Dürre in Sizilien, Waldbrände vor Athen und hunderte Hitzetote – die Folgen des Klimawandels sind in Südeuropa deutlich zu sehen. Können wir im Sommer überhaupt noch nach Südeuropa reisen?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Aperol Spritz am Strand trinken, Pasta in romantischen Gassen essen, mit einem Eis auf der Piazza sitzen und dazu italienische Songs hören: Italien wird als Reiseziel der Deutschen oft stark romantisiert. Das Motto lautet: La Dolce Vita! Also: das süsse Leben.

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Ich habe in meiner Kindheit oft meine italienische Familie in Rom besucht und der Hochsommer war dort alles andere als romantisch. Die Stadt war unerträglich heiss, sodass man den Spielplatz erst abends besuchen konnte, und die Wohnung meiner italienischen Grosseltern war den ganzen Sommer über verdunkelt, damit sie kühl blieb. Für uns stand fest: Man bleibt im Hochsommer entweder die meiste Zeit in der dunklen Wohnung oder man fährt ans Meer.

Dürre, Waldbrände, Hitze in Südeuropa

Doch mit der Abkühlung sieht es selbst am Mittelmeer derzeit schlecht aus. Seit Wochen ist es in Italien extrem heiss. Die Wassertemperatur beträgt an einigen Orten momentan bis zu 30 Grad Celsius – fast schon Badewannentemperatur. In einigen Regionen Italiens, wie zum Beispiel auf Sizilien, herrscht extreme Dürre, mit Wassermangel und hoher Waldbrandgefahr.

Ähnlich sieht es in Kroatien, Spanien oder Griechenland aus. Mitte August wüteten die bisher grössten Waldbrände des Jahres in der Nähe von Athen. Kein Wunder: Nach dem wärmsten Winter in der Geschichte des Landes und dem heissesten Juni und Juli seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1960 ist Griechenland besonders anfällig für Waldbrände.

47.000 Hitzetote in Europa

Und die Hitze kann gefährlich für uns Menschen sein: Eine aktuelle Studie des Barcelona Institute für Global Health zeigt, dass im Jahr 2023 schätzungsweise 47.000 Menschen in Europa infolge extremer Hitze gestorben sind. Die höchsten Sterblichkeitsraten wurden in Südeuropa verzeichnet, insbesondere in Griechenland (393 Todesfälle pro Million Einwohner), Bulgarien (229 pro Millionen Einwohner), Italien (209 pro Million Einwohner), Spanien (175 pro Million Einwohner), Zypern (167 pro Million Einwohner) und Portugal (136 pro Million Einwohner).

Die Situation in Südeuropa wird sich mit dem voranschreitenden Klimawandel nur weiter verschärfen. Der Weltklimarat IPCC bezeichnet den Mittelmeerraum sogar als "Hotspot des Klimawandels", in dem extreme Wetterereignisse bereits um 20 Prozent zugenommen haben. Klingt nicht gerade nach La Dolce Vita.

Für viele Menschen, auch für mich, stellt sich verständlicherweise die Frage: Können wir im Sommerurlaub überhaupt noch nach Südeuropa fahren? Klar, wer will schon bei 40 Grad Celsius die Akropolis besichtigen, aus dem Hotel wegen eines Waldbrandes oder einer Überschwemmung evakuiert werden oder nur abends nach draussen gehen können, weil es tagsüber schlichtweg zu heiss ist?

Für diesen Sommer heisst es für mich daher auch: Berlin statt Italien - das ist mir schon heiss genug. Ich bleibe hier, arbeite und verbringe die Wochenenden auf der Havel. Meinen Urlaub in Südeuropa habe ich dieses Jahr auf den Mai vorverlegt – der Vorteil eines freiberuflichen Lebens ohne Kinder. Ich weiss: Viele haben diese Flexibilität nicht.

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Neuer Trend: Skandinavien statt Italien

Doch auch immer mehr Sommerurlauber ziehen Konsequenzen. Eine Studie der Europäischen Union hat analysiert, wie aktuelle klimatische Bedingungen die Touristenströme beeinflussen. Das Ergebnis: Je stärker das Klima in Südeuropa aufheizt, desto mehr Urlaubende zieht es im Sommer künftig in kühlere Regionen wie Skandinavien.

Auch die staatliche italienische Tourismusorganisation Enit hat Anfang des Jahres in einer Studie herausgefunden, dass sich Touristen und Reisende zunehmend über die Klimakrise informieren und stärker auf die Klimainformationen bei ihren Reise- und Urlaubsplänen achten.

Rückgang der Italienurlauber im Sommer

Die Studie erwartet, dass in den Sommermonaten 2024 deutlich weniger ausländische Touristen nach Italien kommen werden – voraussichtlich rund 25 Prozent weniger.

Schon ein Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius könnte künftig in einigen Regionen Italiens zu einem Verlust von 75,4 Millionen Euro im Tourismussektor führen. Bei einer Erwärmung von um die zwei Grad Celsius wird ein Rückgang von etwa 15 Prozent der internationalen Touristen und ein wirtschaftlicher Verlust von etwa 97,2 Millionen Euro erwartet.

Heisst es also jetzt: arrivederci Italien und hej Schweden? Ich denke nicht. Im Sommer flüchten zwar immer mehr Menschen in den kühlen Norden – der Reisetrend hat sogar einen Namen: "Coolcation" – allerdings sind Länder wie Schweden, Finnland oder Dänemark deutlich teurer als die südeuropäischen Urlaubsländer. Und am Ende geht es im Urlaub ja auch um die Kultur, die Geschichte, das Essen, das ganze Flair. Ich persönlich würde jederzeit Italien oder Portugal Schweden vorziehen - nur eben nicht im Sommer.

Übrigens, laut der Enit-Studie werden zwar im Sommer weniger, dafür im Frühjahr und Herbst mehr Leute nach Italien reisen. Also: Italien wird auch weiterhin ein beliebtes Urlaubsziel bleiben, nur eben zu anderen Jahreszeiten.

Klimaschutz in der Region voranbringen

Fest steht: Hotels, Reiseveranstalter und Städte müssen die Klimakrise ernst nehmen und sich um Klimaanpassung und -schutz kümmern. Das empfehlen auch die Autoren der Enit-Studie. Ein Vorbild ist zum Beispiel Valencia: Die spanische Stadt hat in den vergangenen Jahren kilometerlange Grünflächen angelegt, die für Abkühlung sorgen, und die Altstadt autofrei gemacht. In der Innenstadt gilt jetzt ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde, und das Fahrradnetz wurde ausgebaut. Das Ziel: In sechs Jahren soll Valencia klimaneutral sein.

Die Forschenden, die sich mit den Hitzetoten im vergangenen Jahr befasst haben, haben auch untersucht, wie sich die europäischen Länder bisher an den Klimawandel angepasst haben, zum Beispiel durch besseren Hitzeschutz bei der Arbeit und in Gebäuden, Verbesserungen im Gesundheitswesen und bessere Frühwarnsysteme. Das Ergebnis: Ohne diese Massnahmen wären 2023 rund 80 Prozent mehr Menschen an der Hitze gestorben – bei den über 80-Jährigen sogar doppelt so viele.

Das zeigt deutlich: In Anpassungsmassnahmen und Klimaschutz zu investieren, lohnt sich. Dann können wir vielleicht auch in Zukunft La Dolce Vita mit einem Aperol Spritz am Strand geniessen.

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