Kürzlich wurde bekannt, dass der US-Geheimdienst CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nach Substanzen suchte, die einen Verdächtigen dazu bringen sollten, die Wahrheit zu sagen. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass das versucht wurde - und nicht das erste Mal, dass man mit dem Versuch scheiterte. Ein Blick auf teils bizarre Geheimdienst-Experimente.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Geheimdienste im Geheimen operieren. Umso interessanter ist es, wenn ihre geheimen Methoden öffentlich bekannt werden, wie nun im Fall der Suche nach einem sogenannten Wahrheitsserum.
Experimente, die an Dokumente anschliessen, die im vergangenen Jahr auf Grundlage der Klage einer Bürgerrechtsorganisation online zugänglich gemacht wurden.
Die Unterlagen beleuchteten die Geheimdienstarbeit über einen Zeitraum von rund 50 Jahren. Was in diesen Dokumenten an Projekten, Experimenten und Geheimdienstforschung zu entdecken war, kannten viele Menschen bis dato nur aus Filmen.
Versuche mit Drogen wie LSD
Zum Beispiel die Experimente mit dem Halluzinogen LSD. Sie waren Teil eines Projektes mit dem Namen MKUltra, unter dem alle Forschungen zur Kontrolle des Bewusstseins liefen.
Mit den Experimenten wurde, wie der Historiker Wolfgang Krieger im Gespräch mit unserer Redaktion sagt, in den USA zu der Zeit des Korea-Kriegs begonnen.
"Die CIA und die US-Regierung hatten damals die Befürchtung, dass Soldaten in Gefangenschaft Geheimnisse, etwa Einsatzpläne, verraten könnten", so Krieger. Denn die Gegenseite, Nordkoreaner, Chinesen und Sowjets, standen in dem Verdacht, Techniken zu beherrschen, mit denen sie angeblich Gedanken kontrollieren konnten.
Um auf diesem Gebiet aufzuholen, setzten die USA MKUltra auf. Die Versuche mit LSD, die zum Teil ohne das Wissen der Testpersonen gemacht wurden, waren hier nur ein Kapitel von vielen.
Es wurde auch mit anderen Drogen experimentiert. Unter anderem an Strafgefangenen sei ausprobiert worden, welche Drogen geeignet sein könnten, jemanden die Wahrheit sagen zu lassen, so Wolfgang Krieger.
Ungefähr ein Jahrzehnt lang hatte man diese Versuche durchgeführt - und dann aufgegeben. "Man kam zu dem Ergebnis, dass die Probanden unter dem Einfluss von LSD nicht mehr sagten, als sie unter Alkoholeinfluss sagen würden", so der Historiker. Zwar redeten diese Personen viel, "aber was davon die Wahrheit war, konnte man nicht feststellen".
Dann eben Hellseher
Ähnliches gilt auch für einen Personenkreis, der in den 1970ern in Geheimdienstkreisen grosse Beachtung fand: vermeintlich paranormal begabte Individuen, also Menschen, die sich beispielsweise selbst als "Medium" bezeichneten.
Auch sie redeten viel, aber was davon die Wahrheit war, konnten die damit befassten Wissenschaftler ebenfalls nicht sicher sagen.
Auf die Idee, Telepathie ins Spektrum ihrer Methoden hineinzunehmen, kamen US-Geheimdienste, weil sie glaubten, die Sowjetunion engagiere sich in diesem Bereich und investiere viel Geld in die sogenannte psychotronische Forschung.
Der Begriff "Psychotronik" war das Ost-Äquivalent zu dem, was im Westen als "Parapsychologie" bezeichnet wurde.
Die CIA suchte sich also Mitarbeiter, die sich in der Sache vermeintlich auskannten, um dann Tests und Befragungen durchzuführen.
Unter anderem sollten die Probanden von einer Forschungseinrichtung in den USA Fragen zu Ereignissen ausserhalb der USA beantworten, etwa zu einem in den 1980er-Jahren im Libanon entführten US-Soldaten.
Die meisten von ihnen antworteten auf solche Fragen, wort- und detailreich. Und offenbar wolkig genug, um Ergebnisse zu produzieren, die ihre Auftraggeber zumindest eine Zeitlang zufriedenstellten.
Mitte der 1990er schaute sich jedoch eine Kommission die Resultate an und kam zu dem Ergebnis: die Hellseher lieferten keine brauchbaren Erkenntnisse. Die Forschung daran wurde eingestellt.
Warum es so lange dauerte, bis man zu dieser Erkenntnis kam, dazu sagt Martin Mahner von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) im Deutschlandfunk Kultur: "Im Kalten Krieg hat man nach jedem Strohhalm gegriffen, der einen Vorteil bringen könnte." Wenn es ein paar Leute gebe, die fest daran glaubten, könne sich "so ein Humbug" durchsetzen.
Tiere als Informationsbeschaffer
Ebenso eingestellt wurden viele Versuche, Tiere in der Geheimdienstarbeit einzusetzen. Die Idee hat eine recht lange Tradition.
So wurden im Ersten Weltkrieg vom Deutschen Kaiserreich etwa Brieftauben zur Aufklärung eingesetzt, indem man ihnen eine kleine Kamera umhängte und den Verschluss so einstellte, dass er zu bestimmten Zeiten während des Fluges auslöste.
Ein US-Experiment, das unter dem Namen "Acoustic Kitty" (auf Deutsch: akustisches Kätzchen) lief, ist jedoch besonders schaurig.
Da Katzen sich unauffällig fast überall hineinschleichen können, sollten sie, so die Idee, als wandelnde Abhöreinrichtung fungieren.
Eine Testkatze bekam dafür Implantate eingesetzt und wurde verkabelt. Unter anderem wurde so versucht, ihr Verhalten zu manipulieren, damit sie auch tatsächlich dahin ging, wo es etwas zu belauschen gab.
Das Experiment scheiterte jedoch. Im Abschlussbericht der CIA von 1967 ist vermerkt, dass "die Umwelt- und Sicherheitsfaktoren bei Verwendung dieser Methode in einem echten Auslandseinsatz" den Geheimdienst zu dem Schluss gebracht hätten, "dass sie für unsere […] Zwecke nicht praktikabel wäre".
Über das weitere Leben der Katze gibt es unterschiedliche Versionen: In der ersten wurde sie von einem Auto überfahren, in der zweiten wurden ihr alle Implantate entfernt und sie starb später eines natürlichen Todes.
Getränkte Schals und die "Geheimtinte Urin"
Ohne Tierquälerei funktioniert die Forschung an Schreibtinten, die das Geschriebene nur unter bestimmten Umständen sichtbar machen. Vor rund einem Jahr haben chinesische Forscher damit verblüfft, eine Tinte kreiert zu haben, die mehrmals sichtbar und unsichtbar gemacht werden kann.
Wie wichtig dieses Forschungsgebiet in Zeiten der digitalen Kommunikation für Geheimdienste heute ist, ist unklar. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hatte im Zusammenhang mit der chinesischen Tinte den Bundesnachrichtendienst (BND) dazu befragt, der schwieg sich aber aus.
Was er allerdings preisgab war, dass es in den 1950er- und 1960er-Jahren eine Geheimdienstmethode war, Postkarten mit einer Tinte zu beschreiben, die nur in Verbindung mit einer bestimmten Chemikalie sichtbar wurde.
Ausserdem hätten Stofftaschentücher als Medium gedient, die ihre Botschaft dann mithilfe einer "einfachen, dem Laien zumutbaren Methode" enthüllten.
Florian Schimikowski vom Deutschen Spionagemuseums in Berlin erzählte der dpa ausserdem, dass unter anderem der Ururenkel des Chemikers Justus von Liebig Geheimnisse an die USA verraten habe - und zwar mit einer Geheimtinte, die er in einem Schal transportierte.
Genauer gesagt: mit der der Schal getränkt wurde. So habe er keine verdächtigen Chemikalien mit sich herumschleppen müssen. Am Ort angekommen, habe er den Schal auf Papier gedrückt und seine Botschaft mit einem stumpfen Gegenstand durchgepaust.
Es mussten aber nicht einmal immer extra produzierte Chemikalien sein. Manchmal hätten die Spione einfach Körpersäfte benutzt, Urin oder Sperma, sagte Schimikowski. Wie beim altbekannten Zitronensaft würden auch diese durch Wärme sichtbar.
Das allerdings ist eigentlich ein No-Go für Geheimtinten. "Gute Geheimschriften sind so gemacht, dass man sie mit den gängigen Verfahren nicht erkennen kann", sagt Schimikowski.
Verwendete Quellen:
- Zeit online: CIA sucht für Verhöre von Terrorverdächtigen nach "Wahrheitsserum"
- Heise.de: CIA stellt ehemalige Geheimdokumente online
- Afp-Meldung (auf Ärzteblatt.de): Medizinischer Dienst des CIA befasste sich mit Arzneimitteln für Verhöre
- Süddeutsche.de: Als die CIA übernatürliche Fähigkeiten erforschte
- Spiegel online: Zur Sache, Kätzchen
- Welt.de: Moderne Zaubertinte ist mehrfach einsetzbar
- Deutschlandfunk Kultur: Die Menschenversuche der CIA
- dpa-Meldung (auf badische-zeitung.de): Wissenschaftler entwickeln neuartige Geheimtinte
- Der Spiegel, 32/1989: "…, sonst werden wir alle gehängt"
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