Übergewichtige Touristen lassen sich von wundgescheuerten Eseln bergauf tragen: Videos von der Insel Santorini machten mitten in der sommerlichen Hauptsaison die Runde in den Medien. Die griechische Regierung hat mittlerweile reagiert, doch Tierschützer warnen: Weltweit werden weiterhin Tiere für den Tourismus missbraucht.

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Wer mehr als 100 Kilogramm wiegt, darf in Griechenland seit Oktober nicht mehr auf Eseln reiten. Doch damit sollte es nach Ansicht der Tierschutzorganisation Peta nicht getan sein.

"Tierärzte empfehlen, dass ein Esel nicht mehr als 20 Prozent seines eigenen Gewichtes tragen sollte", sagt Fachreferent Peter Höffken. Für die meisten Tiere sind daher auch 100 Kilogramm deutlich zu viel.

Ausserdem berücksichtige das neue Gesetz nicht die oftmals schwierigen Begleitumstände: "Die Tiere müssen an sieben Tagen der Woche arbeiten, sie stehen oft stundenlang in der prallen Sonne und bekommen zu wenig Wasser." Videos zeigen ausserdem, das manche Esel von Packriemen und Sattelzeug wundgescheuert sind.

Ein Problem sehen Tierschützer im mangelnden Bewusstsein der Touristen für das Leiden der Tiere: "Die Menschen glauben oft, was legal ist, sei auch vernünftig. Wenn man sie allerdings mit den Folgen konfrontiert, sie zum Beispiel auf die Verletzungen der Tiere aufmerksam macht, dann reagieren sie sehr sensibel", meint Peter Höffken.

Derzeit appelliert Peta an Reiseveranstalter, für Eselritte nicht mehr zu werben. "Das Reiten auf Eseln wird auch in Zukunft nicht verboten sein", meine Höffken, "aber wir gehen davon aus, dass es stark zurückgeht."

Der Selfie-Wahn greift um sich

An anderen Orten sind die Tierschützer noch nicht so weit. Beispiel Südamerika: Hier hat sich in den vergangenen Jahren vielerorts ein Trend durchgesetzt, den Peter Höffken als "Selfie-Wahn" bezeichnet: So würden etwa kleine Faultiere im Dschungel "vom Baum geholt", damit sich Touristen für 50 Cent mit ihnen fotografieren lassen können.

In Thailand sind es Babys von Gibbonaffen, die für Handyfotos an den Stränden herumgereicht werden. "Solche Tiere werden nicht alt", weiss Höffken. Sie sterben früh am Stress, an schlechter Ernährung, an der artfremden Umgebung. Touristen bedenken nicht, welch ein Martyrium sie den "süssen kleinen Äffchen" antun, deren Fotos sie stolz mit nach Hause nehmen und in den sozialen Medien verbreiten. Die Tiere werden einfach als Spassobjekte benutzt", klagt Höffken.

Missbrauch zum Zweck von Spass und Unterhaltung

Aus Thailand, mitunter aber auch von den Kanarischen Inseln gibt es zudem immer wieder Berichte über beklagenswerte Zustände in den dortigen Zoos: "Die Gehege dort sind kleiner als bei uns, die Haltungsbedingungen, die Versorgung und der Gesundheitszustand oft schrecklich."

Immer wieder gingen bei den Tierschutzorganisationen Berichte von Urlaubern ein, die entsetzt bitten, gegen solche Zoos vorzugehen.

Doch man muss nicht in ferne Erdteile reisen, um den gedankenlosen Missbrauch von Tieren zum Zweck von Spass und Unterhaltung zu erleben. In Europa etwa missfallen den Tierschützern die nach wie vor gut besuchten Delfinarien.

In Deutschland hat deren Zahl drastisch abgenommen: Von einstmals mehr als zehn Tiergärten und Shows, die die intelligenten Meeressäuger einem oft begeisterten Publikum präsentierten, sind nur noch zwei übrig – in Nürnberg und Duis­burg.

In ganz Europa sind es noch mehrere dutzend, auch in Japan sind Delfinshows sehr beliebt. Sorge machen den Tierschützern die Länder der ehemaligen Sowjetunion und Arabien, wo immer noch neue Delfinarien entstehen.

Problematisch vor allem: Weil die Zucht der Tiere nach wie vor schwierig ist, werden auch weiterhin wild gefangene Delfine in Delfinarien "verschleppt".

Grösstes europäisches Sorgenkind der Organisationen, die sich für das Tierwohl engagieren, ist der Stierkampf. Hier sind die Erfolge gross, doch die Tierschützer noch längst nicht zufrieden.

Noch vor zehn Jahren wurden in Spaniens grossen Arenen, aber auch in vielen kleineren Veranstaltungen pro Saison etwa 45.000 Stiere Opfer dieses "Sports", in dem sich der südeuropäische "Machismo" vergangener Jahrhunderte erhalten hat.

Heutzutage seien es immer noch etwa 10.000 Stiere, die alljährlich von mehr oder weniger mutigen, mehr oder weniger geschickten Torreros und Matadores im rituellen Kampf getötet werden, heisst es bei Peta.

Die Verantwortung liegt auch bei den Touristen

Ein weiteres wichtiges Beispiel dafür, wie Tiere für den Tourismus missbraucht werden, sieht Höffken beim Kamelreiten, wie es vor allem in Marokko, Israel und Ägypten angeboten wird.

Vor allem die Fesselung der Tiere missfällt den Tierschützern: Den Kamelen wird ein Bein an den eigenen Körper gebunden, damit sie nicht weglaufen oder sich frei bewegen können.

Ob den Kamelen das Tragen schwerer Lasten schade, sei dagegen schwer zu sagen, meint Höffken – die Tiere leben in der Regel nicht lange genug, um mit wissenschaftlichen Methoden Langzeitwirkungen plausibel untersuchen zu können.

Ausgangspunkt für Veränderungen in der Behandlung von Tieren ist für Höffken der Tourist selbst. Von den Besitzern sei eine Verhaltensänderung kaum zu erwarten: Oft fehlt ihnen ein Bewusstsein für das Tierwohl, oft handeln sie – wie beim Kamelritt – auf der Basis uralter Traditionen.

Deshalb müsse der Tourist sich selbst informieren, meint Höffken. Ein kritischer Blick auf Haltungsbedingungen, auf den körperlichen Zustand der Tiere genüge oft, um von ihrer "Benutzung" Abstand zu nehmen. "Wenn Tiere gegen Geld zur Schau gestellt oder benutzt werden, ist das immer problematisch", warnt der Experte. Im Zweifel werde der wirtschaftliche Gedanke immer höher bewertet als das Wohlergehen der Tiere.

Als Alternative rät er zur Tierbeobachtung in Naturparks: "Nehmen Sie sich einen Guide, lassen Sie sich die Tiere zeigen!" Ein solches Erlebnis sei weit spannender, beeindruckender und nachhaltiger als ein kurzer Ritt oder ein Foto.

Ausserdem trage der Tourismus in geschützten Reservaten und Naturparks effektiv zur Erhaltung der Natur bei: Ranger, Parkschützer und wissenschaftliche Beobachtung werden oft nur finanziert, solange Touristen kommen. Bleiben sie aus, fehlt der Ansporn, die Natur und ihre Bewohner zu schützen.

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