Es ist die älteste Mumie, die je gefunden wurde: Ötzi. Am 19. September 1991 entdeckten die Wanderer Erika und Helmut Simon am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen die Leiche, die sie zunächst für einen verunglückten Bergsteiger hielten. Doch dann stellte sich heraus, dass Ötzi bereits seit mehr als 5.000 Jahren im Eis lag.
Heute, 25 Jahre nach dem Fund, konnte die Geschichte um die Gletschermumie durch Experten zum grössten Teil rekonstruiert werden. Einige Fragen treiben Forscher aber noch heute um.
Eine Viertel Million Besucher kommen jedes Jahr nach Bozen ins Südtiroler Archäologiemuseum, um durch eine kleine Scheibe einen Blick auf Ötzi erhaschen zu können. Auch für die Forscher ist der Mann aus dem Eis nach wie vor eine Sensation.
So viele Untersuchungen musste bislang noch keine Mumie in der Geschichte der Menschheit über sich ergehen lassen. Die Wissenschaftler arbeiten weiterhin intensiv an der Erforschung aller Details rund um Ötzi. Aber: wer war er? Und wie ist er gestorben?
Die Person Ötzi
Forscher haben zwischenzeitlich fast alles über Ötzis Erscheinungsbild herausgefunden. Er war kein besonders grosser Mann. Zu Lebzeiten soll er um die 1,60 m gross und eher schlank gewesen sein. Selbst Angaben zu seiner Schuhgrösse konnten die Wissenschaftler nach intensiven Forschungen machen. Demnach hatte er Schuhgrösse 38 und wog in etwa 50 Kilogramm – durchschnittlich für die Jungsteinzeit, in der Ötzi lebte.
Aus der Knochenstruktur liess sich sein ungefähres Alter ermitteln. So war Ötzi etwa 45 Jahre alt, als er starb – das ist durchaus ein stolzes Alter für die damalige Zeit. Vermutlich war er sogar einer der Ältesten seines Stammes. Selbst Haarbüschel wurden an der gut erhaltenen Mumie entdeckt. Sie verraten uns, dass Ötzi dunkelbraunes, langes Haar und einen Vollbart hatte.
Sein gesundheitlicher Zustand war jedoch nicht besonders gut. Seine Arterien waren verkalkt, die Zähne stark abgenutzt, er litt an Arthritis, ausserdem plagten ihn ein Magengeschwür sowie Darmparasiten. "Und in Ötzis DNA entdeckte man den bisher ältesten Nachweis für Borrelien, die eine Infektionskrankheit auslösen und von Zecken übertragen werden", schreibt das Südtiroler Archäologiemuseum Bozen, in dem Ötzi bis heute untergebracht ist, auf seiner Internetseite.
Die Umstände seines Todes
In einer Sache sind sich die Wissenschaftler sicher: Ötzi ist ermordet worden. Er hatte vor seinem Tod mehrere schwere Verletzungen erlitten. Eine davon war ein Pfeilschuss in den Rücken. Das hatten Forscher im Jahr 2001 auf den Röntgenbildern der Mumie entdeckt. Die Spitze aus Feuerstein hatte sich durch seine linke Schulter gebohrt, eine grosse Schlagader verletzt und ihn innerhalb weniger Minuten verbluten lassen. Ötzi wurde demnach von hinten erschossen, worauf er nicht vorbereitet war.
Seine Ausrüstung wurde mehrere Meter von der Leiche entfernt gefunden. Allerdings entdeckten die Forscher auch noch weitere Verletzungen. So hatte Ötzi ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten – vermutlich durch einen oder mehrere starke Schläge auf den Kopf. "An dem aufgetauten Leichnam konnte darüber hinaus eine nicht verheilte Schnittverletzung an der rechten Hand nachgewiesen werden, die auf einen Nahkampf Stunden vor seinem Tod hindeutet", erklärt das Südtiroler Archäologiemuseum Bozen eine weitere Verletzung.
Das Mord-Motiv
Hier tappen die Forscher auch weiterhin im Dunkeln. Ein Raubmord wird jedoch ausgeschlossen, da der Täter nur den Pfeilschaft mitgenommen hatte. Alle anderen Gegenstände wie Ötzis wertvolles Kupferbeil und ein Dolch aus Feuerstein blieben bei der Leiche zurück.
Ein Indiz, dass der Täter den Pfeil herausgezogen hat, ist die Spalte zwischen der Arterienwand und der Pfeilspitze. Als er den Pfeil aus Ötzis Rücken zog, blieb die Spitze stecken. Aus der Machart der Pfeilspitze liess sich bislang lediglich schliessen, dass der Mörder Ötzis ebenfalls von der Südseite der Alpen stammte. Es könnte also sein, dass Opfer und Täter sich kannten.
Erstaunliche Erkenntnisse
Wissenschaftler sind nicht umsonst von der Gletschermumie fasziniert. Die bisherigen Untersuchungen haben verblüffende Erkenntnisse geliefert. So entdeckten Forscher, dass Ötzi bereits in der Jungsteinzeit offenbar Akupunktur kannte. Das Forscherteam um Marco Samadelli vom EURAC-Institut für Mumien machte mit einer speziellen Fototechnik insgesamt 61 Tätowierungen sichtbar.
Die meisten Wissenschaftler halten die These für am wahrscheinlichsten, dass es sich dabei um Akupunktur-Punkte handelt, die Schmerzen lindern sollen, an denen Ötzi aufgrund seiner Rücken- und Gelenkprobleme wahrscheinlich litt. Das ist einer der vielen Bereiche, in denen sich die Wissenschaft von weiteren Untersuchungen genauere Erkenntnisse erhofft.
Was jetzt mit Ötzi passiert
Seit 1998 ist der Mann aus dem Eis im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen untergebracht. Dort lagert die Mumie in einer speziell entwickelten Kühlkammer bei sechs bis sieben Grad minus. Allerdings verdunstet jeden Tag mehr Wasser aus der der Mumie, sodass Ötzi immer weiter schrumpft.
Um diesem Prozess entgegenzuwirken, wird der Leichnam immer wieder mit sterilem Wasserdampf besprüht. Die Wissenschaftler forschen weiterhin an der Eismumie, um auch die letzten Rätsel um Ötzi lösen zu können.
Beim dritten Bozener Mumien-Kongress, der bis zum 21. September stattfindet, sollen die neuesten Forschungsergebnisse präsentiert werden – unter anderem wird ein Fallanalytiker der Münchner Kriminalpolizei von den Erkenntnissen rund um den Mord berichten.
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