• Sie vergiftete drei ihrer Ehemänner, ihre gesamte Familie sowie zahlreiche Personen in ihrem Umfeld: 1831 wurde die Bremerin Gesche Gottfried öffentlich hingerichtet.
  • Ihre Motive liegen bis heute im Dunkeln.
  • Nun hat sich eine Filmproduktion des Lebens der deutschen Serienmörderin angenommen.

Mehr Wissensthemen finden Sie hier

Margarethe „Gesche“ Gottfried, geborene Timm, kam 1785 in Bremen zur Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Ein gesellschaftlicher Aufstieg gelang ihr, als sie 1806 den Sattlermeister Johann Miltenberg heiratete.

Damit gehörte Gesche nun zum besseren Teil der Bremer Gesellschaft. Die Ehe war jedoch alles andere als glücklich, Johann Miltenberg verbrachte viel Zeit in Wirtshäusern und Bordellen, verprasste viel Geld.

Von ihrer Mutter hatte Gesche einmal sogenannte "Mäusebutter" erhalten. Dabei handelte es sich um eine Mischung aus Schmalz und dem giftigen Arsen, die man zur Bekämpfung von Mäusen einsetzte.

Dieses Gift nutzte Gesche 1813 schliesslich, um sich ihres Gatten zu entledigen. Nach der Tat blieb sie mit den gemeinsamen Kindern im Haus ihres verstorbenen Ehemanns.

Eine Frau tötet ihre gesamte Familie

Der Mord an ihrem Ehemann war allerdings nicht ihr einziger: Zwei Jahre später ermordete sie mit dem Gift ihre kranke Mutter, es folgten 1815 in kurzen Abständen ihre beiden Töchter, ihr Sohn und ihr eigener Vater, zuletzt 1816 ihr aus den Befreiungskriegen heimgekehrter Zwillingsbruder.

1817 ging Gesche die nächste Ehe mit dem Weinhändler Michael Christoph Gottfried ein, den sie schliesslich auch vergiftete. Nur wenige Wochen nach seinem Tod kam das gemeinsame Kind zur Welt – allerdings als Totgeburt.

Die Bremer Bürger empfanden Gesche gegenüber Mitleid, da sie in kurzer Zeit sämtliche Angehörigen verloren hatte. Sie wurde sogar als "Engel von Bremen" bezeichnet, da sie sich um die Familienmitglieder bis zu deren Tod, so die Wahrnehmung, sehr liebevoll gekümmert hatte.

Der Vorrat an Mäusebutter war inzwischen aufgebraucht und so kehrte nun mehr oder weniger Ruhe in Gesches Leben ein. Inzwischen hatte sie aber immer wieder mit Geldsorgen zu kämpfen, sodass sie sich schliesslich dazu entschloss, ihr Haus zu vermieten und sich stattdessen in der Nähe einige Zimmer zu nehmen.

Ihre Geldprobleme fielen in ihrem Umfeld gar nicht auf, denn es war Gesche gelungen, nach aussen hin stets vermögend aufzutreten.

Fortsetzung der Morde nach sechs Jahren

1823 kam es dann für sie zur dritten Ehe mit dem Modewarenhändler Paul Thomas Zimmermann. Zur selben Zeit war sie in der Zeitung auf eine Anzeige für Mäusebutter gestossen. Von einer Freundin liess sie sich diese aus der Apotheke besorgen.

Gesches erstes Opfer damit wurde im selben Jahr ihr Ehemann. Danach verteilte sie im eigenen Lebensumfeld kleinere, allerdings nicht tödliche Giftgaben. 1825 tötete sie eine befreundete Musiklehrerin, im selben Jahr ihren Nachbarn.

Was genau sie dazu bewogen hatte, sechs Jahre nach der ersten Mordserie eine zweite zu starten, lässt sich nicht genau sagen. "Ein Psychologe hatte es mir mal mit aller Vorsicht so zu erklären versucht, dass sie wohl nie die Morde an ihren Kindern und ihren Eltern hat verarbeiten können und sich daraus diese zweite Mordserie entwickelte", meint Schriftsteller Peer Meter, der sich seit langem mit der Biografie der Gesche Gottfried beschäftigt und am Drehbuch zum kürzlich erschienenen Film "Effigie – Das Gift und die Stadt" mitgeschrieben hat, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ihre Geldsorgen nötigten Gesche, ihr Haus zu verkaufen. Es ging in den Besitz des Radmachermeisters Johann Christoph Rumpff und dessen Gattin Wilhelmine über. Gesche besass aber ein Wohnrecht, lebte mit der Familie Rumpff fortan unter einem Dach.

Auch gegen diese setzte sie Gift ein, 1826 starb, kurz nach der Geburt eines Kindes, die Gattin. Danach beging Gesche eine ganze Reihe weiterer und wahllos erscheinender Vergiftungen, die alle nicht tödlich waren.

1827 tötete Gesche schliesslich ihre Freundin Beta und deren erst drei Jahre alte Tochter – wohlgemerkt eben jene Freundin, welche ihr vor Jahren die Mäusebutter aus der Apotheke besorgt hatte.

Im selben Jahr ereignete sich schliesslich der letzte Mord, nämlich an dem bei der Kavallerie von Hannover beschäftigten Beschlagmeister Friedrich Kleine. Diesem hatte sie eine Summe von 800 Talern geschuldet.

Spätes Handeln trotz vieler Hinweise

Ihre Machenschaften wurden erst 1828 aufgedeckt. Der Hausbesitzer Rumpff hatte in seinem Essen seltsame weisse Substanzen gefunden, war misstrauisch geworden und liess sie schliesslich untersuchen, wodurch sich herausstellte, dass es Arsen war.

Dass man Gesches Taten erst jetzt erkannte, hält Meter für sehr beachtlich: "Die Giftmordserie hätte aufgrund zahlreicher Hinweise aus dem Umfeld Gesche Gottfrieds bereits Jahre vor ihrer Verhaftung aufgedeckt werden müssen", ist er überzeugt. "Hinzu kommt, dass im Jahr vor ihrer Verhaftung mehrmals Mäusebutter an von ihr zubereiteten Speisen gefunden wurde.

Diese 'schmierige Masse' wurde unbegreiflicher Weise nicht weiter untersucht, sondern weggeworfen." Meter fand in den Prozess-Akten auch Hinweise darauf, dass das Bremer Bürgertum versucht hatte, eine gewisse Mitverantwortung an diesen Taten zu verschleiern.

Am Abend des 6. März wurde Gesche Gottfried festgenommen und verbrachte fast drei Jahre in Untersuchungshaft. In den Verhören gestand sie 15 Morde sowie zahlreiche Vergiftungen. Genaue Aussagen, die hilfreich gewesen wären, die Motive für die Taten zu verstehen, machte sie jedoch nicht.

Auf ihre Zeitgenossen machte sie einen sehr verwirrten Eindruck. Obwohl in ihrem Fall eine vorliegende seelische Störung nicht grundsätzlich ausgeschlossen wurde, lautete das Urteil schliesslich Tod durch das Schwert. Die Hinrichtung – die letzte öffentliche in Bremen – wurde am Morgen des 21. April 1831 auf dem Bremer Domplatz vor zahlreichen Zuschauern vollzogen.

Seelische Nöte oder niedere Motive?

Bis heute ist die Frage nach den Motiven von Gesche Gottfrieds Handeln ungeklärt. Auf den ersten Blick erscheint es durchaus möglich, dass manche Taten aus einer inneren Not heraus, andere aus materiellen Gründen geschehen waren.

Es erklärt jedoch nicht, weshalb sie auch Freunde und Familienmitglieder tötete. Hinzu kommt, dass sie auch eine ganze Reihe von Personen mit Gift angriff, ohne diese töten zu wollen. "Dass Gesche Gottfried eine schwerst psychisch kranke Frau war, steht ausser Frage", meint Drehbuchautor Meter.

Hierin liegt wohl auch der Grund, dass der Fall Gesche Gottfried spätere Generationen weiterhin faszinierte. 140 Jahre nach ihrer Hinrichtung nahm sich der deutsche Regisseur Rainer Werner Fassbinder des Themas an.

Im Theaterstück "Bremer Freiheit" stellte er die historische Person als selbstbewusste junge Frau dar, die sich in einem Konflikt mit den Regeln der damaligen Gesellschaft befand. Nur durch den Mord, so Fassbinders Deutung, sei es ihr möglich gewesen, sich in der damaligen, von Männern beherrschten Gesellschaft sowohl zu behaupten als auch sich selbst zu verwirklichen.

Trailer: "Effigie – Das Gift und die Stadt"

True Crime in historischem Gewand: Nach einer wahren Begebenheit und anhand von Original-Gerichtsakten erzählt der Film die Geschichte von Gesche Gottfried, die als "Engel von Bremen" und erste jemals identifizierte Serienmörderin gruselige Berühmtheit erlangte. Zwischen 1813 und 1827 soll sie fünfzehn Menschen, darunter ihre drei kleinen Kinder, Eltern, den Zwillingsbruder, Ehemänner sowie Freunde und Nachbarn, ermordet haben. "Effigie – Das Gift und die Stadt" sorgt ab dem 20. Januar für Gänsehaut in den deutschen Kinos.

Filmische Umsetzung

Obwohl solche Darstellungen, die historische Begebenheiten modern interpretieren, immer mit Vorsicht betrachtet werden müssen, traf Fassbinder sichtlich den Nerv der Zeit. Sein Stück fand grossen Anklang und wurde bald auch auf zahlreichen anderen Bühnen aufgeführt.

Es folgten im Laufe der Jahre weitere Theaterstücke, Verfilmungen und Aufbereitungen in Form anderer Medien. 2019 wurde das Thema dann von Regisseur Udo Flohr in „Effigie – Das Gift und die Stadt“ nochmals aufgegriffen. Dieser Film, der bereits eine Reihe von Auszeichnungen erhielt, läuft nun seit dem 20. Januar 2022 in deutschen Kinos.

Bei dem Drehbuch, an dem Meter beteiligt war, soll die Dramatik hinter der Person Gesche stärker im Vordergrund stehen: "Mir war besonders wichtig, die Rolle der Frau in der Gesellschaft herauszuarbeiten. Einer Frau blieb es damals versagt, ein eigenständiges Leben zu führen. Sie wurde vielmehr in eine vorgeformte Lebensbahn gezwängt, aus der sie sich nicht befreien konnte."

Entsprechend positiv sieht er Fassbinders damaliges Theaterstück: "Ich sehe ebenfalls in Gesches Handeln so etwas wie einen Aufschrei, was historisch gesehen natürlich nicht zu halten ist. Aber wir haben ja keine Doku gemacht, sondern einen Spielfilm, der freie Interpretationen nicht nur zulässt, sondern nachgerade fordert." In "Effigie" trifft Gesche Gottfried nun auf eine andere ungewöhnliche Frau dieser Zeit, nämlich auf die Gerichtsdienerin Cato Böhmer, die Jura studieren möchte, was Frauen zu dieser Zeit jedoch schwer möglich ist.

Obwohl Gesche Gottfried nicht die einzige Frau ist, die als Serienmörderin berühmt wurde, ist ihr Fall sehr aussergewöhnlich. "Sie steht in der Geschichte der Giftmorde völlig isoliert", bewertet Meter. "Schon die Anzahl ihrer Opfer sprengt alles bisher dagewesene. Dazu kommen dann noch die seltsamen Giftgaben an wenigstens zwanzig Personen in nicht tödlicher Dosis. Ein einmaliger Kriminalfall!"

Über den Experten:

  • Der Schriftsteller Peer Meter ist gebürtiger Bremer. Bekannt wurde er vor allem durch eine Reihe von Graphic Novels, etwa über den Serienmörder Fritz Haarmann. Über mehrere Jahre wertete er die erst 1988 nach Bremen zurückgelangten Prozessakten zum Fall Gesche Gottfried aus und brachte 2010 eine Biografie zu ihr heraus.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Peer Meter
  • Informationen zu Gesche Gottfried auf der Homepage der Stadt Bremen
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.