- Der Homo erectus, der vor rund einer Million Jahre lebte, gilt als ein Vorfahre des Menschen.
- Einem Forschungsteam gelang es nun, das Essverhalten des "aufrechten Menschen" zu rekonstruieren.
- Zahnschmelzanalysen verraten, dass die Ahnen späterer Menschenarten bereits ein weiterentwickeltes Essverhalten als Orang-Utans hatten.
Ein einzelner Zahn kann eine Geschichte darüber erzählen, wie Lebewesen vor Hunderttausenden Jahren lebten und vor allem, was sie assen. Durch eine Analyse des Zahnschmelzes erlangte ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, koordiniert von der Goethe-Universität Frankfurt, dem Senckenberg Forschungsinstitut und dem Naturmuseum Frankfurt, neue Erkenntnisse.
Das Team rekonstruierte, wovon sich unsere Vorfahren, der Homo erectus, auf der Insel Java in Südostasien ernährten. Die Frühmenschen, die auch als "aufrechte Menschen" bezeichnet werden, lebten im Pleistozän vor 1,4 Millionen bis 700.000 Jahren.
Pflanzenfresser, Allesfresser, Fleischfresser? Zahnschmelz gibt Auskunft
Für die Studie verglich das Forschungsteam Zähne des Homo erectus mit Zähnen von Orang-Utans und anderen Tieren, die zur gleichen Zeit lebten. Deren Heimat war Java. Die indonesische Insel zeichnete sich damals durch Regionen mit Monsun-Regenwäldern, offene Baumlandschaften und grasbewachsene Savannen aus.
Bei der Untersuchung der Zähne konzentrierten sich die Forschenden auf den Gehalt der Elemente Strontium und Kalzium. Das Verhältnis der beiden Elemente (Sr/Ca-Verhältnis) zeigt, zu welcher Nahrung ein Lebewesen greift. "Strontium wird - quasi als Verunreinigung des essenziellen Kalziums - vom Körper nach und nach ausgeschieden. In der Nahrungskette führt das dazu, dass das Strontium-Kalzium-Verhältnis von Pflanzenessern über Allesesser bis hin zu Fleischessern kontinuierlich abnimmt", erklärt Wolfgang Müller von der Goethe-Universität Frankfurt in einer Mitteilung zur Studie.
Bereits besser angepasst: Frühmenschen hatten unabhängigeres Essverhalten als andere Lebewesen
Die Zähne der Frühmenschen zeichneten ein besonderes Bild: Je nach Jahresverlauf änderte sich das Verhältnis leicht. Die Beisser der Orang-Utans waren allerdings durch noch deutlichere Spitzen geprägt. Laut Erstautorin Jülide Kubat deuten diese Peaks "auf ein reichhaltiges pflanzliches Nahrungsangebot in der Regenzeit hin, während der im Regenwald zum Beispiel viele Früchte gebildet wurden".
In der Trockenzeit hätten vor allem Orang-Utans auf andere Nahrungsquellen umsteigen müssen. Das seien möglicherweise Insekten oder Eier gewesen. "Homo erectus dagegen war - so zeigen die weniger ausgeprägten Peaks und niedrigeren Sr/Ca-Werte – als Allesesser und zeitweise Fleischkonsument weniger vom saisonalen Nahrungsangebot abhängig", erklärt Kubat.
In der Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature Ecology & Evolution" erschien, schlussfolgert das Team, dass der Frühmensch "ein grösseres Mass an Ernährungsunabhängigkeit bewahrte, indem er die regionale Vielfalt der Nahrungsressourcen über die Jahreszeiten hinweg nutzte".
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Ergebnisse durch Analyse des Zahnschmelzes sind für Forschende "absolut faszinierend"
Durch seine Analyse gelang es dem Forschungsteam, einen detaillierten Einblick in die Lebensgeschichte der Vorfahren der Menschen zu geben. Müller beschreibt die angewandte Technik und deren Ergebnisse als "absolut faszinierend". "Plötzlich ist man ganz nahe dran an diesen frühen Menschen, die so lange vor unserer Zeit gelebt haben. Man kann erspüren, was der jahreszeitliche Wechsel für sie bedeutet haben mag und wie sie mit ihrer Welt interagiert haben", wird der Wissenschaftler zitiert.
Die sogenannten Retzius-Streifen der Zähne verraten viel über Essgewohnheiten und Lebensumstände. Diese Wachstumslinien formen sich durch den Schmelz, der sich in mikroskopisch kleinen Schichten sammelt. An ihnen lässt sich etwa ablesen, wann und wie sich die Ernährung geändert hat.
Das machte sich das Forschungsteam zunutze. Die Forschenden legten die Zähne in Harz ein und schnitten sie in Scheiben, gerade einmal 150 Mikrometer dick. Ein Laser trug dann das Zahnmaterial ab. Mittels der Laser-basierten Plasma-Massenspektrometrie (A-ICPMS) konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Gehalt von Strontium und Kalzium untersuchen.
Verwendete Quellen:
- Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt am Main: "Frühmenschen: Jahreszyklen im Zahnschmelz geben Einblicke in Lebensgeschichten"
- nature.com: Studie "Dietary strategies of Pleistocene Pongo sp. and Homo erectus on Java (Indonesia)" (Veröffentlicht am 16. Januar 2023)
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