Männer jagten, Frauen sammelten: So unser klassisches Bild von früheren Völkern. Eine Studie widerlegt nun dieses wissenschaftliche Klischee. Demnach waren die Frauen sehr wohl an der Jagd beteiligt – auch bei grossen Tieren.
Männer jagen, Frauen sammeln: So beschreiben sogar viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen seit Jahrzehnten die Arbeitsteilung bei sogenannten Wildbeuter-Gesellschaften. Dieser Darstellung widerspricht nun eine Studie entschieden: Demnach zeigt die Analyse ethnographischer Texte, dass Frauen in mindestens 79 Prozent der untersuchten Kulturen ebenfalls jagten – und zwar oft auch Grosswild.
Angesichts dieser Erkenntnis müssten viele archäologische Funde neu interpretiert werden, betont das Team um Cara Wall-Scheffler von der Seattle Pacific University im Fachblatt "PLOS One".
Wikinger-Krieger wurde als Frau identifiziert
Denn bisher habe das Klischee von jagenden Männern und sammelnden Frauen auch die Deutung von Entdeckungen geprägt, schreiben die fünf Forscherinnen. So wurde etwa in Schweden ein mit Jagdwaffen beigesetztes Individuum lange als Wikinger-Krieger gedeutet – bis eine DNA-Analyse ergab, dass es sich um eine Frau handelte.
Die Autorinnen verweisen auch auf den Fund eines 9.000 Jahre alten Grabes im südperuanischen Andenhochland. Neben der dort beigesetzten Frau lagen Werkzeuge zum Jagen und Häuten von Grosswild. Danach bestätigte eine Auswertung von Gräbern aus dem prähistorischen Amerika, dass Frauen dort sehr häufig zusammen mit Jagdutensilien bestattet wurden. Auch bei den Skythen – einer antiken eurasischen Nomadenkultur – seien Frauen oft mit Waffen beigesetzt worden.
Bei 79 Prozent der Gesellschaften jagten Frauen
Um die Frage der Geschlechterrollen für die jüngere Vergangenheit zu klären, sichtete das Team um Wall-Scheffler zunächst eine Datenbank, die ethnologische Informationen zu mehr als 1.400 Gesellschaften enthält. Dabei konzentrierten sie sich auf die Angaben zu knapp 400 Jäger-und-Sammler-Kulturen. Für 63 davon – in Amerika, Afrika, Asien, Australien und Ozeanien – gab es ausführliche Angaben zur Jagd; nicht nur dazu, ob Frauen überhaupt jagten, sondern teilweise auch zu den Umständen und zur anvisierten Beute.
Bei 50 dieser Gesellschaften – also 79 Prozent – waren jagende Frauen dokumentiert. Bei den meisten davon gingen Frauen gezielt auf Beutesuche. Eher selten war dagegen das rein opportunistische Jagen, also nur dann, wenn sich gerade eine günstige Gelegenheit bot. Grosswild war sehr häufig das Ziel – kein Wunder angesichts der Tatsache, dass grosse Tiere auch mehr Fleisch liefern. Und bei jenen Gruppen, bei denen die Ernährung hauptsächlich von der Jagd abhing, waren Frauen daran immer aktiv beteiligt, heisst es in der Studie.
Mitunter nutzten sie dabei teils andere Werkzeuge und Jagdstrategien als Männer, schreibt die Gruppe unter Verweis etwa auf die Aka in Zentralafrika und die Agta auf den Philippinen. Das Studienresultat veranschauliche sowohl die Vielfalt menschlicher Gesellschaften als auch ihre Flexibilität.
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"Die hier beschriebene Auswahl reicht aus für den Schluss, dass Frauen in Wildbeuter-Gesellschaften weltweit in der jüngeren Zeit an der Jagd mitwirkten", bilanzieren die Wissenschaftlerinnen. Dies widerspreche dem gängigen Glauben, dass Frauen ausschliesslich sammeln, während Männer ausschliesslich jagen. Die Vorstellung vom ausschliesslich jagenden Mann sei nicht länger haltbar. (dpa/mak)
Verwendete Quellen:
- PLOS ONE: The Myth of Man the Hunter: Women’s contribution to the hunt across ethnographic contexts
- Science Advances: Female hunters of the early Americas
- Wiley Online Library: A female Viking warrior confirmed by genomics
- Datenbank D-PLACE
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