Vor fast 2.000 Jahren soll Jesus mit seinen Aposteln das letzte Abendmahl auf dem Berg Zion in Jerusalem geteilt haben. Seitdem ist der Ort Ziel vieler Pilger. Im 15. Jahrhundert hinterliess ein Österreicher dort ein Andenken, wie ein Forschungsteam jetzt entschlüsselte.
Der Gipfel des Berg Zions in Jerusalem ist einer der heiligsten Orte der Welt. Jesus soll dort das Letzte Abendmahl mit seinen Jüngern geteilt haben. Im 12. Jahrhundert erbauten Kreuzritter dort eine Kirche, die wenige Jahre darauf zerstört und später von Mönchen restauriert wurde. Im Erdgeschoss des Gebäudes soll sich das Grab des biblischen Königs David befinden, im zweiten Stock liegt der berühmte Abendmahlsaal. Er wird als Coenaculum bezeichnet.
Zu dieser Stätte zieht es Pilger und Pilgerinnen seit Jahrhunderten. Ein früher unter ihnen war ein Österreicher, der sich dort kurzerhand im berühmten Abendmahlsaal mit einer Zeichnung - vergleichbar mit einem heutigen Graffiti - verewigte. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der israelischen Behörde für Altertümer (IAA). Die Arbeit wurde nun im Fachmagazin "Liber Annuus" veröffentlicht.
Auswertung bringt österreichisches Familienwappen zum Vorschein

Der Abendmahlsaal gibt mit seinen zum Grossteil unbekannten Inschriften und Zeichnungen auf den Wänden noch viele Rätsel auf. Mit dem blossen Auge sind die meisten der alten Ritzungen heute nicht mehr zu erkennen. Jedoch gelang es mithilfe digitaler Verfahren, die alten Graffiti, die bis ins Spätmittelalter reichen, wieder sichtbar und lesbar machen. So konnten einige der Andenken entschlüsselt werden, die Besucher dort hinterliessen.
Dabei entdeckte das Forschungsteam ein österreichisches Familienwappen, das eindeutig der steirischen Region Murau zugeordnet werden kann. Das Wappen aus der Steiermark ritzte höchstwahrscheinlich der Adelige Tristram von Teuffenbach in die Wand – Elemente aus seinem Familienwappen lassen darauf schliessen.
Geschehen ist das vermutlich 1436. In diesem Jahr sei der Erzherzog und spätere heilige römische Kaiser Friedrich von Habsburg in Begleitung von rund hundert österreichischen Adeligen – einschliesslich Tristram von Teuffenbach – nach Jerusalem gepilgert, berichtet die ÖAW in einer Mitteilung. Damals sei der Abendmahlsaal noch Teil eines franziskanischen Klosters gewesen.
Weitere Inschriften von Pilgern identifiziert
Auch weitere Andenken an den Wänden des Abendmahlsaals konnte das Forschungsteam entschlüsseln. Die armenische Inschrift "Weihnachten 1300" zähle zu den wichtigsten Entdeckungen, denn damit sei die seit dem 14. Jahrhundert offene Frage beantwortet worden, ob der armenische König Het'um II. und seine Truppen nach der siegreichen Schlacht bei Wādī al-Khaznadār in Syrien am 22. Dezember 1299 tatsächlich Jerusalem erreichten. "Das Datum der Inschrift sowie ihre Position hoch oben an der Wand – typisch für die Epigrafik des armenischen Adels – sprechen dafür", berichtet das ÖAW.
"Diese Graffiti werfen ein neues Licht auf die geografische Vielfalt und die internationale Pilgerbewegung nach Jerusalem im Mittelalter – weit über die westlich geprägte Forschungsperspektive hinaus,"
Eine weitere besondere Entdeckung ist das arabische Inschriftenfragment "... ya al-Ḥalabīya". Die doppelte Verwendung der weiblichen Endung "ya" lasse darauf schliessen, dass das Graffiti von einer christlichen Pilgerin aus der syrischen Stadt Aleppo stammt. Das sei "eine seltene Spur weiblicher Präsenz in der vormodernen Pilgerwelt".
Im Rahmen der Untersuchung identifizierte das Team rund 40 Zeichnungen und Inschriften. "Diese Graffiti werfen ein neues Licht auf die geografische Vielfalt und die internationale Pilgerbewegung nach Jerusalem im Mittelalter – weit über die westlich geprägte Forschungsperspektive hinaus", sagt Ilya Berkovich, Co-Autor der Studie.
Im Abendmahlsaal haben sich zahlreiche Menschen verewigt, allen voran Christen, die dorthin pilgerten. Die Graffiti hinterliessen unter anderem Reisende aus dem deutschsprachigen Raum, Armenien, Syrien, Serbien, Tschechien und dem arabischsprachigen Raum.
Verwendete Quellen
- Mitteilung der österreichischen Akademie der Wissenschaften: "Österreich-Graffiti in Heiliger Stätte entdeckt: Forschende entschlüsseln mittelalterliche Inschriften im Abendmahlssaal in Jerusalem"
- Nachrichtenagentur APA: "Steirer verewigte sich einst im Abendmahlsaal in Jerusalem"