Im Duvenseer Moor ist vor 10.500 Jahren ein Mensch gestorben. Dieses Brandgrab gilt heute als älteste Ruhestätte Norddeutschlands. Archäologen arbeiten mit Hochdruck daran, die Geheimnisse der Knochen aufzudecken.
Archäologen des Mainzer Leibniz-Zentrums für Archäologie wollen mehr über die Überreste eines vor 10.500 Jahren im Duvenseer Moor bei Lüchow in Schleswig-Holstein gestorbenen Menschen erfahren. "Es sind noch viele naturwissenschaftliche Untersuchungen notwendig, um diesem Menschen ein Bild zu geben", sagte Grabungsleiter Harald Lübke der Deutschen Presse-Agentur.
"Nach der anthropologischen Analyse handelt es sich eher um die menschlichen Überreste eines Mannes denn einer Frau", sagte Lübke. Das Becken des Erwachsenen, an dem sich dies am besten feststellen liesse, sei nicht erhalten. Noch immer wissen die Wissenschaftler nicht, ob die Überreste noch DNA enthalten. "Der Leichnam ist ja nur teilweise verbrannt", sagte Lübke.
"Wir haben eine Auswahl von Knochen erstellt, die sowohl für die aDNA-Analyse als auch für eine Radiokohlenstoffdatierung (C14-Datierung) beprobt werden können", sagte Lübke. Zuvor sollen diese Stücke aber erst in ihrem ursprünglichen Zustand gescannt werden, um jeweils ein 3D-Modell der Knochen zu haben. "Das wäre zum Beispiel auch für eine künftige Ausstellung sehr wichtig, wenn alle erhaltenen Überreste des Leichnams in einem virtuellen 3D-Skelettmodell dargestellt werden könnten."
Die notwendigen Geräte habe das Leibniz-Zentrum für Archäologie bereits angeschafft, sagte Lübke. "Sobald die Knochen dokumentiert sind, können wir dann endlich die weiteren Analysen vornehmen. Datiert haben wir aber bereits verkohlte Hölzer aus der Brandschüttung sowie weitere Fundstücke des Fundplatzes. Deshalb haben wir bereits eine genaue Vorstellung des Alters."
Archäologen finden Jolly Roger - oder den Piraten von Lüchow
Für Archäologen ist der Ort seit langem ein Hotspot. Seit rund 100 Jahren graben sie dort immer wieder. Es gibt mehr als 20 Fundstellen, darunter steinzeitliche Wohnplätze. Als diese noch bewohnt waren, lag die letzte Eiszeit bereits mehrere Tausend Jahre zurück. Die Ostsee in ihrer heutigen Form existierte noch nicht, stattdessen gab es viele Seen.
2022 entdeckten Wissenschaftler die Brandbestattung, den Schädel fanden sie ein Jahr später nur wenige Meter hinter der Grabungskante von 2022. "An der Basis lagen verbrannte Langknochen und darauf waren Schädelteile platziert", sagte Lübke. Diese seien ineinander geschoben gewesen.
"Das sah tatsächlich aus wie eine Piratenflagge. Deswegen haben wir das scherzhaft Jolly Roger genannt beziehungsweise den Piraten von Lüchow", sagte Lübke. Über dieser flachen Grube seien Überreste des Scheiterhaufens mit weiteren verbrannten Knochen und verkohlten Hölzern aufgehäuft worden. "Das muss ein richtiger kleiner Hügel gewesen sein, dessen oberer Teil dann später in Richtung Ufer erodiert ist. Diese Abschwemmung war das, was wir 2022 zuerst gefunden hatten, aber noch nicht richtig erklären konnten."
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2024 entdeckte das Team zudem Reste der verbrannten Hand. "Das war auch deshalb wichtig, weil diese Reste uns zeigen, in welche Phase des Wohnplatzes die Brandbestattung wirklich gehört", sagte Lübke. Die Stelle des eigentlichen Scheiterhaufens sei noch unbekannt. "Wir gehen aber weiterhin davon aus, dass sich dieser in unmittelbarer Nähe der Brandbestattung und damit nahe unserer bisherigen Ausgrabungsfläche befunden hat."
Platz wurde nach Brandbestattung zunächst aufgegeben
Die Archäologen graben auf dem Grund des Landwirts Paul Petersen weiterhin regelmässig in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein und dem Museum für Archäologie Schloss Gottorf in Schleswig. "Es hat dort einen Wohnplatz gegeben. Dort haben die Menschen gejagt, gefischt und Haselnüsse geröstet", sagt Lübke. "Das alleine war schon ein tolles Ausgrabungsergebnis. Die Brandbestattung hat das dann aber natürlich alles getoppt."
Der Archäologe geht davon aus, dass der Platz nach der Brandbestattung zunächst aufgegeben wurde. Ob es sich bei dem toten Menschen um ein Mitglied der Gruppe oder einen Fremden handelte, sei reine Spekulation, sagte Lübke. Offen sei, wie der Mensch zu Tode kam.
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"Selbst wenn der Leichnam nicht zu Teilen verbrannt wäre, findet man auch bei Menschen, die durch Schussverletzungen oder auch durch Stichverletzungen oder Ähnliches zu Tode gekommen sind, eigentlich nur dann Hinweise, wenn dabei zufällig Knochen getroffen wurden", sagte Lübke.
Klar ist bereits, es handelt sich um das älteste Grab Norddeutschlands. Zwar seien zwei Funde aus dem nördlichen Brandenburg noch älter datiert, sagte Lübke. Es habe sich dabei aber um Flussfunde gehandelt. (dpa/bearbeitet von ff)
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