Viele Meere heizen sich im Zuge des Klimawandels immer weiter auf. Bei drei Regionen ist das jedoch nicht der Fall. Eine davon ist der Ostpazifik vor der amerikanischen Küste. Und das hat dort gravierende Folgen.
Es ist ein bisschen wie das berühmte gallische Dorf von Asterix und Obelix: Während die ganze Welt unter dem Einfluss der Klimakrise liegt, gibt es einen kleinen Ort, der sich erfolgreich widersetzt. Na gut, ganz so klein ist er nicht, denn die Region im östlichen Pazifik, von der die Rede ist, erstreckt sich über mehrere Tausend Kilometer.
"Kalte Zunge“ nennen Klimaforscher und -forscherinnen den Teil des Meeres, der sich nicht erwärmt oder sogar abkühlt, wenn man den Zeitraum seit 1980 betrachtet. Und streng genommen ist der Ostpazifik auch nur eine von drei Meeresregionen, die das Interesse der Wissenschaft wecken.
Kühlender Effekt des nachströmenden Tiefseewassers
Grundsätzlich sollte die Erderwärmung infolge der Klimakrise nicht nur Atmosphäre und Erdoberfläche, sondern auch die Meere erwärmen. Tatsächlich passiert exakt das fast überall. Südlich von Grönland, im Südmeer und eben im Ostpazifik gibt es jedoch Ausnahmen.
Für die ersten beiden Regionen gibt es eine einfache Erklärung: "Diesen beiden Regionen gemeinsam ist eine vergleichsweise starke Verbindung mit dem tiefen Ozean", erläutert Helge Gössling vom Alfred-Wegener-Institut. "Da sich die Tiefsee nur sehr langsam erwärmt, erfolgt auch die Erwärmung der Oberfläche verzögert."
Etwas Ähnliches könnte sich im östlichen Pazifik abspielen. "Hier schieben die Passatwinde in den Tropen und Subtropen das Oberflächenwasser Richtung Westen, sodass kühleres Wasser aus der Tiefe und aus den mittleren Breiten nachströmt", erklärt Gössling.
Hinzu kommt der Einfluss jenes Wassers, das aus dem ebenfalls noch nicht erwärmten Südozean in den Südostpazifik fliesst. Der Westpazifik hingegen ist weniger von der Tiefsee beeinflusst und reagiert deshalb deutlich schneller auf die wärmende Wirkung der erhöhten Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre.
Oberflächentemperatur unterliegt natürlichen Schwankungen
Die ganze Erklärung könnte jedoch noch komplizierter sein: Klimamodelle zeigen, dass die Oberflächentemperatur des Pazifiks natürlichen Schwankungen unterliegt. Sie passen gut zu den seit 1980 beobachteten Trends. Darin gibt es zwei Effekte:
- zum einen die alle drei bis fünf Jahre erfolgenden Wechsel zwischen dem wärmenden Meeresströmungsphänomen El Niño und dem darauf folgenden kühlenden Wetterphänomen La Niña;
- zum anderen langsamere Schwankungen, die sich über zwei bis drei Jahrzehnte hinziehen, die sogenannte pazifische dekadische Oszillation.
"Jener Teil dieser verzögerten Erwärmung, der auf natürliche Schwankungen zurückgeht, dürfte sich in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten umkehren", berichtet Gössling. Der andere Teil, der mit einer systematischen Verzögerung der Erwärmung – unter anderem durch den Einfluss tieferer Wassermassen – zusammenhängt, werde jedoch zunächst bestehen bleiben und erst in vielen Jahrzehnten bis Jahrhunderten einer gleichmässigeren Erwärmung weichen. Wie gross die jeweiligen Anteile daran sind, dass der Ostpazifik derzeit abkühlt, können Fachleute noch nicht abschätzen.
Gravierende Folgen für die Westküste Amerikas
Für manche in der Klimaforschung kommt die Entwicklung nicht überraschend. Klimamodelle sagen schon länger voraus, dass sich der südliche Ostpazifik im Vergleich zu anderen Regionen der Weltmeere schwächer erwärmt. Befinden sich nun die natürlichen Schwankungen in einer abkühlenden Phase, könnte das die Beobachtung erklären, dass sich diese Region bislang nicht erwärmt hat.
"Es ist aber auch möglich, dass in der Realität noch andere Einflüsse eine Rolle spielen, die in Klimamodellen noch nicht korrekt abgebildet werden", betont Gössling. In diesem Zusammenhang werde zum Beispiel der Einfluss von antarktischem Schmelzwasser diskutiert. Dieses könnte die Erwärmung des Südozeans zusätzlich verzögern und damit, durch die direkte Verbindung zwischen diesen beiden Meeresregionen, auch die Erwärmung des südlichen Ostpazifiks. Ob das so ist, wird derzeit intensiv untersucht.
Was bis hierhin eher nach eine akademischen Frage klingt, hat jedoch gravierende praktische Konsequenzen. Ähnlich wie El Niño und La Niña beeinflusst auch das Phänomen des kühlen Südostpazifiks das regionale Klima rund um diesen Ozean. "Die seit der Jahrtausendwende anhaltende Dürre im Südwesten Nordamerikas und entlang der Pazifikküste Südamerikas steht wahrscheinlich damit in Zusammenhang", sagt Gössling. "Auch andere Regionen entlang des Äquators dürften Folgen zu spüren bekommen."
Sollte die Region sich entgegen der Erwartung langfristig der Erwärmung widersetzen oder sogar weiter abkühlen, könnte das sogar die Prognosen der globalen Erwärmung etwas verringern, mutmassen manche US-Forscher. Zum jetzigen Zeitpunkt gilt das aber als hoch spekulativ.
Zur Person:
- Dr. Helge Gössling ist Klimaphysiker am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Zu seinen Forschungsgebieten gehören Wetter- und Klimaextreme.
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