Lange galt es als verschollen: Alexander von Humboldts amerikanisches Reisetagebuch. Erst nach gut 200 Jahren tauchte es in Berlin wieder auf und wechselte für zwölf Millionen Euro den Besitzer. Für Wissenschaftler war es eine Jahrhundertentdeckung – die ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte beschreibt.

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Gerade einmal 37 Seiten umfasst das "Tagebuch Havanna". Aber die haben es in sich. Der berühmte deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt beschrieb darin um das Jahr 1804 die Gräuel der Sklaverei auf Kuba – ungefiltert und sehr plastisch. Er beobachtete, wie Kolonialherren einen Mann auf der Flucht in den Tod trieben.

Ihr Vorgehen war grausam: Sie zündeten ein Zuckerrohrfeld an und trieben den Sklaven hinein. Damit war sein Schicksal besiegelt: Entweder würde er darin verbrennen oder ersticken oder aber, wenn er wieder herauskäme, von den Häschern getötet werden. Humboldt war beeindruckt, dass der Sklave lieber starb, als sich einfangen und weiter quälen zu lassen.

Der Forscher notierte auch Zahlen: 180.000 Sklaven wurden auf der Insel zur Arbeit gezwungen, auf Haiti waren es sogar 450.000.

Humboldt war klar, dass die enormen Produktionsmengen der Zuckerrohrplantagen nur durch diese Ausbeutung möglich waren. Anders als andere Intellektuelle seiner Zeit verurteilte der damals 37-Jährige den "weissen Terror".

Reisetagebücher über Jahrhunderte weggesperrt

Das "Tagebuch Havanna" ist nur ein kleiner Teil von Humboldts Aufzeichnungen von seiner Amerika-Reise 1799 bis 1804. Es sind 37 von insgesamt 3.500 Seiten, verteilt auf neun Bände. In seiner winzigen Handschrift hinterliess er darin einen unermesslichen Wissensschatz.

Aber der galt lange als verloren und verschollen. Denn über zwei Jahrhunderte lang hatten Forscher keinen Zugriff auf die legendären Tagebücher des deutschen Forschungsreisenden.

Alexander von Humboldt teilte darin seine persönlichen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse in unzähligen Essays und Büchern. Als Basis dienten ihm dafür seine akribisch geführten Tagebücher, inklusive zahlreicher Skizzen, Details und nachträglich ergänzter Notizen.

Viele Wissenschaftler zweifelten allerdings lange, ob die "Lost Diaries" überhaupt noch existierten. Dass sie dann noch Aufzeichnungen zu einem brisanten Thema wie der Sklaverei enthalten, ist ein Glücksfall für die Forschung.

Brisant ist das auch deshalb, weil Kuba diesen Teil seiner Geschichte bisher kaum aufgearbeitet hat. Die Insel gehörte damals zum Kolonialimperium Spaniens und spielte eine wichtige Rolle beim Sklavenhandel.

Dabei war Humboldt eigentlich ein Naturforscher. Ausgerüstet mit damals modernen technischen Geräten wie Sextant, Quadrant, Teleskop, Fernrohr, Elektrometer und Barometer untersuchte er während seiner langjährigen Forschungsreisen Pflanzen, Fossilien, Berge und Himmelskörper.

Sein Interesse galt darüber hinaus aber auch der Ökonomie, Landwirtschaft, Kultur und Geschichte. Seine bekanntesten Werke sind "Ansichten der Natur" und der "Kosmos".

Wo waren die verschollenen Bücher?

Aber wo befanden sich die verschollenen Aufzeichnungen in den letzten 200 Jahren? Besitzer war bis vor zwei Jahren die Berliner Familie von Heinz, die das Erbe auf Schloss Tegel aufbewahrten. Sie gehören zu den Nachfahren des Naturforschers.

Wie wertvoll die Tagebücher sind, verrät auch die Liste der Interessenten, die sie erwerben wollten: Nationalbibliotheken und Nationalmuseen aus Mexiko-Stadt, Buenos Aires, Rio, Brasilia und Lima. Den Zuschlag hat schliesslich die Stiftung Preussischer Kulturbesitz bekommen, für zwölf Millionen Euro.

Die ersten 37 Seiten der verschollenen Tagebücher stellten Wissenschaftler in Berlin im Herbst 2016 einem ausgewählten Kreis vor. Die übrigen fast 3.500 Seiten werden ebenso erschlossen und digitalisiert.

Verloren gehen können sie dann nicht mehr so leicht: Denn auf der Plattform "Alexander von Humboldt auf Reisen" und auf der Webseite der Staatsbibliothek Berlin kann jeder Interessierte im Internet ganz einfach nachlesen, was Humboldt beobachtet und erforscht hat.

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