SPD-Gründer Ferdinand Lassalle bezeichneten sie als "jüdischen Nigger", die Schweizer als "dumm" und Arbeiter als "komplette Esel": Die Rede ist von Karl Marx und Friedrich Engels. Ein kürzlich erschienenes Buch zeigt eine Seite der historischen Persönlichkeiten auf, die früher gezielt verschwiegen wurde.
Noch heute gelten Karl Marx und Friedrich Engels vielen als Kämpfer für Gerechtigkeit und Frieden. Doch dieses einseitige Bild wurde von den kommunistischen Machthabern des vergangenen Jahrhunderts gezielt propagiert.
Eine unbefangene Auseinandersetzung mit dem Teil ihrer Produktionen, der früher bewusst verdrängt wurde, zeigt ein ganz anderes Bild: In ihrem privaten Briefwechsel hetzen die beiden Söhne aus wohlhabenden Familien in derbem Ton gegen Zeitgenossen, Familienmitglieder, ganze Völker und nicht zuletzt gegen Arbeiter, Bauern und ihre eigenen Anhänger.
Die Brüder Björn und Simon Akstinat haben die bislang weniger bekannten Dokumente im Taschenbuch "Marx&Engels intim" zusammengefasst. Wir haben mit Björn Akstinat über die Veröffentlichung gesprochen.
Herr Akstinat, wie kam es zu der Briefsammlung, die Sie jetzt veröffentlicht haben?
Das ist ganz einfach. Mein Bruder ist auf ein paar Zitate von Karl Marx gestossen, die sehr deftig und auch sehr unerwartet waren. Das hat uns neugierig gemacht und wir dachten, wenn es ein, zwei interessante Zitate gibt, gibt es vielleicht noch weitere. Wir haben dann zusammen recherchiert und tatsächlich viel mehr entdeckt. Diese Zitate haben ein ganz anderes Bild ergeben, als das, was wir vorher von Karl Marx hatten.
Wie hat sich ihr Bild von Karl Marx durch die Arbeit an der Zitatsammlung gewandelt?
Man hatte im Grunde genommen früher immer den Eindruck, Marx sei der Kämpfer gegen den Adel, gegen die Bourgeoisie und die Unternehmer. Wenn man sich mit ihm näher beschäftigt, merkt man, dass er die Arbeiter zwar von ihrem Joch befreien wollte, aber sie im Grunde genommen für sehr dumme Leute hielt. Er beleidigt die Arbeiter in vielen seiner Briefe und genau so geht er mit den Bauern um. Also er hat viel über die Befreiung der Arbeiter von schlechten Arbeitsbedingungen schwadroniert, mochte aber die Arbeiter eigentlich gar nicht.
In der Realität haben sich kommunistische Regime meist ja nicht als besonders menschenfreundlich erwiesen. Kann man sagen, dass es typisch ist für Menschen mit kommunistischem Gedankengut, dass sie oft nur das vermeintliche Wohl anderer vorschieben, um ihre eigenen Machtinteressen durchzusetzen?
Viele Kommunisten geben vor, gegen Mächtige oder Machtmonopole kämpfen zu wollen. Wenn sie dann aber mal Macht bekommen, werden sie oft selbst zu Diktatoren. Und einer der Bekannten von Karl Marx hat erkannt, dass Marx – wenn er mal grossen Einfluss bekäme – sich wahrscheinlich zu einem Gewaltherrscher entwickeln würde. Er hat ihn in einem Brief auch schon als zukünftigen Diktator von Deutschland bezeichnet. Es wäre wahrscheinlich auch so gekommen. Wenn Marx so richtig in die Politik gegangen wäre und Wahlen gewonnen hätte, dann wäre er sicher kein besonders menschenfreundlicher Politiker oder Staatschef geworden.
Ein grosses Thema in den privaten Briefen ist ja Geld. Man liest darin, dass Marx einen sehr verschwenderischen Lebenswandel hatte und stark damit beschäftigt war, diverse Quellen anzuzapfen, um die Mittel dafür zu bekommen. Von Ideen, wie dass möglichst alle in Wohlstand leben sollen und den Armen geholfen werden sollte, ist nichts zu lesen.
Das ist genau so auch bei Engels. Engels war ja ein Unternehmersohn. Und Marx kam auch nicht aus einem armen Haushalt. Die beiden haben es sich gut gehen lassen. Haben auch schmarotzerhaft gelebt, indem sie von anderen Geld einforderten, gleichzeitig haben sie aber andere für deren Lebensstil verurteilt. Sie hatten in der Hinsicht keinen vorbildlichen Lebenswandel und damit nicht das Recht, andere zu verurteilen. Sie wurden im Ostblock wie halbe Götter verehrt und man kann sagen, dass sie eben doch nur Menschen waren. Es ist eher so, dass sie sehr viele Fehler hatten und als Vorbilder eigentlich nicht taugen.
Warum gelten Marx und Engels als Brückenbauer zwischen Nationen, wenn sie doch so gegen andere Nationen geschimpft haben? Liegt das allein an dem berühmten Ausruf "Proletarier aller Länder, vereinigt euch"?
Der Satz "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" stammt nicht mal von Karl Marx, sondern von einem Karl Schapper. Das hat uns auch überrascht, als wir es herausfanden.
Aber das einseitige Bild wurde bewusst erzeugt. Es wurde von Karl Marx und Friedrich Engels nur das veröffentlicht, was den kommunistischen Machthabern im Ostblock passte – und deshalb dachten alle, sie wären die grossen Friedensfürsten und die Befreier der Arbeiterschaft, die grossen Freunde der Arbeiter und als wäre ihnen viel an der Völkerverständigung gelegen. Aber wie in dem Buch zum Ausdruck kommt, haben sie sehr stark über fremde Völker gelästert, waren sogar sehr deutsch-patriotisch.
Es wurde äusserst selektiv veröffentlicht. Einen Wissenschaftler in der Sowjetunion, der mal ein bisschen mehr gesammelt hatte und sich mit allen Aussagen von den beiden befasste, alles archivierte und aufschrieb, den hat – weil er eben zu eifrig und neugierig war - Stalin hinrichten lassen.
Wenn man sich die Veröffentlichungen der vergangenen Jahre ansieht, muss man sagen, dass auch heute Medienvertreter das ideale Bild von Marx und Engels aufrechterhalten. Sind die Informationen, die Sie jetzt zusammengetragen haben, wirklich so versteckt oder woran liegt das?
Die Informationen sind sehr verstreut in verschiedenen Bibliotheken oder auch im Internet. Sie wurden noch nie so richtig zusammengetragen, um ein Gesamtbild zu geben. Aber wenn man sich wirklich dafür interessiert, dann kann man eben auch die bislang verdrängten Seiten von Marx und Engels entdecken. Viele Journalisten heute geben auch ein selektives Bild wider. Sie geben eben nur das wider, was in ihr eigenes Weltbild passt. Man kann jeden Menschen immer negativ und positiv darstellen. Dass jemand eine neutrale, objektive Biografie schreibt, ist ganz selten.
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