• Am 12. Oktober 1492 hat Christoph Kolumbus Amerika entdeckt. So steht es noch heute in vielen Geschichtsbüchern.
  • Forschungen haben allerdings ergeben, dass zahlreiche Entdecker wohl schon lange vor ihm in Amerika waren – und dass Kolumbus davon gewusst haben soll.

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Um kaum ein anderes geschichtliches Ereignis gibt es so viele Unklarheiten, Mythen und Forschungen wie um den wohl bekanntesten Seefahrer aller Zeiten. Dass Kolumbus 1492 Amerika entdeckt hat, lernt heute in der Schule jedes Kind. Damit fangen die Ungenauigkeiten allerdings schon an, denn diese Darstellung stimmt höchstens aus europäischer Sicht.

Denn Kolumbus' Bordbuch aus dieser Zeit belegt schliesslich, dass er auf seinen Erkundungsfahrten auf Ureinwohner traf – und zumindest die waren ja in jedem Fall vor ihm da; Kolumbus nannte sie "Wilde". Allerdings ist dieses Buch auch nur eine Kopie der Urschrift, das Original ist verschollen.

Des Weiteren zeigt die Forschung, dass andere Entdecker wohl schon weit vor Kolumbus auf dem amerikanischen Kontinent waren. Warum ist dann ausgerechnet Kolumbus' Name so weltberühmt? Selbst sein Geburtsdatum sowie sein Geburtsort sind bis heute umstritten. Historiker haben sich schliesslich darauf geeinigt, dass er 1451 in Genua geboren wurde. Zunächst erlernte er wie sein Vater den Beruf des Wollwebers. Viel mehr interessierten ihn allerdings Schiffe, Seereisen und bis dahin bekannte Reiseberichte und Weltkarten.

Die Wikinger waren vor Kolumbus in Amerika - und nicht nur sie

So begann er bereits als Jugendlicher seine Fahrten zur See, perfektionierte nach und nach seine Qualitäten als Seemann, indem er Seekarten studierte und Wind und Strömungen bestimmen lernte. Später bereiste er den bis dato bekannten Teil seiner Welt: Historiker sind aufgrund von Aufzeichnungen von Kolumbus' Sohn Hernando sicher, dass Kolumbus vor seinen Entdeckungsreisen etwa in Island gewesen sein muss, wo er um 1477 von den Wikingern und ihren Seeabenteuern erfuhr.

Die Wikinger unter Leif Eriksson sollen bereits 500 Jahre vor Kolumbus den amerikanischen Kontinent entdeckt haben. Auf Fahrten von Island nach Grönland kamen sie demnach trotz ihrer hervorragenden Navigationskünste vom Kurs ab und strandeten irgendwo in der Nähe der kanadischen Küste. Forscherinnen und Forscher sind sich heute sicher, dass Kolumbus von diesen Reiseberichten und damaligen Seekarten gewusst haben muss.

Auch weitere, weniger bekannte Entdecker sollen bereits weit vor Kolumbus auf dem amerikanischen Kontinent gewesen sein. Etwa der irische Abt Sankt Brendan, der im 6. Jahrhundert mit einem Boot aus Tierhäuten zu einer Fahrt in den Atlantik aufgebrochen sein soll. Sein Reisebericht, der mehrere Jahrhunderte nach ihm auftauchte, gibt der Wissenschaft aufgrund detaillierter Beschreibungen des Meeres und der Umgebung bis heute Grund zur Annahme, dass der Abt sogar weit vor den Wikingern in Amerika war. Auch hier gehen Forscher und Forscherinnen davon aus, dass Kolumbus den Reisebericht des Brendan kannte.

Sieben Jahre auf der Suche nach Sponsoren

Zurück zu Kolumbus. Der wollte eigentlich gar nicht nach Amerika, sondern nach Indien und China. Er wollte für den Weg zu den wichtigen Handelspartnern als erster Seemann die westliche Seeroute nutzen, nicht den östlichen Seeweg um Afrika herum.

Zuvor musste er jedoch um finanzielle Unterstützung eines Staatsoberhaupts bitten, um die Reise nach – wie er es vorhatte – Asien zu unternehmen. Sieben Jahre sollte das dauern: Zunächst lehnte der portugiesische König ab, da ihn zum einen nur der Weg nach Asien auf dem Ostweg interessierte und zum anderen, da seine Berater die Westroute für falsch berechnet hielten – womit sie vollkommen richtig lagen.

Am Ende entschied sich das spanische Königspaar, Kolumbus in seiner Reise nach Asien zu unterstützen. Anfang August 1492 begann die Fahrt für Kolumbus und seine Männer auf insgesamt drei Schiffen Richtung Westen. Aufgrund falscher Berechnungen dachte Kolumbus, das Ziel Asien sei nach etwa 4.500 Kilometern Fahrt erreicht; in Wirklichkeit waren es 20.000 Kilometer.

"Erstens unterschätzte er den Erdumfang, zweitens überschätzte er die Ausdehnung der eurasischen Landmasse, und drittens war er der Überzeugung, dass Japan und andere bewohnte Inseln viel weiter östlich der chinesischen Küste zu finden sein mussten, als bis dahin vermutet", schreibt der Geschichtsprofessor Stefan Rinke in seinem Buch "Kolumbus und der Tag von Guanahani. 1492: Ein Wendepunkt in der Geschichte".

Andere Historiker und Historikerinnen glauben allerdings, Kolumbus habe sich gar nicht verrechnet, sondern sei wohl wissend nach Amerika gereist. Schliesslich habe er durch die vielen Reisepläne seiner Vorfahrer genau gewusst, dass auf der Westroute zwischen Spanien und China irgendwann der amerikanische Kontinent komme. Der König hätte aber niemals nur eine Abenteuerreise finanziert, daher habe Kolumbus ihm die Indienreise mit Aussicht auf Gold verkauft.

Versklavung der Ureinwohner

Nach einer schwierigen Fahrt, auf der ihn eine Schiffsreparatur zu einer einmonatigen Pause zwang, einer Ratten- und Holzwurmplage sowie immer wieder aufkommendem Unmut der Matrosen erreichte Kolumbus am 12. Oktober 1492 eine Insel der Bahamas, die er sogleich von "Guanahani" in "San Salvador" umtaufte, die spanische Flagge hisste und sich als Vizekönig feiern liess.

Rücksichtlos ging Kolumbus auch fortan auf seinen insgesamt vier Fahrten nach Amerika gegen die Ureinwohner vor. "Die Eingeborenen veräusserten all ihre Habe zu Schleuderpreisen, sodass sie für ein kurzes Band oder für irgendeine Kleinigkeit, die man ihnen bot, einen ganzen Korb voll Baumwolle im Tausch hergeben", schreibt er in sein Bordbuch. Er hatte die Hoffnung, "(…) dass alle diese Leute gute Christen würden". Ausserdem, so schreibt er, würden sich die Ureinwohner gut als Sklaven eignen.

Zurück in Spanien wurde Kolumbus als Held gefeiert. In den folgenden Jahren brach er zu Eroberungen weiterer Inseln wie etwa Kuba, Guadaloupe, Jamaika und Puerto Rico auf, die ersehnten Goldschätze blieben jedoch aus. Die Mannschaft rebellierte schliesslich gegen ihren Anführer; seine Herrschaft sei chaotisch und willkürlich. Daraufhin entschloss sich der spanische Hof, ihn nicht mehr zu unterstützen. Zwar wurde Kolumbus noch eine vierte Fahrt (1502 bis 1504) gewährt, sein Ruf war jedoch dahin. Bis zu seinem Tod 1506 bemühte er sich vergebens, sein Ansehen in der Öffentlichkeit wiederherzustellen.

Dass Kolumbus trotz zahlreicher vorheriger Entdecker Amerikas der berühmteste unter ihnen ist, liegt vermutlich daran, dass mit ihm die Erkundung des Kontinents erst richtig begann. Sein Glück war es, dass ihn sein Wissen überdauerte – anders als es bei seinen Vorgängern der Fall war. Vielleicht passt der Begriff des "Erforschers" besser zu Kolumbus als die des "Entdeckers".

Verwendete Quellen:

  • Christoph Kolumbus: Das Bordbuch. Leben und Fahrten des Entdeckers der Neuen Welt. Verlagshaus Römerweg GmbH, 2. Auflage, Wiesbaden 2016.
  • Stefan Rinke: Kolumbus und der Tag von Guanahani. 1492: Ein Wendepunkt in der Geschichte. Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2013.
  • Kolumbus und die wahren Entdecker Amerikas, ZDF-Doku, Terra X, 2019
  • National Geographic: Leif Eriksson
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