Am Mittwoch ging ein ungewöhnlicher Notruf bei der Polizei in Bottrop ein: Eine Frau fühlte sich von einem Eichhörnchen verfolgt. Die Beamten nahmen das Tier daraufhin in Gewahrsam. Warum war das Eichhörnchen so anhänglich?
Die Meldung sorgte für Aufsehen: "Bottrop: Eichhörnchen nach Verfolgung in Gewahrsam genommen", schrieb die Polizei NRW Recklinghausen auf Facebook. Das Tier habe eine Frau verfolgt, die sich offenbar nicht anders zu helfen wusste, als die Polizei zu verständigen.
Den Angaben der Polizei zufolge zeigte das Eichhörnchen Erschöpfungserscheinungen und wurde mit Apfelstücken und Honigtee aufgepäppelt. Jetzt soll es einer Auffangstation übergeben werden.
Bei akuten Erschöpfungszuständen werden viele Eichhörnchen extrem anhänglich. Sabine Gallenberger betreibt eine Eichhörnchen-Notrufnummer in München und weiss: Das war ein verzweifelter Hilfeschrei des Tieres.
Frau Gallenberger, was bringt ein Eichhörnchen dazu, die Nähe von Menschen zu suchen?
Sabine Gallenberger: Es handelte sich um ein verwaistes Jungtier kurz vorm Verdursten und Verhungern. Das hat man bereits an den erschöpften Augen des Tieres gesehen. Inwieweit die Organe durch den Flüssigkeitsverlust schon geschädigt sind, weiss man nicht. Das Eichhörnchen war so klein, dass es normalerweise noch von der Mutter gesäugt werden würde.
Es war also eine Art Hilferuf des Eichhörnchens?
Das war der letzte Hilferuf, weil es am Verdursten war. Dann nähern sich viele Eichhörnchen dem Menschen, laufen mit ihm mit. Nicht alle. Manche sterben unbemerkt unter einer Hecke. Die Tiere haben extrem unterschiedliche Charaktere.
Wie hätte sich die Dame, die die Polizei gerufen hat, besser verhalten?
Sie hätte sich dem Tier langsam nähern sollen, im günstigsten Fall packt man es vorsichtig in eine Stofftasche, manche stecken sie sich auch unter die Jacke. Dann nimmt man Tier mit und sollte sich schnellstens kompetente Hilfe suchen, die aber nicht so einfach zu kriegen ist. Man kann zum Beispiel bei Notrufnummern wie unserer anrufen, dann können wir jemanden in der Nähe vermitteln, der die Tiere aufzieht. Auf jeden Fall sollte man nicht wegschauen, das ist für mich Tierquälerei. In Deutschland ist das Wissen um die Wildtiere traurig gering. Die Unwissenheit ist eines der grössten Probleme, die wir im Tierschutz haben.
Kann man dem Tier nicht gleich selbst etwas Wasser einflössen?
Das ist nicht ganz einfach. Ein Tier in dem Alter braucht sehr stark verdünnte Spezialaufzuchtmilch, die mit einer speziellen Aufzuchtspritze oder Pipette verabreicht werden muss. Das muss geübt sein, denn ohne Erfahrung kann man das Tier verletzen oder die Flüssigkeit in die Lunge leiten. Das wäre das Todesurteil.
Muss man Angst vor ansteckenden Krankheiten oder Parasiten haben?
Man braucht keine Angst haben, Tollwut zum Beispiel können Eichhörnchen nicht kriegen, das hat das Robert-Koch-Institut bestätigt. Bei einem erwachsenen Tier sollte man trotzdem aufpassen, ihm nicht vor das Maul zu greifen und es mit einem Tuch hochzunehmen, damit es einen nicht beissen kann. Jungtiere beissen in der Regel nicht. Sicher haben sie mal Parasiten, die sind allerdings wirtspezifisch und würden beim Menschen nicht bleiben. Erwachsene brauchen wirklich keine Panik haben, in Kinderhände gehören Eichhörnchen aber nicht.
Wir bekommen tausende von Notrufen im Jahr. Trotzdem gibt es in Deutschland keine Hilfe für artengeschützte Tiere. Diejenigen, die helfen, sind in erster Linie kleine, oft ehrenamtlich tätige Vereine oder Privatpersonen. Für Wildtiere in Not fühlt sich selten jemand zuständig. Das ist mehr als traurig.
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