Grüner, gerechter, friedlicher: Wie sieht eine Welt aus, in der mehr Frauen an der Spitze stehen? Eine Frage, die unsere Autorin der Künstlichen Intelligenz gestellt hat. Das Ergebnis deckt sich mit aktuellen Studien. Eine Kolumne.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vor einigen Tagen habe ich dem KI-Chatbot ChatGPT folgende Frage gestellt: Wie würde eine Welt aussehen, in der mehr Frauen an der Spitze stehen? Der KI-Bildgenerator zeigte mir daraufhin folgendes Bild: Frauen stehen im Kreis zusammen und diskutieren miteinander. Im Hintergrund sind futuristische, begrünte Hochhäuser, Solarmodule, Windräder und Bäume zu sehen. Alles wirkt harmonisch, hell, freundlich. Am liebsten würde ich mich direkt ins Bild hineinbeamen.

Mehr zum Thema Klimakrise

Dazu schrieb ChatGPT: "Eine Welt, in der mehr Frauen an der Spitze stehen, würde Vielfalt und Gleichberechtigung in den Vordergrund stellen und darauf abzielen, eine gerechtere, nachhaltigere und friedlichere globale Gemeinschaft zu schaffen."

Unternehmen werden dank Frauen grüner

Hat die Künstliche Intelligenz (KI) recht? Würden wir ein nachhaltigeres Leben führen, wenn mehr Frauen an der Spitze stehen würden? Für Unternehmen scheint das der Fall zu sein. Zumindest machen mehrere Studien deutlich, dass sich Frauen als Führungskräfte eher für Klima- und Umweltschutz einsetzen. Und nein, das bedeutet nicht, dass automatisch jede weibliche Führungskraft mehr Klimaschutz umsetzt.

Forschungsergebnisse zeigen etwa, dass Unternehmen mit einer höheren Anzahl von Frauen in Führungspositionen mehr Massnahmen umsetzen, um die Umweltbelastung zu reduzieren und mehr Investitionen in erneuerbare Energien tätigen. Frauen würden ausserdem grossen Wert auf eine effiziente Abfallwirtschaft und den sparsamen Umgang mit Wasser, Energie und anderen Ressourcen legen.

Eine weitere Studie der Europäischen Investitionsbank (EIB) ergab, dass von Frauen geführte Unternehmen eher dazu neigen, Emissionen zu reduzieren und insgesamt bessere Ergebnisse in Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfragen zu erzielen.

Diese Tendenz zeigt sich auch beim Europäischen Investitionsfonds, wo Unternehmen unter weiblicher Führung häufig mehr in erneuerbare Energien investieren und weniger in umweltschädliche Unternehmen. Die modernen Gebäude, die Windräder, die Solarzellen – all das hat mir auch ChatGPT in seinem generierten Bild gezeigt.

Frauen setzen sich in der Politik für mehr Klimaschutz ein

Und nicht nur in Unternehmen, auch in der Politik lohnt es sich, wenn mehr Frauen das Sagen haben. So weisen Länder mit einem höheren Frauenanteil in der Politik laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen eher Naturschutzgebiete aus und ratifizieren mehr multilaterale Umweltabkommen. Programme in Nepal und Indien zeigten bessere Ergebnisse, sobald mehr Frauen in den entscheidenden Ausschüssen vertreten waren. Ähnliches galt für Programme zur Bewältigung von Dürren in Kenia und Äthiopien.

Wenn Frauen in ein öffentliches Amt gewählt werden, sind sie oft federführend bei der Umwelt- und Sozialgesetzgebung. Zum Beispiel hat die ehemalige Premierministerin von Neuseeland, Jacinda Ardern, und ihr Kabinett, das zu 40 Prozent aus Frauen bestand, den "Klimanotstand" erklärt. Sie führte ausserdem das Gesetz ein, dass Banken und Versicherungen offenlegen müssen, wie sich ihre Investitionen auf die Umwelt auswirken. Das Gesetz verpflichtet diese dazu, jährliche Klimaberichte vorzulegen.

Positive Beispiele: Jacinda Ardern und Marina Silva

Ein weiteres Beispiel ist Marina Silva, Umweltministerin Brasiliens. Sie erlebte selbst als Kautschuk-Zapferin die Zerstörung der brasilianischen Regenwälder. In den 1980er-Jahren war sie Teil einer Gruppe, die sich gegen die Abholzung der Wälder und die Vertreibung indigener Völker wehrte. Dank Marina Silva wurden zwei Millionen Hektar Wald geschützt und das Leben vieler indigener Gemeinschaften gesichert.

Lesen Sie auch

Später, als Umweltministerin Brasiliens, arbeitete Silva an Gesetzen zum Schutz des Amazonasgebiets und zur Reduzierung der Abholzung. Diese Massnahmen halfen, die Abholzungsrate zwischen 2004 und 2012 um 84 Prozent zu senken. Nach der Abwahl von Jair Bolsonaro kündigte der neue Präsident Brasiliens, Lula da Silva, an, Marina Silva wieder als Umweltministerin einzusetzen. Seit ihrer Rückkehr ist die Abholzung im Amazonasgebiet stark gesunken, das wird auch ihrer Person zugeschrieben.

Frauen als Akteurinnen des Wandels

Zahlreiche Frauen waren und sind ausserdem entscheidende Akteurinnen im Umwelt- und Klimaschutz. Beispielsweise wurde die "Fridays for Future"-Bewegung von Greta Thunberg ins Leben gerufen und gerade die prominenten Gesichter der Bewegung sind meistens Frauen.

Frauen sind Akteurinnen des Wandels, das kann man weltweit sehen, unter anderem in Afrika. Dort haben sich 150 Aktivistinnen zur African Feminist Taskforce zusammengeschlossen, um den Klimaschutz voranzubringen. Die mittlerweile verstorbene kenianische Politikerin, Biologin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai hat mit ihrer Umweltschutzorganisation das grösste Aufforstungsprojekt Afrikas ins Leben gerufen, um die Wüstenbildung in Kenia zu bekämpfen. Sie setzte sich zudem für die Stärkung der Frauen in ihrer Gemeinde ein.

Im südamerikanischen Ecuador kämpft die indigene Frauenorganisation Mujeres Amazónicas Defensoras de la Selva gegen Öl-, Bergbau- und Holzindustrien, um die Natur zu schützen. Und auch die ecuadorianische Umweltschützerin Nemonte Nenquimo ist weit über die Landesgrenzen bekannt geworden. Sie ist Anführerin der Waorani-Indigenen im Amazonas-Regenwald, führte 2019 eine Gemeinschaftsklage gegen die ecuadorianische Regierung an, um den Verkauf von indigenem Land an Ölfirmen zu stoppen.

Das Gericht entschied zugunsten der Waorani – ein Präzedenzfall. Es war das erste Mal in der Geschichte Ecuadors, dass einem indigenen Volk das Recht zugesprochen wurde, in seinem angestammten Land zu leben. Dank des Urteils werden nun dauerhaft 500.000 Hektar Amazonas-Regenwald und das Waorani-Gebiet vor der Ölförderung geschützt.

Mehr Frauen an der Spitze

Klar, nicht jede Frau setzt sich für mehr Klimaschutz ein und nicht jeder Mann wehrt sich dagegen. Aber die zahlreichen Studien und Beispiele zeigen deutlich: Die Perspektive von Frauen ist entscheidend für eine erfolgreiche Bewältigung der Klimakrise. Mehr Frauen in führenden Positionen könnten zu einer progressiveren und langfristig nachhaltigeren Politik beitragen, vor allem in Anbetracht einer so dringenden und globalen Aufgabe wie die Bewältigung der Klimakrise.

Und das gilt nicht nur für Frauen. Ob queere Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Armutserfahrung oder mit einer Behinderung: Eine Vielfalt von Perspektiven ist dringend notwendig, um Lösungen und Fortschritte voranzubringen – sei es in Parlamenten, Unternehmen, Organisationen.

Ich habe ChatGPT übrigens noch diese Frage gestellt: Wie sieht eine Welt aus, in der mehr Männer an der Spitze stehen? Das Ergebnis in einem Bild: Man sieht Männer in Anzügen auf einer Strasse stehen, Hochhäuser und Autos. Es gibt kaum Bäume. Alles wirkt sehr modern und grau. Kurzum: Es erinnert mich stark an Grossstädte, so wie wir sie heute kennen, nur etwas futuristischer. Ich schlage vor: Es ist Zeit, das zu ändern.

Über RiffReporter

  • Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter.
  • Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

Verwendete Quellen

  © RiffReporter

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.