Erst kürzlich wurde am Strand in Rio de Janeiro ein 30 Tonnen schwerer Walkadaver entdeckt. Es ist keine Seltenheit, dass die riesigen Tiere an Stränden angespült werden. Aber was geschieht eigentlich mit den Kadavern, nachdem sie am Strand gefunden wurden?

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Ein 30 Tonnen schwerer Wal wurde tot am Strand von Rio de Janeiro angespült. Die städtischen Entsorgungsbetriebe schickten Bagger, die das Tier bergen sollten. Jetzt stellt sich nur die Frage: Wohin mit einem solchen Meeresgiganten?

Achim Reisdorf ist Paläontologe von der Universität Basel. Er erklärt: "Man kann den Kadaver vor Ort zerlegen, das heisst entfleischen. Auch bereits vorgekommen ist, dass man im Strand eine grössere Grube aushebt, dann den Kadaver hineinbringt und die Grube wieder abgedeckt."

Das geeignete Vorgehen hängt laut Reisdorf von der jeweiligen Situation ab. Denn es könne auch passieren, dass Walkadaver nicht stranden sondern in Wasserwege hineinkommen, die von der Schiffsfahrt genutzt werden.

Um eine Unfallgefahr zu vermeiden, seien solche toten Körper in der Vergangenheit auch schon im Wasser gesprengt und zerstreut worden.

Was geschieht bei Walexplosionen?

Es kann auch vorkommen, dass ein Walkadaver explodiert. Reisdorf erklärt: "Es ist wahr, dass Wale, wie auch andere Organismen, durch die Fäulnis in ihrem Leib Gas akkumulieren."

Wale verfügen dem Wissenschaftler zufolge neben ihrer Grösse auch über eine relativ dicke Speckschicht und eine stabile Haut. "Wenn sich in so einem Wal entsprechend viel Gas festsetzt und Leute, die nicht vom Fach sind, mit grossen scharfen Messern dort hineinschneiden, dann öffnet sich die Leibeshöhle so, dass die Gase relativ schnell entweichen."

Das plötzliche Entweichen gepaart mit dem hohen Druck könne zu derartigen "Walexplosionen" führen. Eine unappetitliche Angelegenheit, ohne Frage. Doch würde laut des Experten keine Energie entfacht, die in der Lage wäre, Menschen zu töten.

Was gibt es für Risiken bei der Entsorgung?

"Was diskutiert wird, ist die Gefahr, dass schädliche Bakterien durch eine solche Explosion hinausgeblasen werden und man durch das Einatmen möglicherweise erkrankt", so der Paläonthologe.

Es gäbe bislang jedoch keinerlei Studien, die diese Theorie belegen würden. Trotzdem sei man entsprechend vorsichtig. "Wenn Tiere sterben, kann das natürlich auch etwas mit Krankheitserregern zu tun haben."

Laut dem Experten gibt es jedoch noch ein ganz anderes Risiko: "Wenn man den Kadaver entfleischt, bestünde theoretisch die Gefahr, dass man aufgrund der Lage bei der Entgasung des Wals und einer ungünstigen Position von dem tonnenschweren Tier überrollt wird."

Für die Umwelt bestünden aber eigentlich keine Risiken: "Dass Wale sterben, gehört zum natürlichen Stoffkreislauf. Alles was sich an organischem Material anreichert, wird wieder abgebaut auf kurz oder lang."

Was geschieht mit den Überresten?

"Wird ein Walkörper zerlegt, würde das Weichgewebe in eine Tierkörper-Entsorgungsanstalt kommen", erklärt Reisdorf. "Mit den Knochen verhält es sich genauso. Bei grösseren Walen, die attraktiv für Museen sind, werden sie entfleischt und die Knochen entsprechend präparatorisch behandelt, um sie später in einem naturkundlichen Museum auszustellen."

Gestrandete Wale dienen Tieren als Nahrung

Walkadaver dienen bestimmten Lebewesen auch als Nahrung. "Denken Sie nur an die Eisbären. Für Eisbären ist es essentiell, dass Walkadaver anstranden - etwa in Zeiten, wo sie kaum Nahrung haben", so der Experte.

"Letztendlich unterhalten wir uns hier über ein Phänomen, das schlicht und ergreifend natürlich ist, das keine Gefahr darstellt. Nur dadurch, dass Wale grosse, faszinierende Organismen sind, im Leben wie im Tode, wird schnell eine riesen Story daraus gemacht, die dem aber gar nicht standhält." (mep)

Achim Reisdorf ist Geologe und Paläontologe und arbeitet am Fachbereich Biogeochemie und globale Stoffkreisläufe/Geowissenschaften an der Universität Basel sowie für das Naturhistorische Museum Bern.


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