Sie sind winzig, aber schädlich für Mensch und Umwelt: Mikroplastikpartikel verschmutzen neuen Untersuchungen zufolge grosse europäische Flüsse wie den Rhein, die Elbe und die Seine in einem besorgniserregenden Ausmass.

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Die Belastung mit Mikroplastik ist "alarmierend", heisst es in 14 Studien der Tara Foundation, die gleichzeitig in der Zeitschrift "Environmental Science and Pollution Research" veröffentlicht wurden. Das Mikroplastik gerät unter anderem durch die Nutzung von Plastikflaschen und das Waschen von Kunstfaserkleidung in die Gewässer.

Grundlage für die Studien waren Wasserproben aus neun europäischen Flüssen von deren Mündung bis zurück zur ersten grossen Stadt am Ufer. Die Proben wurden von Chemikern, Biologen und Physikern aus 19 Forschungslabors analysiert.

Verschmutzte Flüsse in ganz Europa

Zu den untersuchten Gewässern gehörten die durch Deutschland fliessenden Flüsse Elbe und Rhein, der spanische Ebro, die französischen Flüsse Garonne, Loire, Rhône und Seine sowie die Themse in Grossbritannien und der Tiber in Italien. "Die Verschmutzung findet sich in allen europäischen Flüssen", bilanzierte der Forschungsleiter für Ökotoxikologie für Wasserlebewesen des französischen Forschungsinstituts CNRS, Jean-François Ghiglione.

Über Mikroplastik

  • "Mikroplastikteile sind kleiner als ein Reiskorn", erläuterte die CNRS-Physikochemikerin Alexendra Ter Halle. Sie sind kleiner als fünf Millimeter, die kleinsten sind mit blossem Auge nicht erkennbar.
  • In den Wasserkreislauf gelangen sie etwa durch das Waschen von Kleidung aus synthetischen Materialien, durch den Abrieb von Autoreifen auf der Strasse, aber auch durch Kosmetik oder die Nutzung von Plastikgranulat durch die Industrie.

Insgesamt beträgt die Mikroplastikbelastung in den neun untersuchten Flüssen laut den Messungen durchschnittlich drei Partikel pro Kubikmeter Wasser. Damit ist die Mikroplastikbelastung in diesen Flüssen weitaus niedriger als in den zehn am stärksten verschmutzten Flüssen der Welt wie Mekong, Nil und Ganges, wo die Verschmutzung bei 40 Mikroplastikpartikeln pro Kubikmeter liegt.

Wenn aber die Durchflussmengen berücksichtigt werde, werde das Ausmass der jeweiligen Verschmutzung deutlich, hob Ghiglione hervor. So gebe es "in Valence in der Rhône eine Durchflussmenge von 1.000 Kubikmetern pro Sekunde" und dies bedeute "3.000 Plastikpartikel pro Sekunde". In der Seine seien es immerhin 900 Partikel pro Sekunde.

Forschende kommen zu "überraschendem Ergebnis"

Die Wissenschaftler stiessen bei ihren Untersuchungen zudem auf ein "überraschendes" Ergebnis: Grösser als die Masse an sichtbaren Mikroplastikpartikeln sei die Masse der Kleinstpartikel. Insbesondere diese mikroskopisch kleinen Partikel seien aber besonders gefährlich: Denn während die grösseren Plastikpartikel an der Oberfläche schwömmen, verteilten sich die winzigen Partikel über alle Wasserschichten des Flusses und würden von vielen Tieren und Organismen aufgenommen.

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Unerwartet war laut den Studienautoren ausserdem der Befund, dass es sich bei einem Viertel des gefundenen Mikroplastiks in den französischen Flüssen nicht um Abfall, sondern um Plastikrohstoff der Industrie handele. Ermöglicht wurde dieser Befund durch ein weltweit einmaliges Forschungsprojekt namens "Plastique à la loupe" (Plastik unter der Lupe). Dabei nehmen jedes Jahr rund 15.000 Schüler von 350 französischen Schulklassen Proben an Flussufern.

Plastikverschmutzung ist ein immer drängenderes Problem. Verhandlungen über ein erstes UN-Abkommen zur Reduzierung von Plastikmüll waren bislang nicht erfolgreich. In Brüssel laufen derzeit Verhandlungen für ein EU-Gesetz, das Unternehmen strengere Regeln für den Umgang mit Mikroplastik vorschreiben soll. Ab einer gewissen Grösse sollen sie den Entwürfen zufolge sicherstellen, dass Kunststoffgranulat aus ihrer Produktion nicht in die Natur gelangt. Passiert das doch, sollen die Firmen für die Säuberungsarbeiten zahlen. Bei den Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und den EU-Mitgliedsländern über das Gesetz sollte am Dienstag die nächste und womöglich letzte Runde stattfinden. (afp/bearbeitet von tar)  © AFP