• Das Marineschiff USS William D. Porter soll 1943 eigentlich den US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt beschützen.
  • Bei einem simulierten Gefecht geht jedoch aus Versehen ein scharfer Torpedo los.
  • Es ist nicht der einzige Vorfall bei dem Einsatz im Atlantik.

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Wenn US-Präsidenten reisen, ist das keine spontane Angelegenheit. "Anführer der Freien Welt" sind gefährdete Persönlichkeiten, jeder Spaziergang, jede Autofahrt, jeder Flug eine Bedrohung. Mehrere Präsidenten fallen Attentaten zum Opfer - und einer wird fast von seinen eigenen Leuten getötet. Aus Versehen.

Im November 1943 bricht US-Präsident Franklin D. Roosevelt zu einer Reise über den Atlantik auf, die im Fiasko enden wird. Der Zweite Weltkrieg tobt noch immer, die deutschen Truppen sind noch nicht geschlagen und auf Sizilien bekämpft die Wehrmacht erbittert die angelandeten Briten und Amerikaner.

Eine Lösung muss her, es braucht den entscheidenden Schlag gegen Adolf Hitler, befinden die Alliierten. Die "Grossen Drei", der britische Premier Winston Churchill, US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der sowjetische Führer Josef Stalin, wollen sich treffen, das erste Mal physisch seit Beginn des Weltkrieges.

Roosevelt muss nach Teheran

Doch schon um den Tagungsort entbrennt ein Psychokrieg, es geht hier um nichts Geringeres als die "gewaltigste Konzentration von Weltmächten, die es je in der Geschichte der Menschheit gegeben hat", findet Churchill. Der Brite und der US-Amerikaner lehnen den sowjetischen Vorschlag, das Treffen in der persischen Hauptstadt Teheran abzuhalten, zunächst ab.

Roosevelt möchte nach Kairo, Churchill bevorzugt Habanija nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad. Auch Ankara, Asmara und ein Treffen mitten auf dem Atlantik sind im Gespräch. Stalin setzt sich durch. Die Wahl fällt auf Teheran, obgleich der Iran zynischerweise der wichtigste Handelspartner Berlins ist.

Washington - Teheran, das wären heute rund 15 Stunden Flugzeit, wenngleich diese Route aus politischen Gründen keine Airline fliegt. Die Welt ist aber im Jahr 1943 noch eine andere, eine Flugreise ist für den ab der Hüfte gelähmten Roosevelt, der die meiste Zeit im Rollstuhl sitzt, undenkbar. Für die 10.000 Kilometer und einen Zwischenstopp in Ägyptens Hauptstadt Kairo wird eigens ein Zerstörer umgebaut - die USS Iowa ist das erste Kriegsschiff mit Badewanne unter Deck.

Eine Reise durch den Atlantik ist mitten im Zweiten Weltkrieg ein gefährliches Unterfangen. Die Deutschen haben sich entschieden, bis zum Kriegsende U-Boote in den Atlantik zu schicken, um möglichst viele Soldaten der Alliierten an die Seekämpfe zu binden. Für Hitler ist die Lage in dieser fünften Phase des U-Boot-Krieges längst aussichtslos, er lässt seine Marine dennoch aufrüsten, etwa mit zielsuchenden Torpedos und funkbasierten Wasserortungsgeräten.

Die Reise durch den Atlantik ist für einen US-Präsidenten ein Ritt durch ein Minenfeld. Die Entourage erhält deshalb Schutz von drei Begleitschiffen, alle schwerbewaffnet und ausgestattet mit modernster Kriegstechnologie.

Die "Willie Dee" – ein Zerstörer der Extraklasse

Eines der Begleitschiffe ist die USS William D. Porter, von der Besatzung liebevoll "Willie Dee" genannt: ein Zerstörer der Fletcher-Klasse, 114 Meter lang, zwölf Meter breit, mit Platz für 329 Besatzungsmitglieder. Verglichen mit einem Zerstörer der heutigen Zeit sind das putzige Werte, aber 1943 ist das Schiff topmodern. An Bord sind unter anderem zehn Torpedos mit je 500 Pfund schweren Sprengköpfen, dazu kommen Flugkörper für Angriffe aus der Luft.

Für die "Willie Dee" ist die Fahrt in den Orient der erste grosse Einsatz, nachdem das Schiff erst im September 1942 vom Stapel gelassen und wenige Monate später in den Dienst gestellt worden war. Die Schiffsbesatzung hatte man im Hau-Ruck-Verfahren auf den brisanten Einsatz vorbereitet - und das merkt man gleich beim Ausfahren.

Als die Besatzung in Norfolk die Leinen losmacht, rammt der Zerstörer mit dem Anker die Reling, kollidiert mit einem Rettungsboot und beschädigt die Kommandantenpinasse eines Schwesterschiffes. Der Schrecken ist gewaltig, der Schaden zum Glück überschaubar. Es bleibt bei einigen Kratzern. Die Havarie in Norfolk ist jedoch nur der Beginn einer Odyssee.

Kaum 24 Stunden später setzt sich der Konvoi aus USS Iowa, "Willie Dee" und zwei weiteren Zerstörern in Bewegung. An Bord der Iowa reist neben dem Präsidenten auch Aussenminister Cordell Hull sowie zahlreiche hochrangige Militärs. Kein Wort im Funk, lautet deshalb die strikte Anweisung, zu gross wäre dann die Gefahr, von den Deutschen geortet zu werden.

Das Fiasko beginnt mit einer Monsterwelle

Bei der erwünschten Stille bleibt es aber nur kurz. Plötzlich kracht es, das Wasser schäumt, die Sirenen auf Deck klingeln. Stimuliert von den aggressiven Ausweichmanövern der vier Schiffe, rammt ein Kaventsmann, wie Seeleute eine Monsterwelle nennen, die "Willie Dee".

Ein Mann geht über Bord und stirbt. Die Wassermassen fluten den Maschinenraum. Der Antrieb des Zerstörers wird empfindlich geschwächt. Die Mission, den Präsidenten geräuschlos über den Atlantik zu bringen, sie beginnt mit einem Fiasko.

Plötzlich wird die Funkstille unterbrochen, von Wilfred A. Walter, dem Kommandanten der "Willie Dee". Er scheint peinlich berührt. Eine ungesicherte Wasserbombe habe sich am Heck des Zerstörers gelöst und sei beim Aufprall auf die Wasseroberfläche detoniert, erklärt er. Klar ist: Die Navy-Soldaten an Bord des Schwesterschiffes haben sich vor den Augen des Präsidenten bis auf die Knochen blamiert.

Das Schicksal meint es nicht gut mit der "Willie Dee" – oder vielleicht fordert der Präsident einfach zu viel? Roosevelt war in der US-Marine politisch sozialisiert worden, hatte als bis dahin jüngster Staatssekretär im Marineministerium Karriere gemacht und den Ausbau der Seestreitkräfte entschieden vorangetrieben.

Er gilt als Fan der Navy. Jetzt, einige Seemeilen östlich der Karibikinsel Bermuda, äussert er deshalb einen exklusiven Wunsch. Er will die Waffen spielen lassen, die USS Iowa soll ihre mächtige Luftabwehr präsentieren. Dafür lässt die Crew einige Wetterballons aufsteigen und feuert rund 100 Schuss auf die Ziele.

Das Spektakel bleibt von der wenige Seemeilen entfernten Crew der "Willie Dee" nicht unentdeckt. Angestachelt vom Gefecht des Schwesterschiffes und im Glauben, das Bild des Dilettanten beim Präsidenten heilen zu können, steigt Kommandant Walter mit seiner Crew ungebeten in das simulierte Gefecht ein.

Die Männer am Flak feuern auf die Wetterballons, die inzwischen in Richtung der "Willie Dee" getrieben sind, am Heck macht man die Torpedos bereit, ohne jedoch die Sprengköpfe zu entfernen, wie das für eine Übung erforderlich wäre. Es kommt wie es kommen muss: Torpedo #3 verlässt seine Verankerung und nimmt Kurs auf die USS Iowa – scharf und mit ausreichend Energie, das Schiff mitsamt dem Präsidenten an Bord zu versenken.

Torpedo nimmt Kurs auf das Präsidentenschiff

Die nächsten Minuten müssen sich wie die Hölle angefühlt haben für die Crew der "Willie Dee", die eigentlich den Auftrag hat, den Präsidenten zu schützen. Hektisch rennen die Schiffsmänner über das Deck und überlegen, wie sie die USS Iowa warnen.

Zunächst versucht man es mit Leuchtsignalen, die dort aber niemand zur Kenntnis nimmt, weil sie in die falsche Richtung leuchten. Auch aggressive Kursänderungen bleiben an Bord der Iowa unbemerkt. Zum zweiten Mal sieht sich Kommandant Walter mit der Situation konfrontiert, die strenge Funkstille unterbrechen zu müssen, um die Crew des Schwesterschiffes zu warnen.

Und was tut Roosevelt? Offenbar unbeeindruckt von der tödlichen Gefahr, bittet er den Secret Service, man möge seinen Rollstuhl zur Reling schieben, und ihm freie Sicht auf das Spektakel geben. Und er bekommt, was er will.

In der Sorge, es handele sich bei dem Torpedoangriff um ein Attentat und kein Versehen, richtet die Iowa ihre Geschütze auf den Zerstörer. Doch alle Beteiligten haben Glück: Im Kielwasser des Präsidentenschiffes detoniert der Torpedo, keine 3.000 Meter entfernt. "Wir haben es geschafft", krächzt Kommandant Walter durch den Äther.

Für die Männer an Bord der "Willie Dee" hat ihr dilettantisches Verhalten ein Nachspiel. Der Zerstörer löst sich vom Verband und läuft in Bermuda ein. Dort wird er von Soldaten der Navy umstellt, erstmals in der Geschichte der Marine steht eine ganze Schiffsbesatzung unter Arrest.

Der Torpedomann wird zu vierzehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt, der Kommandant und einige Offiziere zwangsversetzt. Nur die Intervention von Präsident Roosevelt rettet die Besatzung – er schätzt den Vorfall als Versehen ein und bittet um Aussetzung der Strafe.

Die "Willie Dee" hat die folgenden Jahre, in denen sie im Pazifik kämpft, ihren Ruf weg. Wann immer sie in die Nähe eines anderen Navy-Schiffes gerät, wird die Crew mit den Worten "Don't shoot, we're republicans" (deutsch: "Nicht schiessen, wir sind Republikaner") begrüsst.

Im Juni 1945 wird die USS William D. Porter Opfer eines Kamikazeangriffs und sinkt.

Verwendete Quellen:

  • Taskandpurpose.com: This WWII Naval Ship Was So Unlucky, It Almost Killed FDR
  • Orange Leader: And Now You Know: The Hard Luck Destroyer USS William D. Porter, DD 579
  • HistoryNet: USS William D. Porter: The U.S. Navy Destroyer's Service in World War II
  • Die Truman-Doktrin (Seminararbeit)
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