Ein Abgeordneter spricht im Deutschen Bundestag von "Klima-Irrsinn" und rechnet vor, wie gering der Beitrag Deutschlands zum weltweiten CO2-Ausstoss angeblich sei. Doch seine Berechnung ist irreführend – sie vergleicht Äpfel mit Birnen.

Als der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle am 27. April im Bundestag spricht, nennt er die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung einen "Irrsinn". Denn Deutschland habe einen sehr kleinen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoss.

Wie klein dieser sei, rechnete er seinen Kolleginnen und Kollegen wie folgt vor: "78 Prozent unserer Luft ist Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff, 1 Prozent sind Edelgase und Spurengas wie Kohlendioxid. Der CO2-Anteil beträgt 0,04 Prozent. Vom jährlichen CO2-Ausstoss produziert die Natur selbst 96 Prozent und lediglich 4 Prozent sind menschengemacht. 4 Prozent von 0,04 Prozent ergeben 0,0016 Prozent menschengemachtes CO2. Der Anteil Deutschlands daran ist 1,76 Prozent. Deutschland beeinflusst vom weltweiten CO2-Anteil in der Luft 0,000028 Prozent."

Screenshot des TikTok-Videos von Robert Farle im Bundestag
Ein TikTok-Video zeigt die Rede des fraktionslosen Bundestagsabgeordneten Robert Farle vom 27. April 2023. © TikTok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck

CORRECTIV hat Farles Rechnung überprüft – einen Faktencheck übersteht sie nicht. Sie verbreitete sich aber rasant in sozialen Netzwerken wie Twitter und TikTok. Eine ganz ähnliche Rechnung, wonach Deutschlands CO2-Anteil in der Luft bei 0,00004712 Prozent liege, ist zudem seit mehr als zehn Jahren in Umlauf. Wie CORRECTIV.Faktencheck bereits 2019 berichtete, ist auch diese falsch.

Deutschlands Anteil am weltweiten CO2-Ausstoss liegt aktuell bei rund 1,8 Prozent – diesen Anteil dann noch einmal ins Verhältnis zur gesamten Luft zu setzen, wie Farle es macht, ergibt keinen Sinn. Die vom Menschen verursachte CO2-Konzentration, gemessen an der gesamten CO2-Konzentration, beträgt rund 33 Prozent. Eine generelle Gegenüberstellung mit dem CO2-Ausstoss der Natur ist nicht schlüssig. Die Natur nimmt – im Gegensatz zum Menschen – ihren CO2-Ausstoss vollständig wieder auf.

CORRECTIV.Faktencheck hat Robert Farle die Ergebnisse vorgelegt und um eine Rückmeldung zu seiner Rechnung gebeten. Er antwortete bislang nicht.

Farle sagte, dass 78 Prozent Stickstoff, 21 Prozent Sauerstoff, 1 Prozent Edelgase und Spurengas wie Kohlendioxid in der Luft seien. Der CO2-Anteil in der Luft betrage 0,04 Prozent. Dieser Teil der Rechnung stimmt. Laut dem Global Monitoring Laboratory der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer Klima- und Ozeanografiebehörde in den USA, lag der CO2-Anteil in der Atmosphäre im März 2023 bei 420,13 ppm (etwa 420 Moleküle pro einer Million Moleküle trockener Luft). Das sind mit 0,042 Prozent tatsächlich etwa 0,04 Prozent der gesamten Luft, wie Farle sagt. Dieser Wert ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen.

Die Zusammensetzung der Atmosphäre schlüsselt auch eine Grafik des Jet Propulsion Laboratory auf, einem Forschungsinstitut der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa. Sie weist den Anteil von Stickstoff mit 78 Prozent aus, etwa 21 Prozent seien Sauerstoff, knapp 1 Prozent seien Edelgase und 0,04 Prozent Kohlendioxid.

Der von Menschen verursachte CO2-Anteil in der Luft beträgt 4,9 Prozent

Weiter behauptet Farle: "Vom jährlichen CO2-Ausstoss produziert die Natur selbst 96 Prozent und lediglich 4 Prozent sind menschengemacht." Doch stimmt das?

CORRECTIV.Faktencheck hat beim Umweltbundesamt nachgefragt. Demnach beträgt der jährliche Umsatz des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs weltweit etwa 771 Milliarden Tonnen CO2. Dabei geht es um natürliche CO2-Austauschprozesse, die immer schon in der Natur vorgekommen sind, etwa zwischen der Atmosphäre und Ozeanen sowie zwischen der Atmosphäre und Landflächen.

Die menschengemachten Treibhausgas-Emissionen liegen laut Umweltbundesamt jährlich bei etwa 55 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Darunter werden verschiedene Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die eine unterschiedlich starke Klimawirksamkeit haben, zusammengefasst. Der reine menschengemachte CO2-Anteil pro Jahr beträgt laut Umweltbundesamt rund 40 Milliarden Tonnen, davon stammten etwa 37 Milliarden Tonnen CO2 aus der Verbrennung fossiler Energieträger und aus Industrieprozessen.

Wenn man die vergleichsweise grosse Menge des natürlichen Kohlenstoffkreislaufes von 771 Milliarden Tonnen CO2 jährlich mit den vom Menschen verursachten 40 Milliarden Tonnen CO2 zusammenrechnet, beläuft sich die Gesamtmenge auf 811 Milliarden Tonnen CO2. Davon beträgt der menschengemachte Anteil (40 Milliarden Tonnen) etwa 4,9 Prozent, nicht 4, wie Farle behauptet. Doch so oder so: Der Vergleich des natürlichen mit dem menschengemachten CO2-Ausstoss, wie Farle ihn aufstellt, ergibt keinen Sinn.

Die Umwelt nimmt den vom Menschen verursachten CO2-Anteil nur zum Teil auf

Entscheidend ist: Die Natur ist in der Lage, ihren CO2-Ausstoss wieder vollständig aufzunehmen, hingegen nur einen Teil der menschengemachten Treibhausgas-Emissionen. Denn von den 40 Milliarden Tonnen menschengemachtem CO2-Ausstoss würden die Landflächen etwa 11 Milliarden Tonnen CO2 aufnehmen, die Ozeane etwa 10,6 Milliarden. Bleiben also laut Umweltbundesamt etwa 18 Milliarden Tonnen menschlich verursachtes CO2, das die Natur nicht wieder aufnimmt. Das Problem bestehe in der Verwechslung von "Umsatz" und "Netto-Zuwachs", schreibt das Umweltbundesamt.

Und neben dem Anteil an CO2 in der Luft ist es relevant, einen Blick auf die CO2-Konzentration zu werfen.

Kohlenstoffkreislauf gerät durch CO2-Ausstoss aus den Fugen
Aufgrund des zusätzlich durch den Menschen verursachten CO2-Ausstosses gerät der natürliche Kohlenstoffkreislauf aus dem Gleichgewicht. © Quelle: Umweltbundesamt; Grafik: CORRECTIV.Faktencheck

Zwischen dem Ende der letzten Eiszeit und vor Beginn der Industrialisierung habe es eine "konstante atmosphärische CO2-Konzentration von etwa 280 ppm" gegeben, schreibt das Umweltbundesamt. Diese Konzentration sei so etwas wie der natürliche Füllstand der Badewanne. Doch dieses Gleichgewicht existiere seit Beginn der Industrialisierung nicht mehr.

Die etwa 18 Milliarden Tonnen menschlich verursachtes CO2 weltweit pro Jahr, die nicht von Land- oder Meeresflächen aufgenommen werden können, sorgten aktuell für einen jährlichen Anstieg der CO2-Konzentration in einem Bereich zwischen 2 und 3 ppm, auf jetzt rund 420 ppm. Daraus ergibt sich, dass der Mensch für rund 33 Prozent der CO2-Konzentration in der Luft verantwortlich ist.

CO2-Anteil vor und nach der Industrialisierung
Vor Beginn der Industrialisierung betrug der CO2-Anteil in der Atmosphäre etwa 280 ppm. Aufgrund des menschengemachten CO2-Ausstosses ist dieser Wert deutlich gestiegen, auf aktuell rund 420 ppm. © Quelle: Scripps Institution of Oceanography, UC San Diego; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck

Deshalb ist der nächste Teil von Farles Rechnung irreführend: "4 Prozent von 0,04 Prozent ergeben 0,0016 Prozent menschengemachtes CO2." Er setzt den menschengemachten CO2-Ausstoss ins Verhältnis zur gesamten Luft, doch das ergibt keinen Sinn. Sinnvoll wäre, ihn ins Verhältnis zur CO2-Konzentration zu setzen, die sich in der Luft befindet – und dieser Anteil beträgt, wie oben beschrieben, 33 Prozent.

Dass die CO2-Konzentration steigt, ist ein Problem, denn Treibhausgase wie CO2 speichern Wärme. Dadurch kommt es zu erhöhten Temperaturen, wie CORRECTIV bereits in einem Faktencheck erklärte. Die globale Erwärmung ist vom Menschen verursacht. Darüber sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig, wie zahlreiche Studien belegen.

Deutschlands Anteil an den globalen CO2-Emissionen beträgt 1,8 Prozent

Farle rechnet weiter vor, Deutschlands Anteil am vom Menschen verursachten CO2-Ausstoss betrage 1,76 Prozent. Damit beeinflusse Deutschland weltweit den CO2-Anteil in der Luft von 0,000028 Prozent. Auch hier folgt Farles Rechnung einer irreführenden Logik.

Wie das Umweltbundesamt auf seiner Webseite schreibt, ist Deutschland von rund 37 Milliarden Tonnen menschengemachtem CO2 weltweit in 2022 – die bei der Verbrennung fossiler Energieträger und aus Industrieprozessen entstehen – für etwa 666 Millionen Tonnen verantwortlich. Deutschlands Anteil am weltweit vom Menschen verursachten CO2-Ausstoss beträgt demnach 1,8 Prozent.

Davon ist Farle mit 1,76 Prozent zwar nicht so weit weg, doch es folgt derselbe Fehler: Er setzt in seiner Rechnung diese rund 1,8 Prozent in Relation zur gesamten Luft und lässt dabei aus, dass andere Bestandteile der Luft, wie Sauerstoff, überhaupt nicht für eine Erderwärmung sorgen – dieser Vergleich also keinen Sinn ergibt.

Deutschland verursacht verhältnismässig mehr CO2-Emissionen als andere Länder

Wie viel trägt Deutschland also wirklich verglichen mit anderen Staaten zum Klimawandel bei? "Deutschland hat weit überproportional zum Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und damit zum Klimawandel beigetragen", schreibt das Umweltbundesamt. Die seit 1850 angehäuften CO2-Emissionen Deutschlands entsprächen einem Anteil von 3,7 Prozent an den globalen CO2-Emissionen. Dabei betrage der deutsche Anteil an der Weltbevölkerung nur etwa 1,05 Prozent.

Betrachtet man die Treibhausgas-Emissionen gemessen an der Einwohnerzahl, liegt Deutschland laut Climate Watch und Daten aus 2019 weltweit auf Rang 50 von 190. Im Vergleich zu den anderen 26 EU-Ländern liegt Deutschland sogar auf Platz 8.

Fazit: Die Rechnung beinhaltet zwei Logikfehler. Sie ignoriert, dass das natürliche CO2 in einem Kreislauf auch von der Natur wieder aufgenommen wird – der menschengemachte CO2-Ausstoss jedoch nur zum Teil, was zu einer Erhöhung der CO2-Konzentration in den vergangenen Jahren um rund ein Drittel geführt hat. Zweitens wird der menschengemachte CO2-Anteil und der, für den Deutschland verantwortlich ist, mit der gesamten Luft verglichen, nicht aber mit dem CO2-Anteil in der Luft, der für die globale Erwärmung verantwortlich ist.

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