Vor 175 Jahren starb Edgar Allan Poe. Was genau geschah, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Sicher ist: Der geheimnisvolle Schrecken aus seinen Büchern umgibt auch seine letzten Tage.

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Als der amerikanische Schriftsteller Edgar Allan Poe (1809-1849) an einem Herbsttag des Jahres 1849 in Richmond vor die Tür trat, ahnte der Schöpfer so vieler grausiger Fantasien seinen eigenen schaurigen Tod gewiss nicht voraus. Man fand ihn eine Woche später 250 Kilometer entfernt in der Stadt Baltimore, von Alkohol oder Drogen betäubt, aufgedunsen, in tödlicher Agonie. Der zeitlebens so elegante Mann war in zerschlissene, vor Schmutz starrende Sachen gekleidet, die nicht ihm gehörten.

Edgar Allan Poe
Ein früh verstorbenes Genie: Edgar Allan Poe. © dpa / picture-alliance / dpa

Edgar Allan Poe starb am Morgen des 7. Oktober 1849, also vor 175 Jahren, um fünf Uhr früh. Was ihm in den Tagen seines Verschwindens widerfahren ist, ist bis heute nicht sicher geklärt. War es Strassenraub? Geriet Poe bei einem lokalen Wahlkampf in die Hände skrupelloser und brutaler Stimmenfänger, die ihn mehrfach zur Urne prügelten? Der Sterbende war nicht mehr klar genug bei Verstand, um es aufzuklären.

Urknall des Krimis

Poes Tod könnte gut der Stoff für eine von seinen eigenen Detektiv- oder Gruselgeschichten sein - beide Gattungen verdankt die Weltliteratur dem grossen Amerikaner. Ohne sein Werk hätte die Figur des Detektivs wohl nie diese Bedeutung in der Popkultur erlangt. Allen voran ist die 1841 verfasste Kurzgeschichte "Der Doppelmord in der Rue Morgue" zu nennen, eine Art Urknall des Krimis.

Poe schuf damit als Erster eine fiktionale Erzählung aus Sicht eines Detektivs. Auch das Wort "Detektiv" selbst wanderte dank ihm aus dem Französischen erst ins Englische und dann in den internationalen Sprachgebrauch. Sein Held Auguste Dupin war der Prototyp des analytischen Ermittlers, der Urahn von Sherlock Holmes und anderen.

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"Poe war ein Meister der Effekte, er war besessen von den Figuren und Bildern der Angst, der Katastrophe, des Sogs und steigerte sie bis zum Äussersten", schreibt der Literaturwissenschaftler Wolfgang Martynkewicz in seiner Poe-Biografie. "Wie ein Magier spielte er mit der Lust am Untergang, die er nicht nur immer und immer wieder ästhetisch inszenierte, sondern die zu seinem Leben, seiner Existenz gehörte."

Geschichten wie Albträume

Poe schuf Geschichten wie Albträume, berichtet aus der Ich-Perspektive. In "Das verräterische Herz" schildert der Erzähler seinen Mord an einem alten Mann. Das Motiv: Er hasst dessen Anomalie, ein Häutchen auf einem der Augen. Eine Woche lang schleicht er sich Nacht für Nacht bei dem Greis ein, beobachtet den Mann still - und kann ihn doch nicht töten, weil die Augen des Schlafenden geschlossen sind. Bis der Eindringling eines Nachts aus Versehen ein Geräusch macht. Eine Stunde belauert er das Opfer in der Dunkelheit: "Ich wusste, was der alte Mann empfand, und hatte Mitleid mit ihm, obwohl ich im Herzen lachte." Schliesslich leuchtet der Erzähler dem Mann ins Gesicht, sieht das Auge, tötet.

Bei anderen Geschichten gibt es überhaupt keine Erklärung, warum ein Mensch sadistisch mordet: In "Das Fass Amontillado" lockt der Erzähler einen Freund in ein Gewölbe und schliesslich in eine makabre Todesfalle, um sich für tausendfache Kränkung zu rächen. Was mag da bloss passiert sein? Wir erfahren es nicht. Gerade diese Lückentechnik macht guten Horror aus, wie ihn auch Poes Schauergedicht "The Raven" kraftvoll ausstrahlt ("Sprach der Rabe: Nimmermehr"). Seine Erben H.P. Lovecraft und Stephen King sollten dies weiterentwickeln.

Begraben in nur drei Minuten

Poes Idee von einer Mondfahrt in "Das unvergleichliche Abenteuer eines gewissen Hans Pfaall" kann auch als ein Vorgeschmack auf das Genre Science-Fiction gelten. Als den wirkungsmächtigsten amerikanischen Klassiker und meistgelesenen US-Erzähler des 19. Jahrhunderts hat der Anglist Hans-Dieter Gelfert Poe einmal bezeichnet.

Auch wenn sein Ruhm ewig währt: Dem Genie blieb nur ein kurzes Leben von 40 Jahren. Der Überlieferung zufolge dauerte sein Begräbnis an einem kalten Montagnachmittag gerade einmal drei Minuten. Die Trauergemeinde - im Wesentlichen Poes engste Familie - war mit acht Leuten so klein, dass der Pfarrer auf eine Predigt verzichtete. Küster George W. Spence erinnerte sich später: "Es war ein dunkler und düsterer Tag, es regnete nicht, aber es war einfach rau und bedrohlich." (dpa, bearbeitet von af)

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