Schweizer Gasfirmen planen unterirdische Speicherkavernen für Erdgas. Im Kanton Wallis werden demnächst Probebohrungen durchgeführt, in der Nähe der unterirdischen Pipeline von Transitgas, in der Erdgas aus Deutschland und den Niederlanden transportiert wird.

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"Bis zu vier Kavernen werden in der Grimsel-Region untersucht, in der Nähe von Oberwald. Das Ziel ist, dort Millionen Kubikmeter Erdgas zu speichern, um so der Konsumnachfrage während den harten Wintern entgegenkommen zu können…"

Wir stehen direkt unter der Pipeline von Transitgas, in der das Äquivalent der jährlichen Energieerzeugung von 25 Kernkraftwerken transportiert wird, wie René Bautz, Generaldirektor von Gaznat, erklärt. Diese Gesellschaft ist für die Lieferung und den Hochdruck-Transport von Erdgas in der Schweiz verantwortlich.

Die 38 km lange Abschnitt der Erdgas-Pipeline durch die Alpen steht unter einem Druck von maximal 75 bar, das ist 75 Mal höher als der Luftdruck. Er befindet sich grösstenteils unter der Erde (16 Tunnels) und steigt bis auf eine Höhe von 2479 Metern über Meer auf – europäischer Rekord.

Um ihren Zustand zu überprüfen, läuft jede Woche ein Techniker die 38 Kilometer ab oder fährt per Velo, wie der Generaldirektor von Transitgas, Ennio Sinigaglia, sagt. Die Schweizer Firma hat dafür sogar mehrere unterirdische Standseilbahnen in den Fels hineingebaut; sie transportieren keine Skifahrer, sondern Beobachter mit scharfem Blick. Um die oberirdischen Abschnitte zu überwachen, steigen die Experten einmal die Woche in den Helikopter. Das ist der Preis für die Sicherheit.

Doch während in der Schweiz auch das kleinste Projekt zur Lagerung von Atommüll für Aufsehen sorgt, sei die Ankündigung der Probebohrungen im Verlauf des nächsten Jahres überhaupt auf keine Opposition gestossen, sagt Bautz. Die Oberwalliser sind sich der Arbeitsplätze bewusst, die mit dem Projekt in dieser industriearmen Region geschaffen werden.

Bedarf an Gas schwankt stark

Die Speicherung ist ein wichtiges Bindeglied in der Wertschöpfungskette von Erdgas. Denn die Nachfrage nach Gas, sei es zur Gebäudeheizung oder für die Industrie, unterliegt starken täglichen, wöchentlichen und saisonalen Schwankungen. Zwischen Sommer und Winter können diese um den Faktor zehn variieren.

Gaspipelines sind durch ihre Länge eigentlich selber schon Speicherplätze, die jederzeit genutzt werden können. Was für elektrische Leitungen nicht gilt. Die Gasspeicherung spielt eine strategische Rolle, die für die Sicherstellung einer kontinuierlichen Versorgung und des Verbrauchs unerlässlich ist. Gasspeicher können während den Monaten des Unterverbrauchs (Sommer) gefüllt und in den Monaten des Überverbrauchs (Winter) geleert werden.

Zudem ermöglicht die Speicherung den Produzenten, Transporteuren und Lieferanten, zu günstigen Kosten ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sicherzustellen. Sie können Erdgas dann speichern, wenn sein Preis tief ist, und es verkaufen, wenn die Preise ansteigen.

Der russische Konzern Gazprom, der weltgrösste Gasproduzent, besitzt grosse Speicherkapazitäten, die ihm eine kontinuierliche Versorgung ermöglichen, unabhängig von Förderkapazitäten und klimatischen Bedingungen.

Strategische Rolle der Speicherung

In der Schweiz verfügen viele Lieferanten über ihre eigenen kurzfristigen Speicherkapazitäten in Form von kugelförmigen Tanks oder Rohrleitungen, die direkt am Boden verlegt wurden. Doch in den meisten Fällen erfolgt die Einlagerung unterirdisch.

Künftig will die Europäische Union (EU) ihre Speicherkapazitäten weiter ausbauen. Somit könnte sie ihre zu starke Abhängigkeit von Zulieferländern wie namentlich Katar vermindern.

Ende 2013 wurde die gesamte Speicherkapazität der EU auf 97 Milliarden Kubikmeter geschätzt, davon befinden sich mehr als die Hälfte in Deutschland, Italien und Frankreich. Die USA verfügen über eine geschätzte Kapazität von 100 Milliarden Kubikmeter, die Mehrheit davon befindet sich in den Hohlräumen erschöpfter Erdgas-Vorkommen. Russland verfügt über 65 Milliarden Kubikmeter Lagerkapazität.

Die verschiedenen Krisen zwischen Russland und der Ukraine führten die strategische Rolle der Speicherung von Erdgas vor Augen. So werden in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich 60 Milliarden Euro investiert, um die europäischen Speicherkapazitäten zu erhöhen.

Das Schweizer Erdgas-Netz hat eine Länge von 20.000 km, davon sind mehr als 2200 Kilometer Hochdruck-Pipelines und 17.800 km, in denen Mittel- oder Niederdruck herrscht. Diese Transport- und Verteilnetze sind weitgehend miteinander verbunden. Fällt ein bestimmter Abschnitt aus, können sofort andere Strecken verwendet werden.

Der Fall der grossen Transportleitung von Transitgas ist beispielhaft dafür: Sie stellt die Verbindung zwischen Nord- und Südschweiz über den 2479 Meter hohen Griespass her und transportiert bis zu 16 Milliarden m3 Erdgas zwischen den Niederlanden und Italien. Die Viadukte und unterirdischen Gasleitungen haben den Vorteil, dass sie die Umwelt nicht belasten.

Höchste Gaspipeline Europas erlebt Revolution

Die Leitung wurde zwischen 1971 und 1974 gebaut und kostete 800 Millionen Franken. Seit dem 1. Oktober erlebt die höchste Gaspipeline Europas eine Revolution: Bis zu jenem Tag floss das Gas aus Norwegen und besonders aus den Niederlanden mit ihrem enormen Gasvorkommen von Groningen nur in eine Richtung, nämlich von Norden nach Süden.

Seither kann die Pipeline auch Gas von Italien nach Deutschland transportieren. Der Prozess wird laut René Bautz "Reverse Flow" genannt. Dieses "italienische" Erdgas stammt grösstenteils aus Russland, Libyen und Algerien sowie von Flüssigerdgas-Häfen. Bis 2020 soll durch die Trans Adriatic Pipeline auch Gas aus Aserbaidschan in den Norden zufliessen.

Eine Schweizer Firma ist beim Bau solcher Pipelines dabei: Die Allseas Group, die in Châtel-St-Denis im Kanton Freiburg ansässig ist und eine Mehrzweckflotte von Spezialschiffen für die Installation von Unterwasserleitungen betreibt. Sie hat bereits den Unterwasserteil der Turkstream-Gasleitung im Schwarzen Meer verlegt. Die Freiburger Firma hat insgesamt über 20.000 km Unterwasser-Pipelines auf der ganzen Welt gebaut.  © swissinfo.ch

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