Eine neue Studie zeigt: Seetangwälder speichern mehr CO2 als bislang angenommen. Doch die Wälder der Meere sind durch den Klimawandel zunehmend gefährdet.
Rekordhitze in Indien, Hochwasser in Süddeutschland und ein Allzeithoch der Wassertemperaturen in der Nordsee: In den vergangenen Tagen waren die Folgen des Klimawandels wieder einmal deutlich zu spüren – auch in Deutschland und Österreich.
Fest steht: Wir müssen endlich umsteuern und die CO2-Emissionen drastisch reduzieren, um noch gravierendere Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern. Und nicht nur das.
Wir müssen bis Mitte des Jahrhunderts zusätzlich bis zu neun Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entziehen und langfristig speichern, Stichwort: Carbon Dioxide Removal (CDR). Nur so können wir laut einer aktuellen Studie noch die Pariser Klimaziele erreichen.
Der Ozean ist die grösste natürliche Kohlenstoffsenke
Über CDR-Methoden wird in den Medien immer mehr berichtet. Diese sind etwa riesige "CO2-Staubsauger", die Kohlendioxid aus der Luft saugen können oder Technologien, die Biomasse zur Energieerzeugung nutzen und dabei das freigesetzte CO2 einfangen und dauerhaft speichern.
Doch worüber noch immer zu wenig gesprochen wird, sind die natürlichen Kohlenstoffsenken. Dazu gehören etwa Moore, der Boden, Wälder - und der Ozean, die grösste natürliche Kohlenstoffsenke der Welt. Er nimmt rund 25 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen auf.
Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des deutschen Helmholtz-Zentrums Hereon, hat herausgefunden, dass Seetangwälder eine enorm grosse Rolle bei der Speicherung von Kohlenstoff in den Meeren spielen.
Diese Wälder in den Uferzonen von Meeren bestehen hauptsächlich aus grossen braunen Makroalgen wie Kelp. Die Algen können bis zu 30 Meter hoch sein. In Europa wachsen die grössten Algenwälder vor den Küsten Norwegens, Islands und Grönlands. In der Nordsee kommen die Seetangwälder in der Deutschen Bucht bei Helgoland und in der Ostsee, unter anderem im Biosphärenreservat Südost-Rügen, vor.
Die dichten Unterwasserwälder sind wahre Hotspots der marinen Artenvielfalt und werden daher auch oft als "Regenwälder der Meere" bezeichnet.
Seetangwälder tragen wesentlich zur Kohlenstoffspeicherung im Meer bei
Die Seetangwälder können Kohlenstoff aufnehmen und in ihrer Biomasse speichern, also im gesamten organischen Material, das in den Seetangpflanzen vorhanden ist, einschliesslich Blätter, Stängel und Wurzeln. Wenn Teile des Seetangs absterben oder abbrechen, sinken sie in die Tiefsee, wo der Kohlenstoff dauerhaft gespeichert wird.
Die Forschenden der Studie haben nun herausgefunden, dass eben diese Algenwälder weltweit jährlich rund 56 Millionen Tonnen Kohlenstoff in die Tiefsee transportieren. Der Kohlenstoff, der von den Algen unterhalb von 200 Metern Tiefe gebracht wird, soll dabei etwa drei bis vier Prozent der gesamten Kohlenstoffsenke aller Ozeane ausmachen.
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Bislang wurde die Rolle von Seetangwäldern bei der Kohlenstoffbindung und dem sogenannten "Kohlenstoffexport" aus den Ozeanen laut der Forschenden nicht vollständig verstanden. Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen jetzt deutlich: Die braunen, glitschigen Seetangwälder könnten eine viel grössere Rolle in der Kohlenstoffspeicherung im Meer spielen, als bisher angenommen wurde.
Und damit nicht genug: Seetangwälder sind auch ein extrem wichtiger Lebensraum für viele verschiedene Fische, Krebse und Würmer. Bereits der berühmte Naturforscher Charles Darwin bemerkte die riesigen Kelp-Wälder, die die Inseln umringten, als er 1835 zu den Galapagos-Inseln reiste. Er war der Meinung, dass, wenn diese Wälder zerstört würden, eine beträchtliche Anzahl von Arten verloren ginge. Und damit er hat er recht.
Seetangwälder durch Überfischung und Klimawandel gefährdet
Denn die wichtigen Seetangwälder sind zunehmend gefährdet und der Mensch ist leider erneut dafür verantwortlich. Durch Überfischung und auch durch unseren enorm hohen CO2-Ausstoss, mit dem wir die Ozeane immer weiter erwärmen, stören wir diese wichtigen Ökosysteme. Seit Monaten sind die Ozeane viel zu warm – und das setzt den Unterwasserwäldern zu, da sie sehr empfindlich auf hohe Temperaturen reagieren.
Und die Auswirkungen sind dramatisch: An der Ostküste von Tasmanien sind beispielsweise seit den 50er-Jahren rund 95 Prozent der Algenwälder bereits verschwunden.
Wiederaufforstung der Seetangwälder
Es gibt immer mehr Projekte, die an der Wiederaufforstung der Seetangwälder arbeiten. In einer Studie zu Seetangwäldern vor der Küste der Mittelmeerinsel Menorca haben Forschende den Effekt von zehn Jahren Schutz und Wiederherstellung untersucht.
Das Ergebnis der Studie: Die Seetangwälder, die wiederaufgeforstet wurden, sind nach zehn Jahren artenreicher und widerstandsfähiger als Gebiete, die einfach sich selbst überlassen wurden. Ein entscheidender Vorteil ist das schnelle Wachstum: Seetang wächst bis zu einem Meter pro Tag.
Die wichtigste Massnahme zum Schutz der Seetangwälder ist nach wie vor die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, damit die Oberflächentemperaturen der Ozeane nicht weiter steigen.
Statt uns vor allem auf teure Technologien zur Kohlenstoffspeicherung zu fokussieren, wäre es doch sinnvoll, zunächst die wichtigen natürlichen Kohlenstoffsenken zu schützen, die wir bereits haben - wie die Seetangwälder. Denn am Ende hilft uns keine noch so teure Technik, wenn wir wichtige Ökosysteme für immer zerstört haben.
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Verwendete Quellen
- Alfred-Wegener-Institut: Temperaturrekord in der Nordsee: Auch die Deutsche Bucht ist so warm wie noch nie
- Studie: The State of Carbon Dioxide Removal — Edition 2
- Helmholtz Climate Initiative: Ensuring responsible research on ocean-based CO2 removal
- Nature Geoscience: Carbon export from seaweed forests to deep ocean sinks
- Royal Society Publishing: Giant kelp, Macrocystis pyrifera, increases faunal diversity through physical engineering
- UC Santa Barbara: A Lesson from Darwin
- ABC: Giant kelp forests on Tasman Peninsula survive marine heatwave, brings 'hope' amid climate change
- Frontiers: Addressing marine restoration success: evidence of species and functional diversity recovery in a ten-year restored macroalgal forest
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