Immer mehr Menschen leiden unter Klimaangst und fühlen sich angesichts der Klimakrise machtlos. Doch wir können lernen, dieser Angst zu begegnen und sie für positive Veränderungen zu nutzen.
Als Klima- und Umweltjournalistin beschäftige ich mich täglich mit der Klimakrise. Ich lese Studien über die ungewöhnlich hohen Meerestemperaturen, über Extremwetterereignisse und Hitzewellen.
Ich spreche mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die erklären, warum Naturkatastrophen häufiger und verheerender werden, warum immer mehr Arten aufgrund der steigenden Temperaturen aussterben, warum das Grundwasser in Deutschland sinkt und wie wir auf eine unbewohnbare Zukunft zusteuern.
Emotionen in der Klimakrise: Wut, Trauer, Angst
Immer wieder fühle ich dabei Wut, Trauer und auch Angst vor der Zukunft. Damit bin ich nicht allein. Studien zeigen, dass immer mehr Menschen, besonders jüngere, sich Sorgen wegen des Klimawandels machen. In einer Bertelsmann-Studie von 2022 gaben 80 Prozent der 12- bis 18-Jährigen an, besorgt zu sein; 42 Prozent davon sogar sehr besorgt.
Eine internationale Studie im Fachjournal "The Lancet Planetary Health" befragte 10.000 Menschen zwischen 16 und 25 Jahren: Mehr als die Hälfte berichtete von negativen Gefühlen wie Trauer, Angst, Wut und Hilflosigkeit. Fast die Hälfte gab an, dass diese Emotionen ihren Alltag beeinflussen.
Deshalb widmet der Weltklimarat (IPCC) seit 2022 dem Thema "Klimawandel und mentale Gesundheit" ein eigenes Kapitel in seinem jährlichen Bericht.
Lesen Sie auch diese Klimakolumnen
- Diese Klimaschutzprojekte geben Hoffnung
- Warum das "Aber China …"-Argument nicht zieht
Dazu muss man sagen: Obwohl die Klimakrise vor allem in Ländern des Globalen Südens spürbar ist, wurden die meisten Studien zu den emotionalen Folgen bisher in Ländern des Globalen Nordens durchgeführt. Die Perspektiven indigener Bevölkerungsgruppen sind in der Forschung zu Klimaemotionen besonders unterrepräsentiert.
Was heisst Klimaangst?
Die sogenannte "Klimaangst" ist keine klassische Angststörung. Sie umfasst Gefühle wie Verzweiflung, Ohnmacht und Angst. Der Begriff kann irreführend sein, weil er nahelegt, dass mit uns persönlich etwas nicht stimmt.
Dabei ist Klimaangst eine berechtigte, normale Reaktion auf die reale Bedrohung, der wir gegenüberstehen. Diese Emotionen sind gesund und wichtig, denn sie erinnern uns daran, dass wir handeln müssen, bevor es zu spät ist. Problematisch wird es erst, wenn uns die Angst lähmt und wir glauben, dass ohnehin alles verloren sei.
Wie befreien wir uns von dem Ohnmachtsgefühl?
Die Psychologin Nele Dippel vom Institut für Psychologie der Humboldt-Universität in Berlin hat darauf eine Antwort: Zunächst sei es wichtig, die eigenen Gefühle zu akzeptieren. "Es ist okay und verständlich, Angst zu haben", sagt sie. Wir sollten unseren Ängsten und Sorgen Raum geben und sie als notwendig und nachvollziehbar anerkennen. Denn: Gefühle sind grundsätzlich hilfreich.
Im nächsten Schritt empfiehlt sie, sich mit anderen auszutauschen, idealerweise mit Gleichgesinnten oder Betroffenen. "Es kann eine gute Erfahrung sein, zu merken, dass Sorgen geteilt werden und Zusammenhalt in der Krise da ist", sagt Dippel. Durch den Austausch erfahren wir Entlastung und merken, dass wir nicht allein sind.
Schliesslich ist es laut Dippel wichtig, ins positive Handeln zu kommen, etwa indem man sich gemeinsam engagiert und aktiv wird. Die eigene Handlungsfähigkeit, auch Selbstwirksamkeit genannt, zu erhalten, sei zentral im Umgang mit belastenden und bedrohlichen Situationen wie der Klimakrise. Beispiele für Aktivitäten könnten sein, einen Bürgerrat zu gründen oder sich dafür einzusetzen, dass die Stadt, in der man lebt, auf erneuerbare Energien umsteigt. Es gehe nicht darum, gleich die ganze Welt zu retten. Es reiche, in der Nachbarschaft etwas zu bewegen, ein Projekt anzustossen.
Erst vor ein paar Monaten habe ich in einem Berliner Quartier für eine Recherche viele inspirierende Menschen getroffen, die Klimaschutz in ihrem Viertel umsetzen wollen: durch das Anlegen von Wildblumenwiesen, verkehrsberuhigten Strassen oder auch den Umstieg auf erneuerbare Energien. Kleine Schritte zählen.
Klimaangst ist kein individuelles Problem, das wir allein lösen müssen. Wir können zwar etwas im Kleinen bewegen, ein Vorbild für andere Menschen sein, aber letztendlich braucht es den Einsatz aller. Der wirksamste Weg im Kampf gegen den Klimawandel und damit auch gegen die Klimaangst liegt letztendlich in einer konsequenten Klimapolitik. Das Wichtigste ist, eben nicht allein mit der Angst zu bleiben, sondern sie in etwas Konstruktives zu verwandeln.
Mir persönlich hilft die Arbeit, also Artikel über die Klimakrise zu schreiben und andere Menschen über die Folgen aufzuklären. Ich biete auch Workshops zu Desinformation in der Klimakrise an, zum Beispiel in Bibliotheken. Dieses Aufklären gibt mir Halt. Dennoch merke ich selbst, dass ich weitere Schreckensnachrichten oft nicht mehr ertragen kann. Dann ist mein persönliches Limit erreicht und ich brauche Abstand. Und auch das ist okay.
Verwendete Quellen
- bertelsmann-stiftung.de: Krieg und Klimawandel machen den Jugendlichen in Deutschland mehr Sorgen als Corona
- thelancet.com: Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey
- thelancet.com: Eco-emotions as the planetary boundaries: framing human emotional and planetary health in the global environmental crisis
- hu-berlin.de: Fighting for Future! Psychische Gesundheit und Klimaangst
- youtube.com: Klimaangst - kurz animiert
Über RiffReporter
- Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter.
- Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.
Klimaforscher findet Festhalten am 1,5-Grad-Ziel "lächerlich"
© RiffReporter
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.