Eine gigantische, mehr als vier Kilometer lange Zeichnung, 30 Zentimeter tief in die Erde geritzt, mitten im australischen Niemandsland gibt bis heute Rätsel auf. Niemand weiss, wer den Marree Man erschaffen hat – und warum.

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Unglaubliche 4,2 Kilometer lang ist die Figur vom Kopf bis zu den Füssen. Sie zeigt einen Aborigine-Jäger mit einem Stock in der Hand. Die Gestalt erstreckt sich im Outback Südaustraliens und ist die zweitgrösste Erdzeichnung der Welt. Ihre Entstehung ist bis heute ein Rätsel: Wer hat das Kunstwerk geschaffen, und warum? Es gibt viele Spekulationen, aber keine handfesten Beweise.

Die Figur wurde 1998 zufällig entdeckt, als ein Buschpilot über das 200.000 Quadratkilometer grosse Militär-Sperrgebiet "Woomera Prohibited Area" in der Nähe des Salzsees Lake Eyre flog. Das nächste Dorf liegt 60 Kilometer entfernt und heisst Marree. Nach ihm wurde die Zeichnung benannt.

Anders als sonstige solche Scharrbilder entstand der Marree Man aber erst Ende der 1990er-Jahre. Die berühmten Nazca-Linien in Peru etwa stammen aus der Zeit um 800 bis 200 vor unserer Zeitrechnung.

30 Zentimeter tiefe Linien in der Erde

Der Marree-Man erregte sofort die Aufmerksamkeit von Bevölkerung und Medien. Nicht begeistert von dem Kunstwerk waren allerdings die Aborigines, in deren Stammesgebiet der Marree Man liegt. Sie kritisieren, dass die Zeichnung ihrem Land Schaden zugefügt habe.
Die Linien sind bis zu 30 Zentimeter tief in die rote Erde gegraben und bis zu 35 Meter breit. Jemand muss Traktor und Pflug oder Planierraupen sowie ein GPS-Gerät benutzt haben, um sie zu erschaffen.

Wegen der enormen Grösse des Bildes muss der Unbekannte mehrere Wochen damit beschäftigt gewesen sein. Das passierte im Geheimen, niemand hat die Arbeit mitbekommen. Auch Spuren der Maschinen wurden nie entdeckt. Das Gebiet ist extrem trocken, die Gegend menschenleer. Deshalb blieb das Kunstwerk sichtbar.

Die anonymen Fax-Nachrichten

Wer immer sich diese Mühe gemacht hatte, das riesige Werk zu gestalten, wollte auch, dass es gewürdigt wird. In einem anonym verschickten Fax an ein 200 Kilometer entferntes Hotel waren die Koordinaten der Figur angegeben. Der Betreiber hielt das Schreiben aber für einen Scherz und reagierte nicht.

Danach erhielten mehrere Medien ebenfalls anonyme Fax-Nachrichten. Darin ist von der Figur als "Stuart’s Giant" die Rede. Der Name spielt sehr wahrscheinlich auf den schottischen Vermessungsexperten Johan McDouall Stuart ein, der als erster Europäer Australien von Süden nach Norden durchquerte.

Aber wer steckt nun hinter der gigantischen Figur, und was war das Motiv? Darüber gibt es bis heute wilde Spekulationen. Manche glauben, es handele sich bloss um einen Marketing-Gag. Schliesslich ist die Zahl der Rundflüge über das Gebiet sprunghaft angestiegen, seit der Marree Man entdeckt wurde. Verdächtigt werden etwa die lokalen Fluganbieter, oder auch Bauarbeiter und Militär-Angestellte. Prä-Astronautiker sind natürlich sicher: Ausserirdische haben das Kunstwerk in die Erde geritzt.

Seltsame Fundstücke rund um den Marree Man

Die Fax-Botschaften enthielten jedoch rätselhafte Hinweise auf die Urheber: Darin standen Massangaben wie Meilen, Yards und Zoll, die in Australien nicht verwendet werden – ebenso wie ein paar Begriffe, die ebenfalls unüblich in der Landessprache sind. Deshalb glaubten viele, dass Amerikaner den riesigen Mann gezeichnet haben. Seltsame Fundstücke heizten die Spekulationen weiter an.

In einer kleinen Grube in der Nähe der Figur wurden einige Gegenstände entdeckt: ein Satellitenbild der Zeichnung, ein Glas mit einer kleinen US-Flagge und eine Notiz mit einem Hinweis auf eine amerikanische Sekte.

1999 erhielten die Behörden weitere Hinweise in einem neuen Fax. Eine Tafel war fünf Meter vor der Nase des Marree Man verbuddelt. Zu sehen ist darauf die amerikanische Flagge mit den olympischen Ringen und einem Zitat aus einem Buch. Das beschreibt die Jagd nach Wallaby-Kängurus mit Hilfe eines Stocks, wie ihn auch der Marree Man in der Hand trägt.

Schuf ein australischer Künstler die riesige Figur?

Doch die deutlichen Hinweise auf einen amerikanischen Urheber des Marree Man können auch ein schlichtes Ablenkungsmanöver gewesen sein. Denn heute gilt es als sehr wahrscheinlich, dass sich ein Künstler einen Spass erlaubt hat. Bardius Goldberg war bekannt für seine ungewöhnlichen Aktionen. Er hatte bereits mit GPS gearbeitet und kleine Geoglyphen erstellt, also Scharrbilder.

Zudem soll er den Wunsch geäussert haben, ein gigantisches Bild zu erschaffen, das aus dem Weltall zu sehen sein sollte. Ein Landwirt erklärte später, er habe Goldberg Traktor und Pflug geliehen. Der Künstler selbst starb 2002, bis dahin bestätigte er die Gerüchte nicht, dementierte sie aber auch nicht. Er äusserte sich auch nie zu einer grösseren Geldzahlung, die er kurz vor Entstehung des Marree Man erhalten hatte. War es also eine Auftragsarbeit? Aber für wen? Auch das wird womöglich für immer ein Rätsel bleiben.

Jahrelang war die Erdzeichnung überwuchert und zugewachsen. Doch eine Gruppe von Freiwilligen hat sie mit Hobeln in mühseliger Arbeit wieder freigelegt. Sie wollen damit den Tourismus in der unwirtlichen Gegend ankurbeln. Seit August ist der Marree Man nun wieder klar und deutlich aus der Luft zu erkennen. Dass niemand weiss, wer ihn erschaffen hat, macht ihn umso interessanter.

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