Es ist bereits der zweite Fall innerhalb weniger Monate in München: Ein Eichhörnchen steckt in einem Gullydeckel fest und muss von der Tierrettung befreit werden. Aber ist es nur ein Zufall, dass sich schon wieder ein Tier in diese missliche Lage manövriert hat?
Wir haben mit dem Retter des Nagetiers gesprochen. Tierarzt Dr. Patrick Wagmeister erklärt, wie zu den Unfällen kommen könnte.
Herr Wagmeister, warum häufen sich die Vorfälle?
Patrick Wagmeister: Für mich ist das erst der zweite Fall dieser Art. Frau Gallenberger von Eichhörnchen Schutz e.V., die sich nun um das Tier kümmert, meint aber, dass es wohl schon öfters auch in anderen Städten vorgekommen sei. Eine wirkliche Häufung gibt es meiner Meinung nach nicht.
Wie kommt es denn dazu, dass die Eichhörnchen in Gullydeckeln stecken bleiben?
Genau weiss man das nicht. Dazu habe ich nur Theorien. Bei Kanalarbeiten stehen die Schächte offen. Hier kann es sein, dass die Tiere in die Kanäle klettern und unten herumlaufen. Wenn sie dann das Licht aus den Löchern von Kanaldeckeln sehen, klettern sie wieder nach oben und wollen durch die Löcher herauskriechen.
Der Kopf passt noch durch, aber das breitere Hinterteil bleibt stecken. Wenn sie länger gefangen sind, bekommen sie eine leichte Schwellung und dann geht es weder vor noch zurück. Das ist aber nur eine Vermutung. Auffällig ist jedoch, dass sie immer mit dem Kopf aus dem Deckel schauen, daher halte ich das für wahrscheinlich.
Kann so etwas jedem Eichhörnchen passieren, oder trifft es nur bestimmte Tiere?
Das ist rein zufällig. Das letzte, das ich rausgeholt habe, war ein circa ein Jahr altes, ausgewachsenes und geschlechtsreifes Männchen. Es war auch nicht besonders dick.
Was kann man tun, wenn man so ein Eichhörnchen findet?
Selbst Hand anzulegen ist keine gute Idee. Am besten ist es, wenn man jemanden holt, der sich damit auskennt. Bei der Tierrettung oder der Feuerwehr anrufen ist auf jeden Fall zu empfehlen. Man kann sich um den Schutz des Eichhörnchens kümmern, also zum Beispiel den Verkehr regeln. Um das Eichhörnchen zu befreien, braucht man ein gutes Schmiermittel.
Ich als Tierarzt nehme ein Gleitmittel, wie es auch in der Geburtshilfe eingesetzt wird. Aber auch ein normales Pflanzenöl kann helfen. Man sollte wissen, wie man zupacken muss, damit man das Tier nicht verletzt. Also nicht an den Armen packen und wild ziehen. Das Eichhörnchen muss auch durchatmen können, da es auch selbst mitarbeitet. Am besten also einen Profi ranlassen.
Sollte man das Tier denn überhaupt anfassen?
Am besten nicht. Es überträgt zwar keine Krankheiten, kann aber zubeissen. Für das Eichhörnchen ist das eine Ausnahmesituation und es reagiert dementsprechend. Ich habe während der Aktion einen Lederhandschuh getragen, mit dem ich den Kopf festhielt.
Darin hatte es sich richtig verbissen. Für Laien kann das schon ein bisschen gefährlich werden. Über Parasiten muss man sich aber keine Gedanken machen. Im allerschwersten Fall springt mal ein Flöhchen über.
Geht so eine Rettungsaktion für das Tier immer so glimpflich aus?
Als Tierarzt wusste ich, was ich tue. Dann dauert das Ganze auch nur zwei bis vier Minuten. Falls es länger dauern sollte, würde ich im Notfall auch Beruhigungsmittel geben, damit der Stress nicht zu gross wird. Sonst könnte das Eichhörnchen später an dem Schock sterben.
Das muss man sich aber wegen der Nebenwirkungen gut überlegen. Wenn das Tier danach gleich in eine so gute Pflege wie bei Frau Gallenberger kommt, ist das den Überlebenschancen extrem zuträglich. Die machen das sehr vorsichtig und mit grosser Expertise.
Gibt es denn noch andere Gefahren für Eichhörnchen in den Städten?
Baumfäll- oder Heckenarbeiten sind für die Tiere gefährlich. Da kann es passieren, dass Jungtiere aus den Nestern fallen. Ausserdem gibt es vermehrt Unfälle im Strassenverkehr. Wenn sie auf Futtersuche sind, überqueren sie so schnell die Strasse, dass man gar nicht mehr reagieren kann.
Ansonsten verhalten sich die meisten Autofahrer hier übrigens sehr vorbildlich und bremsen, wenn nötig. Mittlerweile werden auch über manche Strassen Seile gespannt, damit sich die Tiere über die Strasse hangeln können.
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