Der Sommerurlaub steht bevor und für unsere Autorin stellt sich damit auch die Frage: Darf ich fliegen? Warum Verzicht allein nicht ausreicht und wie klimaneutrales Fliegen möglich werden könnte.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der Sommerurlaub rückt näher und auch ich stelle mir allmählich die Frage: Will ich verreisen? Wohin? Und vor allem: wie? Tatsache ist: Das Flugzeug ist in vielen Fällen mehr als verlockend. Ein Flug von Berlin nach Palermo gibt es dank einer Billig-Airline bereits ab 69 Euro hin und zurück mit einer Flugzeit von zweieinhalb Stunden. Fährt man die Strecke mit dem Zug zu den exakt selben Daten, muss man allein für die Hinfahrt 232 Euro zahlen und man fährt einen Tag und 16 Stunden – dreimal umsteigen inklusive. Sich da nicht für das Flugzeug zu entscheiden, fällt auch mir schwer.

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Fliegen ist meist schneller, praktischer, günstiger – aber leider auch die klimaschädlichste Art zu reisen. Die CO2-Emissionen sind dabei noch nicht einmal das grösste Problem. Flugzeuge stossen auch Stickoxide und Wasserdampf aus. Zwei Drittel des klimawirksamen Effekts des Flugverkehrs gehen auf eben diese Gase zurück, haben Forschende in einer Studie ermittelt.

Die Nachfrage für Flugreisen steigt

Rund drei Prozent der globalen CO2-Emissionen werden mittlerweile durch den weltweiten Luftverkehr verursacht. 78 Prozent der Flüge sind dabei Passagierflüge – und die Nachfrage steigt. Immer mehr Menschen werden in Zukunft das Flugzeug nutzen, allein, weil die Bevölkerung weltweit wächst, es immer mehr Wohlstand gibt.

Was bedeutet das für mich und meinen Urlaub? Zunächst einmal: Ja, fliegen ist klimaschädlich und doch möchte ich es nicht verteufeln. Fliegen verbindet Menschen und Kulturen weltweit. Wir können auf anderen Kontinenten forschen, arbeiten, studieren und uns vernetzen. Dank des Flugzeugs konnte ich Länder, die nur schlecht bis gar nicht mit dem Zug erreichbar sind, bereisen und dort arbeiten, beispielsweise Uganda und Georgien. Ich möchte diese Erfahrungen nicht missen. Für viele Menschen ist das Flugzeug ausserdem die einzige praktikable Möglichkeit, ihre Familie oder Freundinnen und Freunde zu besuchen.

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Wir müssen weniger fliegen

Dennoch führt kein Weg daran vorbei, sich in Sachen Fliegen einzuschränken. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ermittelt: Wir müssen insgesamt viel weniger und kürzer fliegen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Also – unter anderem auf Langstreckenflüge verzichten, Direktflüge buchen und auch nicht für Kurzurlaube ins Flugzeug steigen. Allein durch eine veränderte Nachfrage könnten wir so rund 61 Prozent der Flugemissionen vermeiden.

Immer mehr Menschen verzichten bereits freiwillig auf Flugreisen. Dieser Trend macht sich vor allem bei Inlandsflügen bemerkbar. Und wenn man sich doch für einen Flug entscheidet, gibt es immer mehr Menschen, die diese Flüge kompensieren, indem sie zum Beispiel Klimaprojekte unterstützen – auch ich habe das bisher fast immer gemacht. Aber klar, die ausgestossenen CO2-Emissionen werden damit nicht rückgängig gemacht. Eine weitere Massnahme, um CO2– Emissionen beim Fliegen zu sparen, ist ausserdem, die Economy-Klasse zu wählen. Denn: Je mehr Menschen in ein Flugzeug passen, desto geringer ist der CO2-Ausstoss pro Passagier. Auch weniger Gepäck spart Emissionen.

Allerdings ist es der falsche Weg, die Verantwortung allein bei den Bürgerinnen und Bürgern abzuladen. Die Politik muss endlich mehr regulieren, indem die Preise für Flugtickets zum Beispiel automatisch aufgrund einer eingeführten CO2-Steuer oder abgeschaffter Subventionen deutlich teurer werden. Gleichzeitig müssen Bahntickets sehr viel günstiger und Nachtzugstrecken ausgebaut werden. Wenn eine Zugfahrt von Berlin nach Paris wesentlich günstiger als ein Flug ist, fällt die Entscheidung für den Zug leichter.

Kurzstreckenflüge könnten nach Angaben des Weltklimarats durch den Ausbau des Zugverkehrs in Zukunft überflüssig gemacht werden – allein dies könnte bis zu 40 Prozent der Emissionen, die aus dem Luftverkehr stammen, vermeiden.

Besteuerung von Privatjets

Ein zentrales Problem sind ausserdem die Vielflieger und Vielfliegerinnen: Ein Prozent der Menschheit ist für 50 Prozent der Emissionen aus dem Flugverkehr verantwortlich, zeigt eine Studie. Dabei handelt es sich meist um Menschen, die wohlhabend sind und zum Beispiel mehrmals im Jahr berufsbedingt mit der Business-Klasse fliegen, mehrere Langstreckenflüge zurücklegen oder mit dem Privatjet reisen – bis zu 300 Flüge kommen da im Jahr zusammen. Eine aktuelle Greenpeace-Analyse zeigt, dass die Zahl der Privatjetflüge in Deutschland im vergangenen Jahr rasant gestiegen ist – um 76 Prozent auf gut 58.000 Flüge.

Stefan Gössling, Mobilitätsexperte an der Linnaeus-Universität in Schweden, spricht sich daher für die Besteuerung von Premiumklasse- und Privatflügen aus. "Wenn hier nicht stark besteuert wird, dann wird es unmöglich sein, die Emissionen zu reduzieren“, sagt Gössling. "Ein Privatflugzeug emittiert in etwa sechs Stunden so viel wie ein Durchschnittseuropäer in einem Jahr."

Können Technologien ein klimaneutrales Fliegen ermöglichen?

Doch nur weil einige Menschen extrem viel fliegen, rechtfertigt das nicht, selbst ins Flugzeug zu steigen. Fest steht: Ohne schlechtes Gewissen zu fliegen, ist angesichts des voranschreitenden Klimawandels eigentlich nicht mehr möglich. Gerade deshalb erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich sehnsüchtig auf neue Technologien in der Flugbranche blicke.

Einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind überzeugt, dass klimaneutrales Fliegen bis 2050 möglich sein könnte. Ein Bündel an Massnahmen ist dafür allerdings nötig, zum Beispiel der Einsatz von synthetischem Kerosin, das aus erneuerbarer Energie, Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden kann. Es könnte in Zukunft das klimaschädliche Kerosin aus Erdöl ersetzen. Das Hauptproblem wird dabei allerdings die gigantische Menge an erneuerbarer Energie sein, die zur Herstellung von synthetischem Kerosin benötigt wird.

Wasserstoffbetriebene Flugzeuge

Einige Flugzeughersteller, wie Airbus, konzentrieren sich bereits auf die Entwicklung von sogenannten CO2-emissionsfreien Flugzeugen, die etwa mit grünem Wasserstoff betrieben werden sollen. Diese könnten laut Airbus vor allem auf Kurz- und Mittelstreckenflügen zum Einsatz kommen. Wasserstoff benötigt viel mehr Platz als Kerosin und wird deshalb wahrscheinlich nicht für Langstreckenflüge eingesetzt werden können.

Flugzeuge sollen in den kommenden Jahren ausserdem effizienter gebaut werden, um Treibstoff zu sparen. Auch bessere Flugrouten könnten erhebliche Mengen an Emissionen einsparen, indem man zum Beispiel klimaschädliche Umwege vermeidet oder die Flugrouten stärker an Windverhältnisse anpasst. Doch klar ist auch: Technologie allein wird noch viele Jahre lang kein klimaneutrales Fliegen ermöglichen. Das effizienteste Mittel ist und bleibt die Reduzierung der Flugreisen.

Sicher ist: Ich werde für meinen anstehenden Urlaub versuchen, das Flugzeug zu vermeiden, auch wenn es mir schwerfällt. Denn: Jede Flugreise ist eben eine zu viel. Und wer weiss, vielleicht wird in wenigen Jahren die Zugfahrt nach Palermo günstiger als der Flug sein.

Verwendete Quellen:

  • Nature Sustainability: "Pathways to net-zero emissions from aviation"
  • Science Media Center: "Aktuelle Studie zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs"
  • ScienceDirect: "The global scale, distribution and growth of aviation: Implications for climate change"
  • Greenpeace: "Zahl der Privatjet-Flüge in Deutschland steigt rasant"
  • Airbus: "City-Airbus: Ein Meilenstein für das elektrische Fliegen der Zukunft"
  • IOP Science: "Reducing transatlantic flight emissions by fuel-optimised routing"

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