Der rätselhafte Tod König Ludwigs II. von Bayern ist der passende Schlusspunkt in einem kurzen, geheimnisvollen Leben. Für seine Untertanen war er ein Märchenkönig, für seine Minister ein psychisch Kranker. Ludwig selbst lebte ein einsames Leben zwischen Traumwelt und Realität. Hinterlassen hat er nicht nur aussergewöhnliche Schlösser, sondern auch Legenden um sein Leben und seinen Tod.

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In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1886 fährt unangekündigt eine Kutsche auf Schloss Neuschwanstein im Allgäu vor. König Ludwig II. von Bayern steigt bereitwillig ein.

Noch weiss er nicht, dass ihn seine eigene Regierung entmündigt und als Regent abgesetzt hat. Er ahnt wahrscheinlich auch nicht, dass es seine letzte Fahrt sein wird. Sie führt ihn zu seiner Sommerresidenz Schloss Berg am heutigen Starnberger See.

Als Verrückter weggesperrt in das eigene Luxus-Gefängnis

Doch die Villa hat sich verändert: Mit Gittern ist sie zu einem Luxus-Gefängnis für den König umgewandelt worden. Kein Schritt und keine Bewegung bleiben unbeobachtet. Hinter verschlossenen Türen wacht Doktor Bernhard von Gudden über Ludwig.

Er ist einer von vier Ärzten, die binnen kürzester Zeit ein psychologisches Gutachten angefertigt haben, ohne den König überhaupt gesehen zu haben. Sie haben nur Briefe, die aus seinen Papierkörben gefischt wurden. Ihre Diagnose: unheilbare psychotische Schizophrenie.

Der Auftrag für das Gutachten kommt von Ministern der Regierung in München. Sie wollen Ludwig vom Thron stossen, denn ihrer Meinung nach nimmt er sein Amt nicht mehr ausreichend wahr.

Der letzte Spaziergang und der Tod im flachen Wasser

Am 13. Juni 1886 um 18.35 Uhr erinnert Ludwig seinen Aufpasser Gudden an den versprochenen Abendspaziergang. Keine Stunde später ist Ludwig ertrunken und Gudden wird erwürgt, so heisst es in den Ermittlungsakten.

Ludwig hatte sich kurz abgesetzt, Gudden holt ihn erst am Ufer wieder ein. Will er den König aufhalten oder sogar töten? Und Ludwig selbst? Stirbt er an Herzversagen im kalten Wasser? Oder will er in einer ausweglosen Situation Selbstmord begehen? Es gibt laut Gutachten keinen Hinweis auf ein Attentat.

Die Antworten nimmt der 40-jährige Ludwig mit ins Grab. Das Volk allerdings findet eigene Antworten – schnell entstehen Gerüchte und Legenden. Angeblich soll Ludwig ermordet worden sein.

Einen Schuss haben demnach mehrere Angestellte gehört, die aber per Eid zum Schweigen verpflichtet werden. Ebenso darf der herbeigerufene Arzt niemals über eine Schusswunde sprechen. Heutige Rechtsmediziner finden es merkwürdig, dass der 1,93 Meter grosse Ludwig im flachen Abschnitt des Sees ertrunken sein soll.

Aber wer könnte ein Mordmotiv gehabt haben? Ludwig II. lebt nach der Maxime: Was ich will, das bekomme ich – koste es, was es wolle. Doch irgendwann geht selbst dem König das Geld aus.

Seine Finanznot ist so gross, dass ausländische Banken mit Pfändung drohen. Die Königsfamilie muss seine Schulden zurückzahlen. Reicht das als Mordmotiv aus? Oder wollen die Minister ein für alle Mal Ruhe von dem König haben?

Teure, phantastische Schlösser des Märchenkönigs

Der König von Bayern ist anders als andere Monarchen. Nachts wandelt er durch seine Schlösser und die Natur. Seine Untertanen will er am liebsten gar nicht sehen.

Gleichzeitig beschenkt er sie grosszügig, wenn er ihnen in der Kirche begegnet: Sie sollen ihn in guter Erinnerung behalten, als ihren "Kini". Schliesslich will Ludwig seit seiner Krönung 1864 mit nur 18 Jahren ein weiser und mächtiger Herrscher sein.

Ausserdem möchte er phantastische Schlösser bauen, auf höchstem technischen Niveau. Aber ausser Bediensteten sollen keine Fremden die Gebäude je betreten.

Sein erster Traum geht ab 1869 mit dem Bau von Schloss Neuschwanstein in Erfüllung. Es ist damals hochmodern: Stahlpfeiler sind verbaut, es gibt fliessendes heisses und kaltes Wasser sowie Heissluftheizungen, die Toiletten besitzen eine Spülung.

Um niemanden sehen zu müssen, kommuniziert der König mit seinen Dienern per elektrischer Rufanlage und nimmt sich sein Essen aus dem Speisenaufzug.

Als zweites Schloss entsteht ab 1870 die königliche Villa Linderhof in den Ammergauer Alpen. In die künstliche Grotte samt See und Lichteffekten unter dem Schloss zieht sich der verträumte König zurück, um in eine märchenhafte Welt einzutauchen.

Als drittes Schloss wird ab 1878 Herrenchiemsee gebaut. Ludwig widmet es seinem Idol, dem verstorbenen französischen König Ludwig XIV. Ihm richtet er darin ein prunkvolles Audienzzimmer und ein Schlafgemach ein. Die Baukosten stürzen Ludwig allerdings in grosse finanzielle Not.

Musik und Theater als leidenschaftliche Hobbys

Viel kosten lässt sich König Ludwig II. auch die schönen Künste. Seinem Lieblingskomponisten Richard Wagner bezahlt er Unsummen dafür, dass er Musik für seine Träume komponiert.

So entsteht auch der "Ring des Nibelungen". Wagners Opern lässt sich der König als Privatvorstellung in München vorspielen – "Lohengrin" sogar in freier Natur auf einem See.

Um seine Pflichtbesuche in München erträglicher zu gestalten, errichtet Ludwig auf dem Dach der Residenz einen tropischen Garten. Während er versteckt zwischen den Pflanzen sitzt, führen ihm Schauspieler Stücke vor.

Innere Konflikte offenbaren sich in Briefen

Menschen stören den König. Nur zu wenigen pflegt er ein Vertrauensverhältnis, eine Zeit lang zu "Sisi", Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, und zu Richard Wagner. Aber viel lieber hält sich der einsame König allein in seiner Traumwelt auf.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich König Ludwig II. zu Männern hingezogen fühlt. Das ist im 19. Jahrhundert ein Verbrechen. In Gebeten bittet der gläubige Katholik Gott um Vergebung. In geheimen Briefen schreibt Ludwig gleichzeitig von seiner Homosexualität, aber auch, dass sich eines Tages in einem See ertränken wolle.

Er schickt Boten durch ganz Europa: Sie sollen junge, schöne Männer fotografieren. In seinen Schlössern erfreut sich der König heimlich an den Fotos.

Doch am Ende zerbricht Ludwig an seinen inneren Konflikten. Er kann bald nicht mehr zwischen Phantasie und Wirklichkeit unterscheiden: In seinen Alpträumen wandelt ein seltsamer Attentäter durchs Schloss.

Nun wittert Ludwig überall Verrat und glaubt fest daran, dass man ihn umbringen will. Er zieht sich fast komplett von der Regierungsarbeit zurück – und gibt damit den Ministern einen Vorwand, ihn für verrückt zu erklären und zu Schloss Berg zu bringen.

Tatsächlich bewahrheiten sich nach seinen schönsten Träumen nun auch seine schlimmsten: Der Märchenkönig muss sterben.

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