Flugzeuge hinterlassen Kondensstreifen am Himmel. Doch Verschwörungstheoretiker glauben: Bei den Abgaswolken handelt es sich in Wahrheit um Chemiewolken, so genannte Chemtrails.
"Auch wenn es mit dem gesunden Menschenverstand kaum zu fassen ist: Wir werden im Zuge der künstlichen Wolkenerzeugung bereits seit vielen Jahren mit einem Mix aus chemischen Feinstäuben besprüht!", heisst es aufgeregt auf der Webseite "Sauberer Himmel".
Die Bürgerinitiative ist längst nicht die einzige, die von einem gigantischen, geheimen Komplott überzeugt ist.
Denn eine der meistverbreiteten Verschwörungstheorien im Internet befasst sich mit den Kondensstreifen, die Flugzeuge am Himmel hinterlassen. Die Anhänger sind sicher: Dabei handelt es sich nicht nur um die kondensierten Abgase von Fliegern.
In Wahrheit seien darunter Chemikalien gemischt, die ganz bewusst freigesetzt werden. Die nennen sie Chemtrails. In der Wortschöpfung stecken das deutsche Wort Chemikalien und der englische Begriff Contrails, übersetzt Kondensstreifen.
Die sollen aus Feinstaub bestehen, vor allem Aluminium und Barium, aber auch feinen Kunststofffäden sowie anderen chemischen Substanzen.
Versteckte Klappen an Flugzeugen
Diese Chemtrails werden angeblich seit Mitte der 1990er-Jahre von Regierungen oder Unternehmen systematisch erzeugt. Ihr Ziel: wahlweise die Bevölkerung und das Wetter manipulieren, oder das Weltgeschehen beeinflussen.
Mit unter ihrer Decke stecken die Airlines, deren Flugzeuge die Gifte versprühen. Die Vorrichtungen dazu befinden sich hinter versteckten Klappen an der Unterseite der Maschinen.
Für die Anhänger der Chemtrails-Theorie sind es Tatsachen: Ist es nicht so, dass es im Vergleich zu früher immer mehr Kondensstreifen gibt? Und nehmen sie nicht oft sehr merkwürdige Formen an?
Die Verschwörungstheoretiker beobachten den Himmel genau: Nach den Tagen, an denen die Chemikalien besonders häufig versprüht wurden, ist es am Himmel einige Tage lang ungewöhnlich trübe.
In ihren Blogs, auf Webseiten oder auf Facebook veröffentlichen und sammeln sie unzählige Bilder von angeblichen Chemtrails und skurrilen Formen.
Keine wissenschaftlichen Beweise – aber egal
Wissenschaftliche Beweise für solche Manipulationen mit Chemikalien gibt es keine. Das haben auch Meteorologen, Forscher oder Behörden vielfach erklärt, etwa das Umweltbundesamt, der Deutsche Wetterdienst, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Greenpeace.
Die Anhänger glauben trotzdem daran – oder vielleicht sogar gerade deshalb. Denn dass die Behörden dementieren, ist klar: Sie sind ja Teil der grossen Verschwörung.
"Das Versprühen (...) ist in allen betroffenen Ländern zum Staatsgeheimnis erklärt worden", behauptet die Bürgerinitiative "Sauberer Himmel". Das Misstrauen in die etablierten Medien ist riesig, denn auch die verschweigen ja die vermeintliche Wahrheit.
Chemtrails verursachen Alzheimer
Aber Chemtrails sind nicht nur streng geheim, sondern auch noch sehr gefährlich. "Denn fragen Sie sich auch, warum immer mehr Menschen über chronischen Husten, Müdigkeit und Allergien klagen?
Warum neurologische Krankheiten wie Alzheimer dramatisch zunehmen?" Die "Saubere Luft" weiss die Antwort: Chemtrails sind schuld.
Was die Regierungen mit den versprühten Chemikalien anstellen können, ist laut Verschwörungstheorie nahezu grenzenlos. Wir alle werden manipuliert - nur wie genau, darüber sind sich die Chemtrails-Gläubigen nicht einig.
Wurde bei der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 aus der Luft eine gute Stimmung in Deutschland erzeugt? Können durch sie mit Hilfe der CIA die Gedanken einzelner Menschen beeinflusst werden?
Wird mit ihnen das Bevölkerungswachstum eingedämmt, weil die Stoffe die Zeugungsfähigkeit der Bevölkerung senken? Oder wird ganz gezielt der pH-Wert des Bodens manipuliert, damit normales Saatgut nicht mehr genutzt werden kann?
Grosskonzerne stecken dahinter
Dahinter stecken dann Grosskonzerne, die genmanipuliertes Saatgut bereithalten.
Andere spekulieren über weltumspannende Geheimpläne: Die Stoffe aus der Luft beschleunigten demnach den Klimawandel. Als Folge sollen Flüchtlinge aus warmen Ländern nach Europa kommen - und sich hier wohler fühlen.
Sehr oft wird die Existenz von Chemtrails auch von rechtsesoterischen Verschwörungstheoretikern behauptet. Die NPD stellte bereits in Landtagen Anfragen zum Thema.
Dabei ist die Erklärung für die Streifen am Himmel und ihre Zunahme eigentlich ganz einfach: Es sind tatsächlich mehr Spuren zu sehen als noch vor 30 Jahren. Das liegt aber an der deutlichen Zunahme des Luftverkehrs in dieser Zeit.
Und warum sehen sie manchmal so bizarr aus? In der feuchten Luft verdunsten die Abgase der Flieger nicht, sondern bleiben als Streifen aus Dampf sichtbar.
Der Wind und die feuchte Luft sorgen dafür, dass die Spuren zerfasern, gross werden und seltsame Formen annehmen.
Wetter künstlich verändern
Übrigens gibt es tatsächlich Versuche, das Wetter künstlich zu verändern - das hat aber mit Chemtrails nichts zu tun. Beim "Hagelfliegen" schiessen kleinere Flugzeuge eine Mischung aus Silberjodid und Aceton in die Nähe von Gewitterwolken.
So soll es etwa vor Grossereignissen früher abregnen. Ob das allerdings wirklich klappt, ist umstritten. Und Wissenschaftler denken darüber nach, den Klimawandel mit Hilfe von künstlichem Dunst zu bremsen.
Beim sogenannten Geo-Engineering soll eine Art Schutzschild um die Erde gelegt werden. Dass das funktionieren könnte, hat aber noch niemand bewiesen, es handelt sich lediglich um Überlegungen.
Die Chemtrails-Gläubigen sind allerdings ganz sicher, dass sie Recht haben. Das musste auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) erfahren, als er bei Facebook über angebliche Chemtrails spottete.
Sofort wurde der Politiker als Lügner bezeichnet, er soll auch mit "denen" unter einer Decke stecken.
Ramelow konterte mit Sarkasmus und schrieb: Ausserirdische hätten seinen Hund entführt und ihn gezwungen, über Chemtrails herzuziehen.
Rätseln und Gruseln: Mysteriöse Geschichten und Verschwörungen
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