin. "Da ansonsten die Preise in den USA stabil blieben, hätten die Verbraucher im Endeffekt mehr Geld zur Verfügung und könnten so die Binnenwirtschaft stärken," sagt von Berg.
Doch erst vor wenigen Tagen hat die US-Öl-Lobby einen herben Rückschlag hinnehmen müssen: Der Bau der umstrittenen Öl-Pipeline Keystone XL von Kanada bis in den Süden der USA ist gescheitert. Der US-Senat lehnte das Vorhaben mit einer Stimme Mehrheit ab. "Die Abstimmung ist an den Demokraten gescheitert. Doch von Januar an werden die Republikaner die Senatsmehrheit besitzen und dem Bau wohl zustimmen," sagt von Berg. Der Weg der USA hin zu mehr eigenem Öl und mehr Unabhängigkeit vom Weltmarkt ist klar. Die Opec-Staaten treffen sich am 27. November in Wien, um über ihr Produktions-Ziel für das Jahr 2015 zu diskutieren. Man darf gespannt sein, welche Antwort die Öl-Förderstaaten auf die Strategie der USA finden.
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