• Für die Überlebenden ist es ein Albtraum gewesen, die Welt sprach später vom "Wunder der Anden".
  • 16 Passagiere überlebten einen Flugzeugabsturz und 72 Tage in eisiger Kälte.
  • Um dem sicheren Tod zu entgehen, taten sie das Unvorstellbare: Sie assen Menschenfleisch.

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Es sollte eine ausgelassene Reise mit Freunden werden, doch sie endete in einer Tragödie. Vor 50 Jahren stürzte eine Maschine der uruguayischen Luftwaffe mit 45 Menschen an Bord in den Anden zwischen Chile und Argentinien ab. Nach 72 Tagen im ewigen Eis auf einer Höhe von rund 4.000 Metern wurden schliesslich 16 Überlebende geborgen. Niemand hatte mehr an eine Rettung geglaubt, in der Presse war schnell vom "Wunder der Anden" die Rede.

Am 12. Oktober 1972 bestiegen die Spieler der uruguayischen Rugby-Mannschaft Old Christian's Club mit Freunden, Angehörigen und Betreuern auf dem alten Flughafen von Carrasco eine Maschine vom Typ Fairchild F-227. Das Team wollte in der chilenischen Hauptstadt Santiago ein Freundschaftsspiel absolvieren und einige unbeschwerte Tagen fern der Heimat verbringen. "Wir wollten einfach eine gute Zeit haben", erinnert sich Ramón Sabella, der damals 21 Jahre alt war.

Zwölf Kameraden waren sofort tot: 71-Jähriger erinnert sich an schreckliche Stunden

Wegen schlechter Witterungsverhältnisse legte die Crew einen Zwischenstopp in der argentinischen Stadt Mendoza ein, am Tag darauf wagten sie die Andenüberquerung. Inmitten heftiger Orkanböen und starken Schneefalls touchierte die Maschine einen Gebirgsgrat, verlor die Tragflächen und das Heck und stürzte ab. Zwölf Menschen waren sofort tot, viele andere schwer verletzt. "Wir waren alle in Schock. Überall lagen Leichen herum, die Verletzten schrien vor Schmerzen und es war bitterkalt. Wir hatten ja nur frühlingshafte Kleidung dabei", erzählt der heute 71-jährige Sabella.

Zunächst hatten die Überlebenden noch Hoffnung, dass sie bald gefunden und gerettet werden würden. Mehrere Suchflugzeuge flogen über die Absturzstelle hinweg, allerdings war das weisse Wrack der verunglückten Maschine im Schnee kaum zu sehen. Nach acht Tagen hörten die Überlebenden im Radio, dass die Suche nach ihnen eingestellt worden war. "Wir konnten nicht verstehen, wie unsere Familie und die Regierung uns aufgeben konnten", sagt Sabella. Erst später erfuhr er, dass seine Mutter jeden Abend einen Teller für ihn zum Abendessen auf den Tisch stellte. Teresa Valeta, deren Bruder Carlos bei dem Unglück ums Leben kam, hingegen sagt: "Wir waren uns sicher, dass alle tot sind."

Unerträglicher Durst – und dann kam der Hunger

Die Überlebenden versuchten schliesslich, sich mit der Situation zu arrangieren. Sie richteten sich in dem Wrack ein, fertigten Decken und Kleidung aus den Stoffüberzügen der Flugzeugsitze und unternahmen Expeditionen in die Umgebung, um nach einem Weg zurück in die Zivilisation zu suchen. Ende Oktober wurde das Wrack von einer Lawine getroffen. Dabei kamen noch einmal acht Menschen ums Leben.

"Wir haben jeden Tag gearbeitet: Wir haben das Flugzeugwrack sauber gehalten, Essensrationen eingeteilt und die Verletzten gepflegt", erzählt Sabella. Auf einem eingeknickten Metallblech und mithilfe der Mittagssonne schmolzen sie Schnee, um Trinkwasser zu erhalten. Der Durst war am Anfang das Schlimmste. "Durst zu haben, kann richtig weh tun. Das war schrecklich", sagt Sabella.

Mit der Zeit wurde allerdings auch der Hunger zu einem immer grösseren Problem, mit jedem Tag wurden die Überlebenden schwächer. "Wir haben sogar versucht, Leder zu essen, aber es war unmöglich", sagt Sabella. Nach langen Diskussionen rang sich die Gruppe schliesslich zum Unfassbaren durch: Um zu überleben, assen sie das Fleisch ihrer toten Kameraden.

"Das war eine harte Entscheidung. Aber es ist eine Sache, eine Entscheidung zu treffen und eine andere, sie auch wirklich umzusetzen", sagt Sabella. Schliesslich schnitten sie mit einer Glasscherbe Fleischstreifen aus den Leichen heraus und legten sie zum Auftauen auf das Flugzeugwrack. "Der Mensch hat die Fähigkeit, sich an alles anzupassen", sagt Sabella.

Vater von Verstorbenem sprach Überlebende "von jeder Schuld frei"

"Was uns stark hielt, war das Denken an den nächsten Tag. 'Vielleicht morgen!' Das war es, was uns 72 Tage am Leben hielt. 'Vielleicht morgen!' Das war unser Motto", erinnerte sich 2002 Roberto Canessa. Er war es auch, der mit seinem Freund Fernando Parrado den Abstieg schaffte und Hilfe holen konnte. In zehn Tagen legten sie 70 Kilometer durch die Anden zurück, bis sie den chilenischen Hirten Sergio Catalán trafen. Der ritt zur nächsten Strasse und liess sich von einem Trucker bis nach Puente Negro mitnehmen, wo er die Polizei verständigte. Am 22. Dezember wurden schliesslich sieben Überlebende mit einem Hubschrauber der chilenischen Streitkräfte ausgeflogen, am Tag darauf der zweite Teil der Gruppe.

Schnell war klar, dass die jungen Leute nur überleben konnten, weil sie sich vom Fleisch ihrer toten Freunde ernährt hatten. "Möge Gott ihnen vergeben. Gerechtfertigter Kannibalismus", titelte die Zeitung "La Segunda". "Nach der Rettung hat mein Vater die Überlebenden öffentlich in Schutz genommen und sie von jeder Schuld freigesprochen", sagt Teresa Valeta. Für die Überlebenden hatte das grosse Bedeutung. "Wir haben uns zwar nicht schuldig gefühlt, aber das war trotzdem wichtig für uns", sagt Sabella. (Denis Düttmann, dpa/af)

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