Es geht Schlag auf Schlag: Durch den Klimawandel schmelzen Gletscher und geben Land, Flüsse und Bäche frei. Für manche Tiere und auch den Menschen kann das sogar Vorteile mit sich bringen. Allerdings befürchten Forschende weitere Schäden für die Umwelt.
In Kanada und Alaska (USA) ziehen sich die Gletscher zurück. Das schafft im Zuge des Klimawandels neue Lebensräume. Wissenschaftler haben jetzt im Grenzgebiet zwischen den beiden Staaten ausgelotet, wo sich mögliche neue Laich-Reviere von Lachsen mit den Ansprüchen (abgesteckten Claims) von Bergbauunternehmen überlappen. Da der Abbau von wertvollen Erzen und Gold oft mit der Schädigung der Umwelt einhergeht, zeigen die Forscher um Jonathan Moore von der Simon Fraser University in Burnaby (British Columbia, Kanada) schützenswerte Gebiete in der derzeit noch von Eis bedeckten Landschaft auf. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift "Science" erschienen.
Bis zum Jahr 2100 werden in Westkanada 60 bis 100 Prozent der Gletscher verschwunden sein, schreiben Moore und Kollegen mit Verweis auf eine andere aktuelle Studie. Vor zwei Jahren hat das Team um Moore bereits eine Studie veröffentlicht, in der es die Ausweitung der Lachsreviere im westlichen Nordamerika je nach verschiedenen Klimawandelszenarien untersucht hatte. Denn wenn die kürzer werdenden Gletscher Täler, Flüsse und Bäche freigeben, können die Pazifiklachse, darunter der Rotlachs (Oncorhynchus nerka), im Englischen Sockeye genannt, immer weiter in Richtung Flussoberlauf ablaichen.
Lebensraum von Lachsen wird sich ausweiten - Einschränkungen durch Bergbau
Im aktuellen Fachartikel haben die Forscher im Nordwesten British Columbias und im Südosten Alaskas die möglichen Lachsreviere mit den Claims von Bergbauunternehmen verglichen. In den untersuchten Regionen, die grösstenteils noch unter Gletschern verborgen sind, könnten Lachse Flüsse und Bäche mit einer Gesamtlänge von 4.973 Kilometern besiedeln. Davon liegen elf Prozent oder 564 Kilometer in Gebieten, in denen der nächste abgesteckte Claim weniger als fünf Kilometer entfernt ist; wenn künftig tatsächlich Bergbau betrieben wird, könnten diese Gebiete von Umweltschädigungen betroffen sein. 286 Fluss- und Bachläufe (sechs Prozent) liegen sogar direkt in Claim-Flächen.
In British Columbia können Unternehmen und Einzelpersonen über ein Online-Portal gegen eine geringe Gebühr Claims für mögliche Bergbauvorhaben abstecken. Das gilt auch für vergletscherte Regionen, nur Naturschutzgebiete und einige andere Flächen sind davon ausgenommen. "Bergbauansprüche gewähren das Recht zur Erkundung, was eigene Auswirkungen auf die Umwelt haben kann", schreiben die Forscher. Selbst wenn Claims spekulativ sind und kein Bergbauvorhaben entsteht, stellen sie den Forschern zufolge Hindernisse für eine vorausschauende Planung und Erhaltung des natürlichen Zustands dar.
Forscher fordern besseren Schutz der Gebiete
Hinzu kommt, dass das betreffende Land nie von den Ureinwohnern an den kanadischen Staat abgetreten wurde. Inzwischen räumt ein Gesetz in British Columbia den Nachfahren der Ureinwohner weitgehende Mitbestimmungsrechte bei der Landnutzung ein. Doch dieses Gesetz ist in vielen anderen Gesetzen, darunter dem für den Bergbau wesentlichen Mineral Tenure Act, noch nicht verankert. "Der Zusammenhang von Gletschern, Lachs, indigenen Rechten und Bergbau ist ein weltweit relevantes Beispiel für die Dringlichkeit zukunftsweisender Wissenschaft und Politik für Klimaresilienz und Umweltgerechtigkeit", schreiben die Autoren der Studie.
Die Wissenschaftler fordern einen besseren Schutz der Gebiete, in denen noch keine Claims abgesteckt sind. "Mit unseren Landnutzungsplänen und Schutzmassnahmen sagen wir nicht überall 'Nein' zur Industrie", wird Tara Marsden von der Simon Fraser University, Co-Autorin und selbst Indigene, in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. Stattdessen wollen die Forscher zusammen mit Vertretungen der Indigenen einen Weg aufzeigen, wie mit dem Land, das das schmelzende Eis freigibt, besser umgegangen werden kann. "Dieser Aufsatz zeigt auch die Notwendigkeit auf, die Umweltgesetze sorgfältig zu prüfen und sicherzustellen, dass sie nicht nur die Lebensräume von heute, sondern auch die Lebensräume von morgen schützen", sagt Moore. (Stefan Parsch, dpa/sbi)
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