Waldumbau gilt in der Klimakrise als Gebot der Stunde, doch laut Forschern droht der Forstwirtschaft ein Engpass. Denn kaum noch eine Baumart ist überhaupt geeignet. Nur wenige in Europa sind flexibel genug, um den rasanten Klimawandel zu überstehen.

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Hänge voller toter Fichten in deutschen Mittelgebirgen machen allzu deutlich: Die Klimakrise zwingt zum Waldumbau. Projekte gibt es in Europa etliche. Eine neue Studie zeigt: Die Zahl dafür geeigneter heimischer Baumarten schrumpft. Zwischen einem Drittel und der Hälfte könnten den Klimabedingungen zum Ende des Jahrhunderts je nach Region nicht mehr gewachsen sein.

"Das ist ein enormer Rückgang", sagt Erstautor Johannes Wessely von der Universität Wien, "insbesondere, wenn man bedenkt, dass nur ein Teil der Arten forstwirtschaftlich interessant ist".

Monokulturen sind besonders anfällig für Waldsterben

Die Baumsterblichkeit habe in den vergangenen drei Jahrzehnten in Europa bereits stark zugenommen, schreibt das Forschungsteam im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution". Der errechnete Arten-Engpass werde es erschweren, dem drohenden Waldverlust entgegenzuwirken - gerade mit Blick auf die Schaffung von Mischwäldern, die als besonders resilient gegenüber Störungen angesehen werden und darum als wichtige Anpassungsstrategie in der Forstwirtschaft gelten.

In Deutschland sind laut Bundeswaldinventur 2012 gut elf Millionen Hektar bewaldet, etwa ein Drittel der Landesfläche. Fast die Hälfte des Waldes in Deutschland ist in Privatbesitz. Die häufigsten Baumarten sind Fichte und Kiefer, weil im Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein viele natürliche Wälder kahlgeschlagen und mit diesen schnell wachsenden Baumarten aufgeforstet wurden.

Diese Monokulturen erweisen sich heute als besonders anfällig für Veränderungen im Zuge des Klimawandels wie mehr langanhaltende Trockenphasen, Hitze, häufigere Waldbrände, intensivere Herbststürme und Schädlinge wie den Borkenkäfer. Im Harz stehen ähnlich wie im Sauerland in einigen Gebieten kaum noch gesunde Bäume. Touristen stapfen unter gespenstisch wirkenden Fichtengerippen hoch auf den Brocken, den höchsten Berg im Harz.

Brocken
Schierke in Sachsen-Anhalt: Zahlreiche Baumstämme liegen im Februar 2024 in einem Waldgebiet am Brocken. © picture alliance / Hauke-Christian Dittrich

Wahl der Baumart bei Aufforstung ist das A und O

Ein Waldumbau hin zu Mischwald ist in vielen betroffenen Regionen das Ziel. Die Wahl der Baumarten dafür sei eine der wichtigsten Management-Entscheidungen in der Forstwirtschaft, geben die Forscher um Wessely und Rupert Seidl von der Technischen Universität München zu bedenken. Bäume sind langlebig, Entscheidungen wirken sich daher über viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte aus.

"Bäume, die jetzt zur Wiederaufforstung gepflanzt werden, müssen sowohl unter heutigen wie auch zukünftigen Bedingungen bestehen."

Johannes Wessely von der Universität Wien

"Bäume, die jetzt zur Wiederaufforstung gepflanzt werden, müssen sowohl unter heutigen als auch zukünftigen Bedingungen bestehen", erklärt Wessely. "Das ist deshalb schwierig, weil sie sowohl Kälte und Frost der nächsten Jahre wie auch einem deutlich wärmeren Klima Ende des 21. Jahrhunderts standhalten müssen. Da bleibt nur eine sehr kleine Schnittmenge."

Ein Grundproblem ist, dass europäische Wälder von Natur aus weniger Baumarten beherbergen als solche in klimatisch vergleichbaren Gebieten Nordamerikas und Ostasiens. Der Klimawandel schränkt diesen Artenpool nun noch stärker ein, wie die aktuelle Studie ergab.

Engpass an verwendbaren Bäumen in Europa für die Zukunft

Das Forschungsteam um Wessely und Seidl hatte die derzeitige Verbreitung von 69 der knapp über 100 europäischen Baumarten mit Daten von mehr als 238.000 Standorten in Europa untersucht. Für die einzelnen Regionen wurde für verschiedene Klimawandel-Szenarien modelliert, welche Baumarten über das gesamte 21. Jahrhundert für eine Aufforstung geeignet bleiben.

Die durchschnittliche Zahl verwendbarer heimischer Baumarten pro Quadratkilometer könnte demnach zwischen 33 und 49 Prozent abnehmen. Mit dem Engpass drohen negative Auswirkungen auf die Holzproduktion, die Kohlenstoffspeicherung und die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Stark schwinden wird den Ergebnissen zufolge beispielsweise der derzeitige Artenpool in Südwesteuropa. Weniger betroffen werde Mittelosteuropa sein.

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Alte Arten müssen einiges aushalten

Auch in den grossen europäischen Gebirgszügen bleibe der Anteil der Baumarten, die derzeit in diesen Gebieten klimatisch geeignet sind und es während des gesamten Jahrhunderts bleiben, vergleichsweise hoch. Der Grund sei wahrscheinlich, dass viele Baumarten in diesen Regionen derzeit an der Grenze ihres tolerablen Kältebereichs stehen – künftig werden die Temperaturbedingungen für sie also eher günstiger.

"Die Eichen dürften noch am ehesten mit der Erwärmung zurückkommen."

Christoph Leuschner, Georg-August-Universität Göttingen

Christoph Leuschner von der Georg-August-Universität Göttingen zufolge dürfte regional in trockeneren Tieflagen selbst der aktuelle Hoffnungsträger der Forstwirtschaft – die Douglasie – an Vitalität verlieren. "Die Eichen dürften noch am ehesten mit der Erwärmung zurückkommen." Aber auch für sie gebe es erhebliche Risiken, zum Beispiel durch mehr Schädlinge und Krankheiten.

Einflüsse wie mehr Insekten und Pilze im Zuge des Klimawandels seien bei den in der Studie vorgestellten Szenarien noch gar nicht umfassend berücksichtigt. "Gravierende Schäden wie heute bei Esche, Schwarzerle oder auch Bergahorn können auch andere Arten treffen, die heute noch die Leistungsträger sind", sagt Leuschner, der selbst nicht an der aktuellen Studie beteiligt war.

Neue Arten könnten Bandbreite geeigneter Arten weiter reduzieren

"Die vergangenen Jahre haben uns doch mehr als deutlich gezeigt, dass klimatischer Stress in vielen Fällen zu einer verstärkten Anfälligkeit gegenüber biotischen Störungsfaktoren führt", sagt auch Henrik Hartmann vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Quedlinburg. Dabei gehe es nicht nur um bekannte Probleme wie den Borkenkäfer oder die Russrindenkrankheit beim Ahorn.

"Globaler Wandel bedeutet ja auch, dass neue Arten eingeschleppt werden – zum Beispiel Eschentriebsterben, Eichennetzwanze – mit oft verheerenden Konsequenzen für bestehende Waldgemeinschaften." Durch solche Einflüsse könnte die Bandbreite geeigneter Baumarten noch stärker reduziert werden, befürchtet Hartmann.

Forscher empfehlen "Waldwende"

Leuschner gibt ergänzend zu bedenken, dass Förster unter "Mischwäldern der Zukunft" keine artenreichen Mischwälder, sondern fast immer Zwei-Art-Mischungen verstünden, in der Regel eine produktive Konifere wie die Douglasie und einen Laubbaum wie die Buche. Stresstolerante Laubbaumarten wie Spitzahorn, Hainbuche, Winterlinde und Elsbeere fehlten in der Waldbauplanung weitestgehend, weil die Holzindustrie komplett auf Nadelholz eingestellt sei. "Hier müsste eine wahre Waldwende ansetzen und die stoffliche Holznutzung auf Laubholz umstellen."

Arthur Gessler von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmensdorf (Schweiz) nimmt noch andere nötige Konsequenzen in den Blick: Die Studie zeige auch, dass über das Pflanzen nicht-heimischer Baumarten gesprochen werden müsse. "Ihr Einsatz könnte das Artenportfolio deutlich erhöhen – aber es muss intensiv abgewogen werden, welche Vor- und welche Nachteile jede neue Baumart mit sich bringt."

Das betont auch Waldökosystem-Experte Andreas Bolte vom Thünen-Institut in Eberswalde, der wie Gessler, Leuschner und Hartmann nicht an der Studie beteiligt war. Vielfach werde die Annahme propagiert, dass eine Waldanpassung auf natürlichem Weg, ohne nicht-heimische Baumarten, möglich sei. "Dies ist nun durch die Studie infrage gestellt."

"Die Studie zeigt in aller Deutlichkeit, dass einige der für uns heimischen Baumarten es in Zukunft nicht mehr sein werden."

Henrik Hartmann, Julius Kühn-Institut (JKI) in Quedlinburg

In der Summe gehen die Experten davon aus, dass die Studie die Folgen der Klimakrise eher noch unterschätzt. "Es ist schon erstaunlich, dass viele immer noch davon ausgehen, den Wald in seiner jetzigen Form und Zusammenstellung bei sich gleichzeitig rasch und dramatisch veränderten klimatischen Bedingungen erhalten zu können oder zu wollen", sagt Hartmann. "Die Studie zeigt in aller Deutlichkeit, dass einige der für uns heimischen Baumarten es in Zukunft nicht mehr sein werden." (Annett Stein, dpa/sbi)

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