Schmelzende Gletscher lassen den Meeresspiegel ansteigen. Forscher haben drei solcher Kolosse auf Grönland genauer untersucht. Das Ergebnis: Das bisher errechnete Worst-Case-Szenario kommt an die Wahrheit nicht heran.
Neue Berechnungen zu grönländischen Gletschern deuten auf einen deutlich grösseren Eisverlust bei fortschreitender Klimaerwärmung hin als bislang gedacht.
Bisherige Vorhersagen, die auf einem Worst-Case-Szenario für's Klima basieren, dürften diese Effekte unterschätzt haben, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature Communications".
Meeresspiegel könnte im 21. Jahrhundert um einen Meter steigen
Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht Küstenregionen rund um den Globus. Experten zufolge betrug er während des 20. Jahrhunderts im Schnitt 17 Zentimeter. Einer der Hauptgründe dafür ist das Abschmelzen von Gletschern.
Viele Experten gehen davon aus, dass der Meeresspiegel im Laufe des 21. Jahrhunderts um über einen Meter steigen könnte, wenn die Menschheit weiterhin so viel Treibhausgas wie bislang ausstösst.
Shfaqat Khan von der Technischen Universität von Dänemark und sein Team haben sich die Entwicklung von drei grossen Gletschern auf Grönland im Verlauf des 20. Jahrhunderts genauer angesehen: Helheim- und Kangerlussuaq-Gletscher sowie Jakobshavn Isbræ. In diesem Zeitraum ist die dortige Durchschnittstemperatur der Luft demzufolge um etwa 1,5 Grad gestiegen.
Gletscher verloren bis zu 1,5 Billionen Tonnen Eis
Die Forscher schätzen aufgrund von komplexen Modellrechnungen, die auch geologische Besonderheiten vor Ort mit einbeziehen, dass der Jakobshavn Isbræ zwischen 1880 und 2012 etwa 1,5 Billionen Tonnen Eis verloren hat.
Beim Kangerlussuaq-Gletscher waren es zwischen 1900 und 2012 rund 1,4 Billionen Tonnen, beim Helheim-Gletscher deutlich weniger. Insgesamt sei der Meeresspiegel dadurch um rund 8,1 Millimeter gestiegen.
"Es war eine aufwendige und aufregende Detektivarbeit", sagte Khan laut einer Mitteilung seiner Universität. Es seien aktuelle Satellitendaten und ältere Luftaufnahmen ausgewertet worden. "Und alles, was wir sonst noch finden konnten." Dazu gehörten auch historische Fotos von frühen Expeditionen.
Meeresspiegelanstieg wurde bislang unterschätzt
Die Berechnungen von Khan und seinem Team deuten den Forschern zufolge auf eine düsterere Zukunft hin als gedacht. So kamen bisherige Modelle zu dem Ergebnis, dass die drei Gletscher bei einem stetig zunehmenden Treibhausgasaustoss zu einem Meeresspiegelanstieg von 9,1 bis 14,9 Millimeter bis zum Jahr 2100 beitragen könnten - also nur wenig mehr als Khan und sein Team für die Zeit zwischen 1880 und 2012 schätzen.
Die bisherigen Prognosen für das 21. Jahrhundert halten die Wissenschaftler um Khan deshalb für zu konservativ. Schliesslich könnte für Grönland in einem Worst-Case-Szenario der durchschnittliche Temperaturanstieg rund 8,3 Grad in diesem Zeitraum betragen. Das wäre ein mehr als fünf Mal höherer Anstieg als im 20. Jahrhundert.
Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass der Meeresspiegelanstieg, der durch die drei Gletscher verursacht wird, bislang unterschätzt wurde. Und sie gehen sogar noch einen Schritt weiter: "Es erscheint wahrscheinlich, dass das das nicht nur auf diese drei Gletscher beschränkt ist." (ff/dpa)
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