Mehr als 15.000 Menschen starben 2011 nach dem verheerenden Tsunami und der Katastrophe in Fukushima in Japan. Doch einige von ihnen tauchten anschliessend angeblich wieder auf - und fuhren als Geisterpassagiere in Taxis mit. Eine Studentin nahm das mysteriöse Geschehen unter die Lupe.

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Als die junge Frau im Frühsommer 2011 in sein Taxi stieg, ahnte der Fahrer nicht, wie ungewöhnlich die Passagierin war. Sein Auto stand nahe des Bahnhofs von Ishinomaki, einer Küstenstadt im Nordosten Japans.

Die Frau war um die 30 Jahre alt, trug einen Wintermantel und wollte in den Minamihama-Bezirk. "Aber die Gegend ist so gut wie komplett verlassen. Wollen Sie wirklich dorthin?", fragte der Taxifahrer.

Daraufhin sagte die Frau mit zitternder Stimme: "Bin ich tot?" Der Fahrer drehte sich daraufhin um. Doch die Rückbank war leer.

Geisterhafte Begegnungen an den Küsten Japans

Bekannt machte diese und ähnliche Geschichten die japanische Studentin Yuka Kudo durch ihre Uni-Abschlussarbeit im Jahr 2016.

Sie nahm die Geistersichtungen ernst und war sich sicher: Es handelte sich um die Seelen von Menschen, die im März 2011 während des Tōhoku-Seebebens mit anschliessendem Tsunami gestorben waren.

Die Stadt Ishinomaki war davon besonders schwer betroffen: 6.000 Menschen starben bei der bis zu 38 Meter hohen Wasserwelle.

Das Unglück kostete in ganz Japan mehr als 15.000 Menschen das Leben, eine Folge waren ausserdem Unfälle in mehreren Kernkraftwerken, unter anderem in Fukushima.

Viele der Überlebenden waren traumatisiert. Sie kämpften mit dem grauenvollen Erlebnis, das ihnen Hab und Gut und ihre Liebsten genommen hatte.

Immer wieder erzählten Menschen in der Küstenregion anschliessend von schaurigen Begegnungen. In den zerstörten Bezirken sollen Geister herumgezogen sein - einige ohne Kopf oder Glieder. Andere sollen sich vor ruinierten Läden in einer Schlange angestellt haben.

Sich in Luft auflösende Fahrgäste

Diese Sichtungen bescherten vielen Exorzisten Arbeit - und eben auch der 22-jährigen Studentin Yuka Kudo. Sie stellte 100 Taxifahrern dieselbe Frage: Ob sie nach dem Tsunami irgendwelche ungewöhnlichen Erlebnisse im vom Tsunami verwüsteten Gebiet hatten.

Die meisten ignorierten die Studentin, liessen sie stehen oder wurden regelrecht böse. Hatten sie etwas zu verbergen? Sieben Fahrer aber hatten das Bedürfnis, ihr von mysteriösen Begegnungen zu erzählen.

Zum Beispiel von einem jungen Mann um die 20 Jahre. Als der Taxifahrer ihn fragte, wohin er wolle, antwortete er nicht. Schliesslich schaute der Fahrer in seinen Rückspiegel und sah, wie der Mann mit einem Finger nach vorne zeigte.

Erneut fragte er ihn nach dem Ziel, sonst könne er nicht losfahren. Schliesslich antwortete der Fahrgast: "Nach Hiyoriyama." Der Taxifahrer startete in Richtung des Berges. Doch als er dort ankam, war sein Passagier aus dem Auto verschwunden.

Wie echt waren die Geisterpassagiere?

Die Studentin verglich die Geschichten der Taxifahrer und entdeckte einige Gemeinsamkeiten. Unabhängig voneinander beschrieben sie ihre gruseligen Fahrgäste als relativ jung.

Alle waren zunächst davon ausgegangen, dass sie tatsächlich einen Passagier im Auto hatten. Das zeigten auch die Taxameter, die allesamt beim Losfahren gestartet worden waren.

Für die meisten Menschen ist es eine beängstigende Vorstellung, einem Gespenst zu begegnen. Die sieben Taxifahrer gaben jedoch an, keine Furcht verspürt zu haben.

Im Gegenteil, sie empfanden Achtung und Respekt gegenüber den Geistern. Ihre Begegnung sahen sie als spirituelles Geschenk an. Ein Taxifahrer erklärte sogar: "Wenn ich noch mal einem begegne, nehme ich ihn gern wieder mit."

Die junge Wissenschaftlerin erklärte dieses Verhalten damit, dass einige Fahrer selbst Verwandte durch den Tsunami verloren und dadurch Mitgefühl mit den verlorenen Seelen hatten.

Warum ausnahmslos die Geister junger Menschen erschienen waren, erklärte Kudo damit, dass diese besonders traurig über ihren frühen Tod gewesen sein müssten.

Dass die Geistererscheinungen echt waren, bezweifeln Psychologen allerdings: Die Sichtungen könne man eher mit posttraumatischem Stress erklären, meinen sie.

Die Studentin liess sich davon nicht beirren: Mit ihrer Arbeit wolle sie zeigen, dass "jedes Opfer der Katastrophe wichtig ist. Das möchte ich anderen Menschen vermitteln."

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