Vor mehr als 100 Jahren sorgten im heutigen Kenia zwei Löwen für Angst und Schrecken. Die berüchtigten Raubtiere von Tsavo sollen mindestens 28 Menschen getötet und gefressen haben. Ein Forschungsteam untersuchte nun die Zähne der Löwen und machte dabei einen schaurigen Fund.

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Im Jahr 1898 ging das Grauen unter Brückenbauern am Tsavo-Fluss in Kenia um. Zwei Löwenmännchen kamen nachts immer wieder ins Lager, drangen in Zelte ein und verschleppten ihre Opfer. Mindestens 28 Menschen sollen getötet worden sein. Manch einem könnte die Geschichte bekannt vorkommen: Der Actionfilm "Der Geist und die Dunkelheit" (1997) mit Val Kilmer und Michael Douglas in den Hauptrollen handelt davon.

Die Löwen von Tsavo sind heute ausgestopft im US-amerikanischen Field Museum of Natural History in Chicago zu sehen. In beschädigten Zähnen der Löwen haben Forschende unter anderem Haare von Menschen gefunden und genetisch analysiert.

Tausende Haare in Hohlräumen der Löwenzähne enthalten alte DNA

Die Arbeiter am Tsavo-Fluss im Südosten des heutigen Kenia waren damals mit dem Bau der Kenia-Uganda-Eisenbahn beschäftigt. Die "Löwen von Tsavo" töteten über Monate Menschen, bis der britische Oberstleutnant John Patterson es schaffte, sie zu erlegen. Er verkaufte die Überreste der mähnenlosen Männchen 1925 an das Museum. Beide haben eine Reihe beschädigter Zähne, unter anderem teilweise abgebrochene Eckzähne.

Menschenfresser-Löwen haben Haare ihrer Opfer in den Zähnen
Das Gebiss eines der Löwen von Tsavo: In den freiliegenden Hohlräumen der abgebrochenen Zähne sind Tausende Haare eingebettet. © Photo Z94320 courtesy Field Museum of Natural History in Chicago/dpa

Die Analyse ergab, dass in den Hohlräumen dieser Zähne insgesamt Tausende Haare in verdichteten Schichten eingebettet sind. Es sei gelungen, eine Methode zur Extraktion und Analyse von DNA aus einzelnen der mehr als 125 Jahre alten Haare zu entwickeln, berichten die Forschenden um Tom Gnoske vom Field Museum im Fachjournal "Current Biology".

Dabei konzentrierten sie sich auf sogenannte mitochondriale DNA, unter anderem, weil diese in Haaren besser konserviert bleibt. Ergänzend gab es mikroskopische Analysen.

Die DNA in den Haarschäften und winzigen Klumpen von Haarfragmenten sei zwar in für historische DNA typischer Weise degradiert, in einigen der Proben habe sich aber genug davon wieder zusammensetzen lassen, hiess es. "Wir waren sogar in der Lage, DNA aus Fragmenten zu gewinnen, die kürzer waren als der Nagel Ihres kleinen Fingers", erklärte Mitautorin Alida de Flamingh von der University of Illinois Urbana-Champaign.

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Ein Teil der Haare stammt den Untersuchungen zufolge von den zahlreichen menschlichen Opfern der Löwen. Auch Haare von Giraffen, Oryxantilopen, Wasserböcken, Gnus und Zebras liessen sich identifizieren. Die DNA-Analysen zeigten ausserdem, dass es sich bei den beiden Männchen um Geschwister handelte, die aus dem heutigen Kenia oder Tansania stammten.

Auswertung der Zähne wirft neue Fragen auf

Überraschend war für das Team um Gnoske und de Flamingh, dass sie Gnu-Haare fanden. "Das deutet darauf hin, dass die Tsavo-Löwen entweder weiter gereist sind als bisher angenommen oder dass es zu dieser Zeit Gnus in der Tsavo-Region gab", erklärte de Flamingh. "Das nächstgelegene Weidegebiet für Gnus war mehr als 50 Meilen (ca. 80 Kilometer; Anm.d.Red.) von der Stelle entfernt, an der die Löwen 1898 am Zusammenfluss von Tsavo und Athi getötet wurden."

Allerdings sei aus historischen Berichten auch bekannt, dass die beiden Löwenmännchen die Tsavo-Region für etwa sechs Monate verliessen, bevor sie erneut auf das Lager der Brückenbauer losgingen. Womöglich stammen die Gnu-Haare also aus dieser Phase.

Verwundert waren die Forschenden auch, dass sie keine Büffel-DNA und nur ein einziges Büffelhaar fanden. "Aus dem, was die Löwen in Tsavo heute fressen, wissen wir, dass Büffel die bevorzugte Beute sind", sagte de Flamingh. Oberstleutnant Patterson habe während seiner Zeit in Tsavo ein handgeschriebenes Feldtagebuch geführt, in dem nie Büffel oder einheimische Rinder erwähnt worden seien, hiess es auch.

Als mögliche Erklärung geben die Forschenden an, dass in jener Zeit die in den frühen 1880er-Jahren aus Indien eingeschleppte Rinderpest in diesem Teil Afrikas umging. "Sie hat die Rinder und ihre wilden Verwandten, einschliesslich der Kaffernbüffel, fast vollständig ausgerottet", sagte Mitautor Kerbis Peterhans vom Field Museum und der Roosevelt University in Chicago.

Wieso wurden die Löwen zu Menschenfressern?

Die Forschungsgruppe will nun versuchen, die Ernährung der Löwenmännchen im Verlauf der Zeit zu rekonstruieren - unter anderem, um zu klären, ab wann sie Jagd auf Menschen machten. Nützlich sei die neue Methode sicher auch zur Analyse von Beute-DNA anderer alter Tierschädel und Zähne. Möglicherweise könne sie selbst bei Tausende Jahre alten Proben noch verwendet werden.

Untersuchungen der Gebisse der Löwen von Tsavo hatten in vorangegangenen Analysen darauf schliessen lassen, dass Zahnverletzungen neben Faktoren wie einer begrenzten Verfügbarkeit von Beutetieren dazu führten, dass die beiden Männchen zu Menschenfressern wurden. Bei einem der Löwen wurde eine Wurzelentzündung entdeckt, die normales Jagen unmöglich machte, wie das Team vor einigen Jahren im Fachmagazin "Scientific Reports" berichtete.

Auch bei einem dritten Löwen, der 1991 mindestens sechs Menschen in Sambia gefressen haben soll, wurden demnach Probleme im Gebiss festgestellt. Zudem sind aus Indien Fälle bekannt, in denen geschwächte Leoparden und Tiger auf Menschen umschwenkten, da diese leichter zu töten sind. (Annett Stein, dpa/bearbeitet von sbi)

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