Pocahontas ist wohl die bekannteste Indianerin neben Karl May's "Winnetou". Ihre wahre Geschichte ist jedoch anders als sie in Märchenbüchern und Filmen beschrieben wird.
Jeder kennt die Walt-Disney-Filme von Prinzessinnen aus aller Welt. Mulan, Cinderella oder Arielle sind von Kindern und auch Erwachsenen geliebte Figuren.
Auch die Indianerin Pocahontas ist eine dieser berühmten Disney-Prinzessinnen. Und ihr Charakter basiert auf einer realen Person. Doch ihre Geschichte lief ganz anders ab, als im Film dargestellt wird. Der Disney-Klassiker "Pocahontas" greift zwar die originale Umgebung und die Ethnizität der Charaktere auf, alles weitere ist jedoch grösstenteils frei erfunden.
Pocahontas war tatsächlich eine Indianerin, das ist richtig. Sie war die Tochter des Häuptlings Wahunsonacock, auch als Powhatan bekannt, und einer seiner Frauen.
Pocahontas war aber nicht ihr richtiger Name. Sie hiess Amonute und hatte daneben noch den privateren Namen Matoaka. Der bekannte Name Pocahontas war ihr Kosename, der so viel bedeutet wie "die Verspielte" oder "die, die alles durcheinanderbringt".
Liebe mit John Smith reine Erfindung
Von ihrem Leben vor ihrer Begegnung mit den Pionieren aus Europa ist nicht viel bekannt. Es wird ihr lediglich nachgesagt, dass sie die Lieblingstochter ihres Vaters gewesen sei.
Der ebenfalls im Disney-Film verkörperte John Smith ist in diesem ein englischer Kapitän, der eine Liebesbeziehung zu Pocahontas unterhielt. Er war in Wahrheit ein Söldner und Abenteurer, der als einer der Gründer von Jamestown am Chesapeake Bay, einer der ersten dauerhaften englischen Siedlungen in Nordamerika, bekannt ist.
Einem Bericht von John Smith zufolge habe Pocahontas ihn durch persönliches Eingreifen vor dem Tod bewahrt, indem sie sich ihrem Vater in den Weg stellte. Soviel gibt der Film immerhin richtig wieder - obwohl darüber gestritten wird, ob es tatsächlich eine echte Rettung war oder ob John Smith eine rituelle Zeremonie missinterpretiert hatte.
Die zärtliche Romanze, die den beiden angedichtet wird, ist frei erfunden. Sie war damals erst etwa elf oder 12 Jahre alt.
Pocahontas glaubte, dass ein friedlicher Kultur-Austausch zwischen ihrem Volk und den Weissen aus Europa möglich sein müsse, während ihr Vater und viele andere ihres Stammes genau gegensätzlicher Meinung waren.
Deswegen hatte sie, sollte die Geschichte stimmen, wahrscheinlich auch John Smith gerettet, mit dem sie vorher nicht in Kontakt stand. Sie diente im friedvollen Austausch als Übersetzerin und Botschafterin.
Pocahontas heiratete mit 16 Jahren
Nachdem sie ihn vor dem Tod gerettet hatte, liess Pocahontas' Vater den Gefangenen wieder frei. Er wurde als "Freund" der Indianer in den Stamm aufgenommen. Zurück in seiner Siedlung wurde er 1609 zum Konzils-Präsident von Jamestown ernannt. Nach einer schweren Verletzung mit Schiesspulver kehrte er mit einem Schiff nach England zurück.
Die Siedlung am Chesapeake Bay wurde bald darauf schwer durch Hungersnöte dezimiert. Im folgenden Jahr wurde Pocahontas mit 16 Jahren mit einem Mann namens Kocoum verheiratet.
Über den Indianer ist nichts bekannt, ausser dass er angeblich innerhalb der nächsten drei Jahre verstarb. Manche behaupten, sie habe während der Zeit mit ihm ein Kind zur Welt gebracht. Darüber ist allerdings nichts Näheres bekannt.
Bis 1612 hatte sich Jamestown wieder erholt, als ein weiterer Kapitän, Samuel Argall, Verstärkung für die Siedlung brachte und unter den umliegenden Stämmen des Flusses Potomac nach Nahrungsquellen suchte.
Zu dieser Zeit besuchte auch Pocahontas diese Stämme. Argall kam die Idee, sie als Druckmittel gegen Powhatan einzusetzen, der zu dem Zeitpunkt acht Engländer gefangen hielt.
Mithilfe eines Stammeshäuptlings und dessen Frau brachte er Pocahontas dazu, auf sein Schiff zu kommen und mit ihm nach Jamestown zu fahren.
Geiselnahme wurde romantisiert
Dort wurde sie wie ein Gast behandelt und ihr versichert, dass ihr Aufenthalt zu Freundschaft und Vertrauen zwischen den Siedlern sowie den Indianern beitragen würde.
Viele Kritiker werfen dem Disney-Film vor, die Geiselnahme eines jungen Mädchens zu romantisieren um die Unterdrückung der Indianer durch die Siedler in ein besseres Licht zu stellen.
Während des folgenden Jahres als Gefangene von Argall sorgte der Theologe und Referendar Alexander Whitaker, ein Calvinist, dafür, dass sie im christlichen Glauben unterwiesen wurde.
Sie lernte auch den 28 Jahre alten John Rolfe kennen, der mit seiner Frau in der Siedlung gelebt hatte. Sein Kind war vor der langen Überfahrt nach Amerika gestorben und seine Frau kurze Zeit nach ihrer Ankunft in Jamestown. Er war Farmer und der erste Kolonist, der Tabak anpflanzte, was das Wohlergehen der Siedlung sehr vorantrieb.
Da er sich in Pocahontas verliebt hatte, bat Rolfe den Gouverneur Sir Thomas Dale, bei dem sie während der Zeit in Jamestown wohnte, um ihre Hand. Dieser nutzte die Gelegenheit, die Siedler mit den Indianern enger zu verbinden, und erlaubte die Ehe.
Zweite Heirat mit John Rolfe
Auch Pocahontas' Vater stimmte der Verlobung zu und sandte zwei seiner Söhne als Zeugen und ihren Onkel als Brautführer. Da sie im christlichen Glauben unterwiesen worden war, war sie auch getauft worden - unter dem Namen Rebecca. Am fünften April 1614 heiratete sie John Rolfe.
Als Sir Thomas Dale 1616 zurück nach England segelte, nahm er Pocahontas, ihren Ehemann und ihr gemeinsames Kind Thomas mit.
Im Juni desselben Jahres endete die Reise bei Plymouth. Im fremden Land wurde Pocahontas mit grosser Neugierde bestaunt, der Bischof von London lud sie sogar zum Abendessen ein.
Sie wurde als die "Indianerprinzessin", als "edle Wilde", angesehen und während ihrer Zeit in England sogar dem König und seinem Hof vorgeführt. Bald erkrankte sie jedoch und die Familie zog nach Brentford um, so wurde eine bessere Genesung gewährleistet.
John Smith, der die Verletzung überlebt und wohlbehalten in seine Heimat zurückgekehrt war, besuchte sie nach einigen Monaten bevor er wieder nach New England segelte.
Laut seiner Aufzeichnung bezeichnete er Pocahontas als "unglücklich", sie habe sich weggedreht und ihr Gesicht versteckt. Angeblich habe sie auch gesagt, dass sie ihn Vater nennen wolle, so wie er ihren mit diesem Wort angesprochen hatte, als er als Fremder mit den Indianern in Kontakt kam.
Sie kehrte nie nach Hause zurück
Im November 1616 sollte Pocahontas mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn nach Amerika zurückkehren. Samuel Argall war zum Deputy Governor of Virginia berufen worden. Noch im gleichen Winter wurde ein Bild von ihr in Hoftracht gefertigt.
Zu dem Zeitpunkt sei sie bereits krank gewesen. Argalls Schiff segelte Mitte März 1617 von London los. Als es zum letzten Mal vor der langen Fahrt nach Amerika Nahrung und frisches Wasser aufnehmen sollte, hielt es in Gravesend.
Dort wurde Pocahontas wieder an Land gebracht, entweder war sie zu diesem Zeitpunkt bereits tot oder lag auf dem Sterbebett. Sie verstarb wahrscheinlich an Tuberkulose, Pneumonie oder Pocken. Pocahontas war erst 22 Jahre alt.
Sie wurde in der St. George's Church begraben, im Grabbuch gibt es einen kurzen Eintrag für sie. "21. März - Rebecca Rolfe, Frau von Herrn John Rolfe. Eine gebürtige Lady aus Virginia, sie wurde unter der Kanzel beigesetzt" - so lautet die ungefähre Übersetzung.
Da die Kirche inzwischen abgebrannt ist, ist der genaue Ort ihres Grabes unbekannt.
Ihr Vater starb bald darauf, ihr Ehemann nahm sich eine dritte Frau. Durch ihren Sohn Thomas hat Pocahontas einige berühmte Nachkommen, unter ihnen die frühere First Lady Nancy Reagan, Schauspieler Glenn Strange und George W. Bush.
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