Nirgendwo sonst tobte der Wahnsinn der Hexenverbrennung schlimmer als in Bamberg. In der fränkischen Stadt fanden im 17. Jahrhundert 1.000 Menschen den Tod, weil sie angeblich Hexen oder Hexer waren - das war etwa jeder 13. Einwohner Bambergs. Egal ob Adeliger oder Landstreicher: Vor den Häschern der Fürstbischöfe war niemand sicher, wie der ZDF-Spielfilm "Die Seelen im Feuer" in drastischen Bildern zeigte.
"Zu viel hundert tausend guter nacht, hertzliebe dochter veronica. Unschuldig bin ich in das gefengnus kommen, unschuldig bin ich germartert worden, unschuldig muss ich sterben." Diese traurigen und anrührenden Zeilen schrieb der Bamberger Bürgermeister Johannes Junius am 24. Juli 1628 an seine Tochter Veronica. Es ist ein Abschiedsbrief aus dem Hexengefängnis. Denn ein paar Wochen später wird Junius geköpft und verbrannt. Der Vorwurf: Er sei ein Hexer gewesen, auch Drudner genannt, mit dem Teufel im Bund. Der vierseitige Brief ist ein Dokument aus einer finsteren Epoche: der Zeit der Hexenverfolgung in Bamberg. Nach Angaben der Historikerin und Autorin Sabine Weigand ist es ein einzigartiges Dokument, weil es die Innensicht eines gefolterten und als Hexer angeklagten Menschen zeigt.
Auf Weigands Roman "Die Seelen im Feuer" beruht auch der gleichnamige Spielfilm, den das ZDF am Montagabend zeigte. Das Thema: die Hexenverfolgung in der fränkischen Stadt. Der Hexenwahn wütete dort besonders heftig: Innerhalb von 20 Jahren starben fast 1.000 Frauen, Männer und Kinder. Das war jeder 13. Einwohner der Stadt. Viele hatten sich gegenseitig unter Folter beschuldigt. "Im ausgedehnten Kirchenstaat wurden weit weniger Menschen als Hexen hingerichtet als im kleinen Bamberg", erklärte der oberfränkische Volkskundeprofessor Günther Dippold in der "Welt". Die Hexenverfolgungen tobten europaweit zwischen 1450 und 1780, es starben 60.000 Menschen, drei Viertel von ihnen waren Frauen. In Deutschland allein waren es 25.000.
Hunderte Dokumente geben Einblick in den Folteralltag
Die meisten der Bamberger Opfer wurden hingerichtet, andere überlebten die Folter im Gefängnis nicht. Unter ihnen waren nicht etwa nur arme oder ausgestossene Menschen, sondern auch angesehene, reiche Bürger - und sogar der Bürgermeister, Johannes Junius. Einzigartig ist nicht nur die Anzahl der Hingerichteten in der eher kleinen Stadt. Sondern auch, wie gut die Barbarei dokumentiert ist. Hunderte Akten, Briefe und Zettel sind erhalten geblieben, sie wurden im 19. Jahrhundert zufällig vor dem Altpapier gerettet und liegen heute in der Bamberger Staatsbibliothek. Sie zeigen Banales ebenso wie Grausames: Was die Gefangenen zu essen bekamen, wie viel Geld Brennholz kostete, wer wie gefoltert wurde. Dazu gehören auch Testamente und Verhörprotokolle mit grotesken "Geständnissen". Die Menschen erklären darin, wie sie Kühe verhexten oder auf schwarzen Hunden zum Hexensabbat ritten.
Und sie nannten unter Folter Namen von anderen angeblichen Hexern und Hexen - oder bestätigten die, die ihnen die Folterknechte vorsagten. Wer einmal in deren Fängen war, hatte kaum eine Chance, dem Tod zu entgehen. Ihre Besitztümer gingen an den Fürstbischof - der damit die teuren Prozesse finanzierte. Holz etwa, das für die Scheiterhaufen gebraucht wurde, war teuer.
Die fanatischen Fürstbischöfe und ihre Helfer
Warum aber stand Bamberg im Zentrum des Wahns? Die Verfolgung angeblicher "Drudner" trieben die dortigen Fürstbischöfe voran, darunter Johann Gottfried von Aschhausen und sein Nachfolger Johann Georg Fuchs von Dornheim. Weigand erklärt das mit dem Konflikt zwischen einem aufstrebenden, aufgeklärten Bürgertum auf der einen und der um ihre Macht besorgten Kirche auf der anderen Seite. Das Hochstift Bamberg war der weltliche Herrschaftsbereich des Fürstbischofs, ein geistliches Fürstentum.
Doch die Bürger wollten sich nicht länger bevormunden lassen. Der Fürstbischof und seine Helfer vernichteten daraufhin systematisch ihre Gegner - etwa den gesamten Stadtrat und ihre Familien. Einer der schlimmsten Fanatiker war wohl der Weihbischof Friedrich Förner. Er regte 1627 den Bau eines Hexengefängnisses an, des Malefizhauses - in dem auch Junius einsass. Das Haus stand nur zehn Jahre, aber in dieser Zeit war es "nichts anderes als ein Foltergefängnis, eigens errichtet, um vermeintliche Ketzer, Hexen und Zauberer auf unvorstellbar grausame Weise zu demütigen, zu quälen und zu Tode zu martern", schreiben Ralph Kloss und Thomas Göltl in ihrem Buch "Die Hexenbrenner von Franken". Im Malefizhaus waren Zellen für die Gefangenen, aber auch eine Kapelle und eine Folterkammer. Die Foltermethoden waren grausam, etwa das Bad in heissem Löschkalk, Daumenschrauben oder das Ansengen der Haut in den Achseln und Leisten mit brennenden Federn. Manchen Opfern wurden Hände oder Brüste abgeschnitten. Es gab einen Scharfrichter und mehrere Hexenkommissare.
Im Malefizhaus wurde auch Dorothea Flock furchtbar gefoltert: Ihr Schicksal ist wie das von Junius und anderen Opfern dokumentiert. Bis heute kennt man die Namen von 884 angeblichen Hexen und Hexern, die in Bamberg starben. Die Geschichte der 22-Jährigen ist besonders tragisch. Sie war die Ehefrau eines Ratsherren und gesteht unter Folter, eine Hexe zu sein. Das Urteil: Sie soll mit glühenden Zangen angefasst werden und anschliessend auf dem Scheiterhaufen sterben. Doch Flock war die Tochter einer angesehenen und reichen Nürnberger Familie, die mit allen Mitteln versuchte, die Hinrichtung zu verhindern. Ein päpstliches Dekret zu ihrem Schutz trifft am 17. Mai 1630 ein - wenige Minuten nach ihrem Tod.
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