Durch den Klimawandel nehmen Extremwetterereignisse wie Starkregen, Stürme und Dürren zu. Blitze hingegen werden in Europa immer seltener. Ein Experte erklärt, woran das liegen könnte und wo es in Europa am häufigsten blitzt.

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Irgendwo auf der Welt blitzt es gerade, genau in diesem Moment. Im Schnitt blitzt es rund um den Globus 46-mal pro Sekunde, rund vier Millionen Mal am Tag. Die allermeisten Blitze entladen sich in den Wolken – doch treffen sie auf die Erde, ist ihre Wirkung gewaltig.

Mit einer Stromstärke von bis zu 100.000 Ampere können sie Bäume und Häuser in Brand setzen und für Mensch und Tier zur Lebensgefahr werden. Erst vor wenigen Tagen wurden zehn Personen bei einem Blitzeinschlag am Dresdener Elbufer teils schwer verletzt. Vorfälle wie in Dresden sind zum Glück eher die Ausnahme – und die Gefahr durch Blitzeinschläge könnte hierzulande in Zukunft noch weiter sinken.

Immer weniger Blitze in Europa

"In den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland und Österreich immer weniger Blitze detektiert", sagt Wolfgang Schulz, Leiter des Blitzinformationsdienstes ALDIS/BLIDS. Mit über 150 Messstationen in Europa kann ALDIS/BLIDS Blitze auf bis zu 100 Meter genau orten.

Laut Statistik des Blitzinformationsdienstes gingen im Jahr 2022 in Deutschland 148.664 Blitze auf die Erde nieder – nur halb so viele wie noch ein Jahr zuvor. Auch 2023 blieb die Anzahl mit 194.563 Blitzen deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen zwanzig Jahre (338.121).

Ein ähnlich starker Rückgang wurde in diesem Zeitraum auch in Österreich gemessen (2023: 74.056 vs. 149.893). Doch nicht nur in Zentraleuropa scheint die Blitz-Wahrscheinlichkeit zu sinken. "Im Herbst wurde ich von Kollegen aus den USA kontaktiert. Auch dort hat in den letzten Jahren die Anzahl der Blitze abgenommen", sagt Schulz.

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Es werde allgemein angenommen, dass durch den Klimawandel die Anzahl der Gewitter – und damit die Anzahl der Blitze – weltweit zunehmen sollte, sagt Schulz. Doch die Verteilung ist nicht überall gleich. "Es wird Regionen geben, in denen es mehr Blitze als gewöhnlich geben wird, und andere, in denen es weniger geben wird." Nach Letzterem schaut es derzeit in Europa aus. "Aber wir wissen längst nicht genau, warum", sagt Schulz.

Eine mögliche Ursache könnte die zunehmende Trockenheit in den Sommermonaten sein, die Europa immer häufiger heimsucht. Der Sommer 2022 – also das Jahr, in dem es besonders wenige Blitze gab – war laut Deutschem Wetterdienst (DWD) einer der trockensten seit Aufzeichnungsbeginn. Auch in Österreich war jenes Jahr von ungewöhnlicher Trockenheit geprägt.

Wie entsteht ein Blitz?

Der DWD betonte damals, dass die geringe Zahl der Gewitter und Blitze vor allem auf die Trockenheit zurückzuführen sei. Denn damit ein Gewitter entsteht, braucht es vor allem eines: Feuchtigkeit.

Die Sommermonate Juni bis August gelten typischerweise als Gewittersaison. Durch die hohen Temperaturen und die starke Sonneneinstrahlung verdunstet Wasser an der Erdoberfläche. Feucht-warme Luft steigt auf und trifft in höheren Lagen auf kältere Luftschichten. Die Feuchtigkeit kondensiert – es bilden sich Wolken.

Diese bestehen aus unzähligen Graupelkörnern, Wasser- und Eiströpfchen, die aneinander reiben und sich elektrisch aufladen. Durch Aufwinde nimmt die positive elektrische Ladung im oberen Teil der Wolke zu, die negative im unteren. Dadurch entsteht ein elektrisches Spannungsfeld. Was folgt, ist eine Art Kurzschluss: Die Spannung entlädt sich über einen Blitz.

Ein weiterer Erklärungsansatz für den Rückgang der Blitze ist, dass durch den Klimawandel Starkregen-Events zunehmen. "Durch Starkregen wird möglicherweise die Ladungstrennung in der Wolke reduziert, was zu weniger Blitzen führen könnte", sagt Schulz.

Weniger Versicherungsschäden durch Blitze

Weniger Blitze verursachen auch weniger Versicherungsschäden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bestätigte auf Anfrage, dass die Anzahl der gemeldeten Schäden durch Blitzschlag in Deutschland in den vergangenen Jahren gesunken ist.

Im Jahr 2022 wurden demnach 160.000 Blitz- und Überspannungsschäden in Höhe von 170 Millionen Euro verzeichnet – 50.000 Schäden und 40 Millionen Euro weniger als noch 2021. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Gestiegen sei allerdings der Schadendurchschnitt: Dieser stieg 2022 von 990 Euro im Vorjahr auf 1.070 Euro, was auf die technisch immer besser ausgestatteten Haushalte zurückzuführen sei – also auf Handys, PCs oder Smarthome-Systeme, die bei Blitzeinschlag beschädigt werden können.

Bayern ist Blitz-Bundesland Nummer 1

Innerhalb von Deutschland ist der Süden am stärksten von Gewittern betroffen, wie aus den ALDIS/BLIDS-Daten hervorgeht. Allen voran Bayern: Während im Freistaat im vergangenen Jahr 55.692 Blitze einschlugen, waren es in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen jeweils nur 17.005 beziehungsweise 19.089.

"Deutschland hat generell aber nur eine geringe Blitzaktivität, verglichen mit anderen Ländern in Europa", sagt Schulz. Der deutsche Durchschnitt 2023 lag bei rund 0,5 Blitzen pro Quadratkilometer, in Österreich hingegen bei 0,9. Die blitzgefährdetsten Regionen in Europa seien jedoch Norditalien und Slowenien, sagt Schulz. "Das hängt mit den feucht-warmen Luftmassen des Mittelmeers zusammen, die nach Norden strömen und sich vor den Alpen entladen."

Wie sollte man sich bei Gewitter verhalten?

Doch auch wenn die Blitze in Europa insgesamt seltener werden – weniger gefährlich sind sie deshalb nicht. Pro Jahr sterben allein in Deutschland durchschnittlich vier Menschen an den Folgen eines Blitzschlags, Hunderte weitere werden verletzt. Wann und wo genau ein Gewitter aufzieht, lässt sich oft nicht zuverlässig vorhersagen.

Als Faustregel gilt: Wenn zwischen Blitz und Donner weniger als 30 Sekunden vergehen, ist das Gewitter nur noch wenige Kilometer entfernt – dann besteht unmittelbare Blitzeinschlagsgefahr. Zieht ein Gewitter auf, sollte man daher unbedingt in einem Gebäude mit einem Blitzschutzsystem (Blitzableitern) oder im Auto Schutz suchen.

Ist kein Gebäude oder Fahrzeug in der Nähe, sollten Sie sich möglichst klein machen und in die Hocke gehen, die Füsse dabei eng zusammenstellen. Auf keinen Fall sollte man sich bei Gewitter ausgestreckt auf den Boden legen, denn bei einem Blitzeinschlag breitet sich die elektrische Energie über den Boden aus – und je geringer die Kontaktfläche des Körpers mit dem Untergrund ist, desto besser. Halten Sie auch Abstand von Metall, Bäumen, Wasser und anderen Menschen. Dann bleibt nur abzuwarten, bis das Gewitter vorüber ist.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Wolfgang Schulz ist Elektrotechniker und Leiter des österreichischen Blitzinformationsdienstes ALDIS (Austrian Lightning Detection and Information System) des Österreichischen Verbands für Elektrotechnik (OVE Service GmbH). Im Oktober 2023 hat OVE den deutschen Blitzinformationsdienst BLIDS von Siemens übernommen.

Verwendete Quellen

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