Ein etwa 50-jähriger, tätowierter Mann wandert durch die Alpen – und wird auf seiner Reise hinterrücks ermordet. Ein ungeklärter Kriminalfall. Besonderheit: Er ereignete sich vor ungefähr 5.300 Jahren. Die Rede ist von Ötzi. Forscher haben der Gletschermumie so viele Details entlockt, dass man leicht den Überblick verlieren kann - eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse.

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Die Faszination für Ötzi ist auch mehr als 22 Jahre nach dem Fund der Leiche ungebrochen. Jetzt startet die Ausstellung "Ötzi 2.0 – Neues von der Eismumie" in der Archäologischen Staatssammlung in München. Dort können sich Besucher vom 7. Februar bis 31. August 2014 über die neuesten Forschungsergebnisse zum Mann aus dem Eis informieren. Wer es zu weit hat oder sich vorab das Wichtigste anlesen will, findet hier einen kompakten Steckbrief der berühmten Mumie.

Wie fand man Ötzi?

Am 19. September 1991 gegen 13.30 Uhr macht das deutsche Ehepaar Erika und Helmut Simon aus Nürnberg bei einer Wanderung in den Ötztaler Alpen einen gruseligen Fund. Auf 3.210 Metern Höhe sehen sie im Bereich des Tisenjochs eine Leiche in einer mit Schmelzwasser gefüllten Felsmulde liegen. Sie machen ein Foto und informieren den Wirt der Similaunhütte, der wiederum die Polizei verständigt. Wegen schlechten Wetters dauert die Bergung fünf Tage. In dieser knappen Woche begutachtete Reinhold Messner die Gletschermumie. Er vermutet als Erster, dass die Leiche sehr alt sein muss. "500 bis 3.000 Jahre" schätzt er. Ein Hubschrauber bringt den Fund ins Institut für Ur- und Frühgeschichte nach Innsbruck, wo der Archäologe Konrad Spindler erkennt: Es muss sich um einen prähistorischen Menschen handeln.

Wann und wo lebte Ötzi?

Nach heutigem Kenntnisstand kam Ötzi zwischen 3.350 und 3.100 v. Chr. zur Welt - also vor über 5.000 Jahren. Anhand seiner Zähne kamen Forscher seinem Geburtsort auf die Spuren. Sie glauben, dass er südlich des Alpenhauptkamms geboren wurde. Vermutlich verbrachte er seine frühe Kindheit im Eisack- oder Pustertal. Als Erwachsener lebte er wohl teilweise im Etschtal und vor seinem Tod mindestens zehn Jahre im Vinschgau.

Wie sah Ötzi aus?

Ötzi war um die 1,60 Meter gross, für einen Mann in der Jungsteinzeit eine durchschnittliche Grösse. Er war schlank, etwa 50 Kilogramm schwer, und hatte Schuhgrösse 38. Seine Augen waren braun, ebenso seine gewellten Haare, die er ungefähr schulterlang trug. Wahrscheinlich hatte er einen Bart. Über 55 Tätowierungen fanden die Forscher auf dem Leichnam. Allerdings ist nicht ganz sicher, ob es sich bei den Strichen und Kreuzen um Körperschmuck oder um therapeutische Massnahmen handelt. Letzteres ist aber wahrscheinlicher, da sie sich an stark beanspruchten Stellen befinden, die Ötzi wohl Schmerzen bereiteten.

Wer war Ötzi?

Dolch und Schiede
Dolch und Schiede: Ötzis Dolch steckte in einer etuiförmigen Scheide. © Südtiroler Landesmuseum Bozen

Unzählige Theorien ranken sich um die Identität des Mannes aus dem Eis. Schamane, Erzsucher, Jäger, Händler, Hirte standen schon zur Debatte. Das Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen hält keine davon für stichhaltig genug. Recht sicher dürfte sein: Der Gletschermann hatte eine angesehene Position in der Dorfgemeinschaft inne und war wohl einer ihrer ältesten Bewohner. Das lesen die Forscher an seinem Beil ab, das zur damaligen Kupferzeit ein Statussymbol war. Nur die Krieger- und Führungsschicht besass so einen Gegenstand. Welche Rolle Ötzi genau innehatte, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Möglich wären zum Beispiel Dorfvorsteher, Anführer oder Herdenbesitzer.

Wie stand es um Ötzis Gesundheit?

Ötzi war mit seinen zirka 50 Jahren für damalige Zeiten ein sehr alter Mann. Dementsprechend viele Zipperlein förderten Forschungen in den letzten Jahren zu Tage. Seine Gelenke waren abgenutzt, die Blutgefässe verkalkt. Bis auf eine Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen sind seine Zähne erstaunlich vollständig erhalten. Allerdings plagten den Mann Karies und Parodontose. Peitschenwürmer bevölkerten seinen Darm. Sein Cholesterinspiegel war wohl hoch, was Forscher an Gallensteinen festmachen. Zudem litt Ötzi an einer chronischen Krankheit. Bisher gelang es aber noch nicht, sie genau zu bestimmen. Im Laufe seines Lebens zog sich der Mann aus dem Eis diverse Verletzungen zu, darunter Rippenbruch, Nasenbeinbruch und Erfrierungen am linken Fuss.

Was hatte Ötzi dabei?

Ötzis Beil
Ötzis Beil: Das Kupferbeil war ein Statussymbol zu Ötzis Zeiten. © Südtiroler Landesmuseum Bozen

Ötzi war erstaunlich gut für seine Reise gerüstet. Er trug sorgfältig genähte Kleidungsstücke: Fellmantel, Bärenfellmütze, Lendenschurz, mit "Strapsen" an einem Gürtel befestigte Leggings aus Schafsfell, mit Heu gegen die Kälte isolierte Hirschlederschuhe. Dazu hatte er viel Ausrüstung dabei: Kupferbeil, zwei Birkenrindengefässen mit Glutresten, Zunderschwamm, Rückentrage, Netz, einen noch unfertigen Bogen und Köcher samt Pfeilen, Gürteltasche, Ahle zum Löcherstechen, Dolch, Retuscheur (Gerät, mit dem er Feuerstein bearbeiten konnte und das wie ein Bleistift aussieht), Pilze mit antibiotischer Wirkung.

Wie starb Ötzi?

Es war Mord, da ist sich die Forschung recht sicher. Das Motiv wird wohl nie aufgedeckt werden. Der Zeitpunkt und der Tathergang lassen sich jedoch teilweise rekonstruieren. Das Drama muss sich im Frühsommer ereignet haben, denn Ötzi hatte Hopfenbuchenpollen im Darm, die im Juni blühen. Vermutlich wurde Ötzi kurz nach einer Rast ermordet, auf der er sich sicher gefühlt haben muss. Denn dabei nahm er eine ausgiebige Mahlzeit zu sich: wahrscheinlich Steinbockfleisch. Prellungen und eine Verletzung an der Hand deuten auf einen Nahkampf hin. Wahrscheinlich zog sich Ötzi bei einem Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma mit Hirnblutung und einen Bruch des Schädelknochens zu, wie Forscher erst vor Kurzem entdeckten. Und dann gibt es noch den Pfeilschuss: Im linken Schulterblatt fand man eine Pfeilspitze. Die Lunge hatte sie zwar knapp verfehlt. Doch der linke Arm wurde durch die Verletzung wahrscheinlich gelähmt und der Mann muss sehr stark geblutet haben. Vermutlich ist das auch die Todesursache: Ötzi verblutete innerhalb weniger Minuten.

Quellen:
- Archäologische Staatssammlung München
- Südtiroler Archäologiemuseum
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