Wie schafften es unsere Vorfahren vor Zehntausenden Jahren, unter widrigen Bedingungen zu überleben? Wissenschaftler haben erstaunliche Unterschiede zu den Neandertalern entdeckt. Ein entscheidender Faktor war demnach der Sonnenschutz.
Warum hat sich der Homo sapiens in der Evolution durchgesetzt und der Neandertaler ist von der Bildfläche verschwunden? Möglicherweise könnte dabei ein früher Vorläufer heutiger Sonnencreme eine überraschende Rolle gespielt haben, wie Forscher im Fachmagazin "Science Advances" berichten.
Ein Team der Universität Michigan hat untersucht, wie sich die frühen Menschenarten vor rund 41.000 Jahren während einer besonderen Phase verhalten haben: Damals – während des sogenannten Laschamp-Ereignisses – sorgte die zeitweise Umkehr des Erdmagnetfeldes dafür, dass deutlich mehr Teilchenstrahlung aus dem All, aber auch mehr schädliche Sonneneinstrahlung als sonst, auf die Erde gelangten.
Bei einer Umkehr des Erdmagnetfeldes tauschen die magnetischen Pole der Erde ihre Position. Dabei handelt es sich um einen wiederkehrenden natürlichen Prozess in der Erdgeschichte. Anders als die geografischen Pole sind die magnetischen Pole der Erde keineswegs starr, sondern unterliegen ständigen Bewegungen.
Neandertaler verschwanden – Homo sapiens blieb
Das Forschungsteam, an dem auch Sanja Panovska vom Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam beteiligt war, erschuf für das Projekt eine dreidimensionale Rekonstruktion des geografischen Systems der Erde. Die Forschenden fanden heraus, dass zur Zeit des Laschamp-Ereignisses in Europa sowohl Neandertaler als auch Vertreter des Homo sapiens – also anatomisch moderne Menschen – lebten. Etwa 1.000 Jahre später, von heute zurückgerechnet also vor etwa 40.000 Jahren, verschwanden die Neandertaler jedoch von der Bildfläche.
"Welche Unterschiede zwischen Neandertalern und anatomisch modernen Menschen für dieses Verschwinden verantwortlich sein könnten, ist seit Jahrzehnten eine wichtige anthropologische Frage", betont Mitaurorin Raven Garvey von der University of Michigan einer Mitteilung zufolge.
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Einer dieser Unterschiede könnte der Studie zufolge sein, dass sich die Homo sapiens wohl Kleidung hergestellt haben. Das zeigen Funde von entsprechenden Werkzeugen wie Nadeln: Bekleidet hätten sie sich nicht nur mutmasslich zur Nahrungssuche weiter von ihren Unterschlüpfen wegbewegen können als die Neandertaler, sondern seien auch besser vor starker Sonneneinstrahlung geschützt gewesen, heisst es in der Studie.
Ocker als frühe Sonnencreme
Doch das scheint nicht der einzige Sonnenschutz gewesen zu sein, den die frühen Menschen genutzt haben. Sie könnten nach Einschätzung der Forscher auch Ocker, einem natürlich aufkommenden Pigment aus Eisenoxid, Ton und Kieselerde, verwendet haben. Damit wurden etwa auch Höhlen bemalt.
"Es ist ein ziemlich wirksamer Sonnenschutz", erklärt Garvey. Beim Homo sapiens deute einiges darauf hin, dass Ocker so genutzt worden sei.
Die starke Sonneneinstrahlung habe unter anderem zu Folsäuremangel führen können, der wiederum eine höhere Kindersterblichkeit verursachen kann. Ein wirksamer Sonnenschutz hätte so "jedem, der ihn hatte, einen erheblichen Vorteil verschaffen können", sagt Garvey.
Die Forscher weisen jedoch auch darauf hin, dass ihre Befunde kein eindeutiger Beleg dafür sind, dass Ocker und Kleidung wirklich dafür mitverantwortlich waren, dass sich der Homo sapiens durchgesetzt hat. Sie stellten zwar einen Zusammenhang fest, können aber nur spekulieren, dass es auch eine kausale Verbindung gegeben hat.
Forschung mit nicht nur historischer Relevanz
Die Wissenschaftler sehen jedoch auch eine aktuelle Relevanz ihrer Forschung: So könne man daraus lernen, wie Menschen unter anderen atmosphärischen Bedingungen überleben konnten – etwa auch mit Blick auf die noch immer andauernde Suche nach Leben auf Planeten fernab der Erde. (Larissa Schwedes, dpa/bearbeitet von sbi)