Trotz Bremsern und Blockierern erfahren erneuerbare Energien weltweit einen Aufschwung. Der Wendepunkt könnte schon bald erreicht sein. Dann heisst es endgültig: Bye-bye, Fossile!

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Ozeane erwärmen sich ungewöhnlich stark, in der Antarktis schmelzen grosse Eismassen, und Europa stehen Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände bevor – mit fatalen Folgen für die Bevölkerung. Die aktuellen Entwicklungen stimmen mich nicht gerade positiv. Und ja, ich denke mir: Das sind doch jetzt langsam genug Warnungen für die Politik, endlich konsequente Klimaschutzmassnahmen durchzusetzen.

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Aber nein, erst wurde das Gebäudeenergiegesetz GEG aufgeweicht und damit die Wärmewende verschoben und dann hat die Regierung auch noch die verbindlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz gestrichen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir bleiben auf der Stelle stehen. Das Erreichen der Klimaziele rückt in weite Ferne. Es ist frustrierend. Ich denke, viele Leserinnen und Leser kennen dieses Gefühl nur zu gut.

EU-Staaten erhöhen Ziel für Ausbau erneuerbarer Energien

Und doch gab es auch gute Nachrichten zwischen all diesen Krisenberichten in den vergangenen Tagen und Wochen. Sie machen mir Hoffnung und zeigen: Es geht voran.

Erst vergangenen Freitag wurde bekannt gegeben, dass die EU-Staaten sich nun auf ein Gesetz für mehr erneuerbare Energien geeinigt haben. Bis 2030 sollen statt der bisher geplanten 32 Prozent nun 42,5 Prozent der in der EU verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Solar- oder Wasserkraft kommen. Das freiwillige Ziel liegt bei 45 Prozent.

"Milliardenschwere Investitionen und zukunftsfähige Jobs werden überall in Europa die Folge sein", schreibt der BMWK-Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) auf der Plattform Twitter. Es geht also deutlich bergauf in Sachen Erneuerbare.

Kipppunkte im Energiebereich

Das zeigt auch eine aktuelle Studie des australischen Think-Tanks Climate Energy Finance (CEF). Demnach stehen uns in den kommenden Jahren eine Reihe globaler Kipppunkte im Energiebereich bevor, die die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und den "Niedergang der Industrie für fossile Energien" deutlich beschleunigen werden.

Vor allem der aktuelle Boom der Solarenergie soll dabei ein entscheidender Faktor sein, die Energiewende voranzutreiben. Bis 2030 könnten weltweit 1.000 Gigawatt pro Jahr an Solaranlagen installiert werden. Photovoltaik wird dann laut Prognose über 30 Prozent des globalen Strombedarfs decken. China ist übrigens weiterhin Solar-Weltmeister im Ausbau und Export: Auf das Land entfallen 40 bis 60 Prozent der jährlich installierten Anlagen mit Erneuerbaren Energien (EE).

Das positive Fazit der CEF-Studie: Die Auswirkungen für eine Beschleunigung der Umstellung des globalen Energiemarktes auf Erneuerbare sind tiefgreifend. Das eröffne die Chance, die Klimakrise so schnell zu bewältigen, wie es die Wissenschaft vorgibt.

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Solarenergie in den USA wächst

Okay, ganz schön optimistisch. Doch auch weitere Meldungen der vergangenen Wochen zeigen: Der Ausbau der Erneuerbaren wächst exponentiell – und das weltweit. Die weltweit aktiven Windkraftanlagen an Land und auf hoher See haben im Juni erstmals eine mögliche Leistung von mehr als einem Terawatt erreicht. Die Solarbranche in den USA verzeichnete ihr bestes erstes Quartal aller Zeiten und installierte 6,1 Gigawatt (GW) – genug Kapazität, um mehr als eine Million Haushalte mit Strom zu versorgen.

Auch in Deutschland haben sich die Erneuerbaren längst durchgesetzt und lassen Kohle und Gas links liegen. Daten der Bundesnetzagentur zeigen: Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion war im Mai dieses Jahres mit 66,2 Prozent so hoch wie noch nie.

Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen für Wohnhäuser stark angestiegen

Die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen für private Wohnhäuser ist im ersten Quartal dieses Jahres um 146 Prozent stark angestiegen, so der Bundesverband Solarwirtschaft BSW. Die Gründe: Solarsysteme seien preiswert, die Zahl der Fachkräfte steige, die Liefersituation helle sich auf und Marktbarrieren werden zunehmend abgebaut.

Und wie sieht es bei Mietern aus? Ich selbst habe bereits meinen Vermieter kontaktiert, ob ich ein Balkonsolarwerk anschliessen kann. Allerdings habe ich noch immer keine Antwort erhalten. Zumindest in meiner Nachbarschaft sehe ich immer mehr Balkone und Dächer mit Solarzellen – mich stimmt das zuversichtlich. Tatsächlich ist das auch nicht nur mein persönliches Gefühl: Der BSW schreibt, dass sich immer mehr Mieter deutschlandweit Steckersolargeräte bzw. Balkonkraftwerke anschaffen. Hier sei die Nachfrage im vergangenen Jahr im dreistelligen Prozentbereich gestiegen.

Den Erneuerbaren gehört also die Zukunft, sie sind preiswert, lohnen sich, schaffen Tausende neue Arbeitsplätze und viele Menschen haben das bereits verstanden. Bundesweit gründen sich immer mehr Bürgerenergiegenossenschaften, die den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, in ihrer Region Strom und Wärme gemeinsam dezentral erzeugen.

Und ja, der Anteil erneuerbarer Energien nimmt sogar beim Heizen zu und lag 2022 bei 74,7 Prozent. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen ausserdem: Gasheizungen werden immer unbeliebter, bei Neubauten dominieren Wärmepumpen. Also: Ganz unabhängig vom Gebäudeenergiegesetz setzen Baugesellschaften und Hausbesitzer auf zukunftsfähige Technologien, bringen die Wärmewende voran.

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Fossile Energien werden immer unwirtschaftlicher

Fest steht: Fossile Energien werden in Zukunft immer unwirtschaftlicher. Wer auf sie setzt, wird in Zukunft hohe finanzielle Belastungen tragen müssen. Mich wundert es daher immer wieder, wenn sich Parteien und Politiker etwa gegen den Ausbau von Windkraft einsetzen – in Bayern wurden 2022 lediglich 14 Windräder gebaut, viel zu wenig.

Jetzt stellt sich die Frage: Will man Vorreiter sein oder nicht? Der Ausbau der Erneuerbaren wird jedenfalls weiter exponentiell ansteigen. Weder Blockierer noch Bremser können diesen Fortschritt aufhalten. Also: Bye-bye, Fossile! Es ist Zeit zu gehen.

Verwendete Quellen:

  • European Environment Agency: What could the summer bring? Is extreme weather the new normal?
  • Tagesschau: Erneuerbare Energien: EU setzt Zielmarke deutlich höher
  • Climate Energy Finance: Solar pivot: A massive global solar boom is disrupting
  • energy markets and speeding the transition
  • Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems ISE: Photovoltaics at multiterawatt scale: Waiting is not an option
  • Bundesverband Solarwirtschaft e.V.: Photovoltaik boomt zweistellig im 7. Jahr & Solarbatterie-Nachfrage wächst auch 2023 exponentiell
  • Spiegel Wirtschaft: Windkraft liefert mehr als ein Terawatt
Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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