Umweltchemiker haben in europäischen Weinen einen erheblichen Anstieg der Ewigkeitschemikalie TFA festgestellt. Auch Pestizide wurden in fast allen Weinen nachgewiesen. Die Forschenden halten ihre Ergebnisse für "beunruhigend".
Ein Gläschen Wein am Abend – für so manchen ein regelmässiger Genuss. Was man allerdings nicht schmeckt: In vielen Weinen steckt die Ewigkeitschemikalie TFA.
Das geht aus einem Bericht der österreichischen Umweltschutzorganisation Global 2000 in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Pestizid-Aktionsnetzwerk Pan Europe hervor. "Unsere Daten deuten auf einen fast schon explosionsartigen Anstieg der Umweltbelastung mit TFA innerhalb der letzten zehn bis fünfzehn Jahre hin", heisst es dort.
Was ist TFA?
- Trifluoressigsäure (TFA) ist ein Abbauprodukt anderer per- und polyfluorierter Alkylsubstanzen (PFAS), die unter anderem in Pestiziden oder Kühlanlagen verwendet werden. So gelangt TFA etwa durch Unkrautvernichtungsmittel in die Umwelt.
- TFA ist eine sogenannte "ewige Chemikalie". Das bedeutet: Einmal freigesetzt, bleibt sie dauerhaft bestehen. Sie kann nicht durch natürliche Prozesse abgebaut werden.
Für die Untersuchung wurden 39 Weine getestet, 18 davon aus Österreich und 21 aus weiteren europäischen Ländern. Zusätzlich wurden 10 österreichische Weine aus den Jahren 1974 bis 2015 untersucht.
Umweltchemiker sprechen von beunruhigenden Ergebnissen
In Weinen vor 1988 fanden die Forschenden kein TFA. Dann aber – bei Weinen ab den Jahrgängen 2010 – stellten sie einen drastischen Anstieg fest. Die durchschnittliche Konzentration habe bei 110 Mikrogramm pro Liter gelegen, der höchste Wert bei 320, berichtet Global 2000. Das sei "100-mal höher als bereits in Oberflächengewässern und im Trinkwasser gemessen". Den Anstieg deutet Global 2000 als "ein klares Zeichen, dass TFA ein menschengemachtes Problem ist, das sich immer weiter ausbreitet".
"Wir nehmen wahrscheinlich wesentlich mehr TFA über die Nahrung auf als bisher angenommen."
Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei Global 2000, bezeichnet die Ergebnisse als "beunruhigend" und "alarmierend". Eine so hohe TFA-Konzentration im Wein weise darauf hin, dass sich TFA in Pflanzen offenbar massiv anreichert. "Wir nehmen wahrscheinlich wesentlich mehr TFA über die Nahrung auf als bisher angenommen", schlussfolgert er. Noch besorgniserregender sei der starke Anstieg der Kontamination seit 2010, wird er in einer Mitteilung von Pan Europe zitiert. "Es besteht dringender Handlungsbedarf, um weitere TFA-Emissionen in die Umwelt zu verhindern."
Bericht sei "Weckruf für die EU"
Unabhängig von der neuen Studie analysierte Müller alte und neue Weine und beobachtete ähnliche Trends. "In neueren Weinen, die nach 2020 geerntet wurden, haben wir ein breites Spektrum an TFA-Kontaminationen beobachtet, von 20 bis über 300 Mikrogramm pro Liter. Die niedrigsten Werte wurden in biologisch erzeugten Weinen gefunden, die von Trauben stammen, die auf Flächen angebaut wurden, die seit Jahrzehnten frei von chemischen Einträgen sind", berichtet er. Dies deute darauf hin, "dass PFAS-Pestizide einen direkten oder indirekten Beitrag leisten, der die hohen TFA-Werte in den Weintrauben erklären könnte".
Neben hohen TFA-Werten wurden auch Pestizidrückstände in 32 von 34 konventionellen Weinen entdeckt, teils bis zu acht Wirkstoffe und Metaboliten. Einzige Ausnahme waren Bioweine: In vier von fünf davon konnten die Forschenden keine Pestizide nachweisen. Die Untersuchung zeigte, dass Weine mit höheren TFA-Konzentrationen im Durchschnitt eine grössere Anzahl von Pestizidrückständen und eine höhere Gesamtpestizidbelastung aufgewiesen.
In ihrem Bericht fordern die Autoren von der Politik, Substanzen vom Markt zu nehmen, die TFA in die Umwelt freisetzen. Die Untersuchung sei ein "Weckruf für die EU", sagt Salomé Roynal, Politikreferentin bei Pan Europe.
PFAS gelten als gesundheitsschädlich
Inwiefern PFAS der Gesundheit schaden können, ist noch nicht abschliessend untersucht. Laut dem österreichischen Umweltbundesamt können die Industriechemikalien, werden sie von Menschen aufgenommen, unter anderem den Cholesterinspiegel erhöhen. Laut einer Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahr 2020 könne ausserdem das Immunsystem von Kindern beeinträchtigt werden. Einige Ewigkeitschemikalien werden auch mit hormonellen Veränderungen sowie einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht.
Auch die Auswirkungen speziell von TFA sind nicht sicher geklärt. Im Jahr 2021 habe der Pestizidhersteller Bayer die EU darüber informiert, dass TFA in Tierversuchen schwere Missbildungen bei Föten verursacht, berichtete Burtscher-Schaden laut apa bei einer Pressekonferenz. Deshalb sei die Einstufung der Substanz als "vermutlich fortpflanzungsgefährdend beim Menschen" beantragt worden.
Verwendete Quellen
- global2000.at: "TFA-Belastung: Ewigkeits-Chemikalie im Wein"
- Bericht "Flaschenpost: Der steile Anstieg der TFA-Konzentration in europäischem Wein"
- pan-germany.org: "Studie zeigt alarmierenden Anstieg der Chemikalie TFA in europäischem Wein"
- pan-europe.info: "Study reveals alarming surge of forever chemical TFA in European wine"
- umweltbundesamt.at: "Fragen und Antworten zu PFAS"
- apa