Forscher sind in grosser Sorge: Die Eisbären-Population in Kanada droht in den nächsten Jahren zu schwinden. Eine neue Studie hat ergeben, dass die eisfreie Zeit in dem Gebiet deutlich früher beginnt. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Mehr zum Thema Klimakrise

Die Hudson Bay im Nordosten von Kanada ist für Eisbären ein wichtiger Lebensraum: Während der langen Wintermonate machen sie in der zugefrorenen Bucht Jagd auf Robben. Der Klimawandel hat die eisfreie Zeit in der Hudson Bay jedoch bereits deutlich verlängertund dürfte den Eisbären künftig noch stärker zu schaffen machen, so das Resultat einer Studie im Fachmagazin "Communications Earth & Environment". Die Forschenden um Julienne Stroeve von der University of Manitoba in Winnipeg warnen davor, dass eine Erderwärmung um mehr als zwei Grad Celsius die Eisbären-Population in grossen Teilen der Region bedrohen werde.

Auf der zugefrorenen Meeresbucht im Nordosten Kanadas bringen Robben im Frühjahr ihre Jungtiere zur Welt. Die Eisbären gehen auf dem Meereis auf die Jagd nach den Säugetieren und fressen sich genug Speck an, um die eisfreien Monate zu überstehen. In der eisfreien Zeit ziehen sich die Bären an Land zurück und zehren überwiegend von ihren Fettreserven. Pro Tag ohne Nahrungszufuhr verliert ein ausgewachsener Eisbär den Forschern zufolge etwa ein bis zwei Kilo Körpergewicht.

Eisfreie Zeit hat sich seit den 80er-Jahren um einen Monat verlängert

Bis Ende der 1980er-Jahre dauerte die eisfreie Zeit in der Hudson Bay den Forschern zufolge durchschnittlich rund 120 Tage. In den vergangenen zehn Jahren war die eisfreie Periode demnach bereits 24 bis 34 Tage länger als in den 80ern.

Anhand der Daten von 20 Meereis-Modellen hat das Team nun die Entwicklung des Meereises in der westlichen und südlichen Hudson Bay abhängig von der globalen Erderwärmung berechnet. Dabei nahm es an, dass ein ausgewachsener, männlicher Eisbär eine Eisdicke von mindestens zehn Zentimetern benötigt, um auf Robbenjagd gehen zu können.

Das Forschungsteam geht davon aus, dass männliche Eisbären eine eisfreie Zeit in der Hudson Bay von 183 bis 218 Tagendas entspricht den Angaben zufolge etwa 165 bis 200 Fastentagenüberleben können, ohne zu verhungern. Die Grenze von 183 eisfreien Tagen werde voraussichtlich bei einer Erderwärmung von 2,1 Grad Celsius im südlichen Teil der Bucht beziehungsweise 2,6 Grad im westlichen Teil überschritten. Im Klimaschutzabkommen von Paris haben sich die Staaten darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Gradbesser auf 1,5 Gradzu begrenzen.

"Wenn es uns nicht gelingt, die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, werden wir die Eisbären-Populationen der Hudson Bay verlieren."

Forscherin Julienne Stroeve

Die Autorinnen und Autoren schätzen ausserdem, dass die saisonale Eisschmelze künftig bereits früher im Jahr stattfinden wird. Dies könnte den Fortpflanzungserfolg der Bären beeinträchtigen: Die Aufzuchtzeit für die Jungen, die normalerweise zwischen November und Januar geboren werden, verkürze sich.

"Wenn es uns nicht gelingt, die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, werden wir die Eisbären-Populationen der Hudson Bay verlieren", sagte Erstautorin Stroeve laut einer Mitteilung der Umweltorganisation Polar Bears International. Das Verschwinden der Eisbären in der südlichen Hudson Bay stehe unmittelbar bevor, und die westliche Hudson Bay sei nicht weit davon entfernt. "Unsere Forschung unterstreicht die raschen Veränderungen, die der Mensch unserem Klima zufügt", ergänzte die Polarklimaforscherin.

Der Forschungsbericht befasst sich neben der Eisdicke auch mit dem Schneefall in der Region und stellt einen Zusammenhang zwischen der Schneemenge und dem Überleben von Ringelrobben her. Regen nehme gegenüber Schneefall zu. Das verringere die Überlebenschancen des Robben-Nachwuchses, da Ringelrobben Höhlen für ihre Jungtiere in den Schnee graben.

In der Hudson Bay leben nach Angaben des Forscherteams rund 1.700 Eisbären. Den weltweiten Bestand schätzt die Gruppe Polar Bears International auf 26.000 Tiere, allerdings ist die Zahl der weltweit lebenden Tiere sehr unsicher. (dpa/mak)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.