Picasso, Rubens, Dürer – männliche Künstler kennt jeder. Doch die Kunstgeschichte ist ebenso reich an Frauen, die Meisterwerke für die Ewigkeit geschaffen haben. Eine davon ist Angelika Kauffmann, die zu ihrer Zeit als die berühmteste europäische Malerin galt. Sie porträtierte Kaiser und Zaren, war eine enge Freundin Goethes und machte ganz London "Angelika-mad".
Eigentlich hätte es die Karriere von Angelika Kauffmann gar nicht geben dürfen. Im 18. Jahrhundert galten Frauen nicht nur rechtlich, sondern auch intellektuell als Menschen zweiter Klasse – intelligent, aber ohne Genie. Das war den Männern vorbehalten. Doch Angelikas Vater, Joseph Johann Kauffmann – selbst Maler – erkannte genau dieses Genie in seiner Tochter. Angelika, 1741 in Chur in der heutigen Schweiz geboren, galt schon mit sechs Jahren als Wunderkind.
Obwohl die Familie aus Schwarzenberg in Österreich stammte, reiste Joseph Kauffmann mit seiner Tochter von Auftrag zu Auftrag. Es hätte das Leben einer unauffälligen Kirchenmalerin werden können, doch Angelika war für Grösseres bestimmt.
In Italien wird alles anders
Ab 1760 hielt sich die damals 19-Jährige zusammen mit ihrem Vater länger in Italien, dem Land der Renaissance-Künstler, auf. "Obwohl sie eine Frau war, ermöglichte ihr Talent den Zugang zur akademischen Welt", erklärt Marina Stiehle, Leiterin des Angelika-Kauffmann-Museums in Schwarzenberg, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Frauen waren zu dieser Zeit vom Studium der Kunst ausgeschlossen – Aktzeichnungen nach Modell galten für sie als unsittlich. Während Männer also Körper anhand von Modellen studierten, musste Angelika Proportionen anhand anderer Bilder schätzen.
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Trotzdem wurde sie Ehrenmitglied der Accademia del Disegno in Bologna. "Sie galt als eine der wenigen Frauen, die zu dieser Zeit Anerkennung und Ruhm erlangten. Faszinierend ist vor allem ihr Beitrag zur Emanzipation in der Kunstwelt und ihr Talent als Geschäftsfrau", sagt Marina Stiehle.
Letzteres und das Talent der Selbstvermarktung brachten sie in die obersten Zirkel der Gesellschaft. Bis 1766 blieb Kauffmann in Italien, porträtierte Schauspieler, Könige und Künstler. Sie wurde zur gefragtesten Malerin ihrer Zeit.
Angelika Kauffmann macht London verrückt
1766 war London eine der grössten Städte der Welt. Fast eine Million Menschen tummelten sich in den Gassen. Angelika zog nach einer Einladung dorthin. Sie war noch immer ledig, ihre Arbeit war ihr wichtiger.
1767 schien es, als habe sie mit dem schwedischen Grafen Frederick de Horn schliesslich eine gute Partie gemacht – doch der entpuppte sich als Heiratsschwindler und verschwand mit ihren Ersparnissen.
Eine solche Geschichte hätte für eine Frau damals katastrophale Folgen haben können. Doch Angelika überstand diesen Skandal und wurde 1768 eines von nur zwei weiblichen Gründungsmitgliedern der Royal Academy of Arts in London.
Binnen kürzester Zeit wurde ihr Atelier zum Zentrum der englischen Gesellschaft. Wer Rang und Namen hatte, traf sich in Angelikas Atelier. "Als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des Klassizismus hatte sie die Fähigkeit, Emotionen und Charaktere meisterhaft darzustellen", so Marina Stiehle.
Besuche von Johann Wolfgang von Goethe und Kaiser Joseph II.
Ihr ganzes Leben lang stand Angelika in engem Austausch mit der intellektuellen Elite ihrer Zeit. Einer ihrer Bewunderer war niemand Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe. Zwischen beiden bestand eine enge Freundschaft, und es wurde sogar eine Affäre zwischen ihnen vermutet, obwohl das historisch nicht eindeutig belegt ist.
1781 heiratete sie schliesslich auf Wunsch ihres Vaters den wesentlich älteren venezianischen Maler Antonio Zucci. Offenbar konnte auch Angelika den gesellschaftlichen Zwängen nicht ganz entfliehen.
Allerdings half Zucci ihr bei der Erfüllung der zahlreichen Aufträge, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war. Mit ihrer Werkstatt häufte Angelika ein beachtliches Vermögen an. Sie zog zurück nach Rom, wo sie unter anderem von Kaiser Joseph II., dem bayerischen Kronprinzen und Goethe besucht wurde. Nach dem Tod ihres Mannes 1795 lebte sie zurückgezogen und starb schliesslich 1807.
Kunstgeschichte ist männlich
Im 19. Jahrhundert geriet Angelika Kauffmann zunehmend in Vergessenheit. Ihre Kunst wurde von Kritikern plötzlich als zu einfühlsam, zu weiblich, zu wenig energetisch beschrieben.
Der grösste Störfaktor war wohl insgeheim, dass es einer Frau trotz aller Widrigkeiten gelungen war, zu einer der bekanntesten Kunstgrössen ihrer Zeit zu werden. Kritiker schrieben ihr daraufhin vermeintlich "weibliche" Gemälde fälschlicherweise zu und kritisierten Arbeiten, die gar nicht von ihr stammten, sondern von männlichen Kollegen ihrer Zeit.
"Es scheint, als müssten weibliche Positionen in der Kunstwelt erst wiederentdeckt werden", sagt Stiehle.
Zur Person
- Marina Stiehle ist Leiterin des Angelika-Kauffmann-Museums in Schwarzenberg im Vorarlberg in Österreich. Das Museum widmet sich der Geschichte und dem Wirken der damals berühmtesten Portraitkünstlerin Europas und wird von der Gemeinde Schwarzenberg betrieben.
Verwendete Quellen
- angelika-kauffmann.de: Angelika Kauffmann (1741-1807)
- angelika-kauffmann.com: Aktuelle Ausstellung
- Waltraud Maierhofer: Angelika Kauffmann, 1997.
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