Ein Jahr ist Hamburgs Eisbärmädchen Anouk jetzt alt - gefeiert wurde mit Torte und Geschenken. Laut Hamburger Zoo hat Anouk eine besonders wichtige Rolle. Wieso sie trotzdem nicht so berühmt wie Eisbär Knut ist.
Vor einem Jahr ist in Hamburg das erste Eisbärenbaby im Eismeer des Tierparks Hagenbeck geboren worden. Lange behielt der Tierpark das zum Schutz der Tiere für sich. Nun kann die kleine Anouk ihren ersten Geburtstag Leckeres Essen und neues Spielzeug: Die kleine Eisbärin Anouk des Hamburger Tierparks Hagenbeck hat am Montag vorzeitig ihren ersten Geburtstag gefeiert.
Dafür hatten die Tierpfleger Überraschungen im Eismeer für die Eisbärin und ihre Mutter drapiert. Anouk wurde am 19. Dezember 2022 in der Wurfhöhle des Eisbären-Geheges geboren. Seitdem kümmert sich Mutter Victoria sehr fürsorglich um ihren Nachwuchs, wie der Zootierarzt Michael Flügger berichtete.
Das zeigte sich auch am Montag im Eismeer: Einträchtig futterten Mutter und Kind die mehrstöckige Torte auf. "Die Torte besteht aus einer Mischung aus Fisch, Hack, Lachsöl, Gelatine und ein bisschen Sahne, damit alles zusammenhält", sagte Zootierarzt Flügger dazu.
Gleich danach stürzte sich Anouk auch schon auf ihre Spielsachen und in das etwa fünf bis acht Grad kalte Wasser. So gab es für das neugierige, ungestüme und energiegeladene Eisbärenmädchen nicht nur einen zu einem Würfel zusammengebundenen leuchtend-orangefarbenen Feuerwehrschlauch, sondern auch eine grosse weisse runde Boje. Den ganzen Vormittag über sprang Anouk immer wieder auf die beiden im vier Meter tiefen und 30 Meter langen Wassergraben schwimmenden Spielsachen, tauchte ab, warf sie durch die Luft und hechtete wieder drauf.
Flügger: "Das wichtigste Eisbärenbaby in Europa"
Mit Anouks Geburt war nach 21 Jahren erstmals wieder ein Eisbär im Tierpark Hagenbeck auf die Welt gekommen. Zuletzt war Victoria - ihre Mutter - dort geboren worden. Anouks Vater Kap hat den Tierpark bereits wieder verlassen. Das Besondere an Anouk ist zudem, dass sie frischen Wind in den europäischen Eisbären-Genpol bringt.
Der Tierpark Hagenbeck ist Teil des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP). Und die wertvollen, weil seltenen Gene von Victoria und Kap, sind äusserst selten im Zuchtprogramm. Anouk hilft damit, die genetische Vielfalt zu erhalten. "Das ist wahrscheinlich im Moment das wichtigste Eisbärenbaby in Europa", sagte Flügger dazu.
In freier Wildbahn wird das Eisbärenvorkommen den Angaben zufolge derzeit nur auf rund 23.000 Tiere geschätzt. Der Eisbär gilt der Roten Liste bedrohter Tierarten zufolge als gefährdet. Der Meereisverlust durch den Klimawandel gilt als die grösste Bedrohung für sein Überleben.
Anouk ist wild, neugierig und liebt Lachsöl
Wer im Tierpark an der Glasscheibe des Eismeeres steht, wenn Anouk neues Spielzeug bekommen hat, kann dem Eisbärenmädchen stundenlang beim Toben und Herumtollen zuschauen. "Sie ist unheimlich verspielt, aufgeschlossen und neugierig. Sie tobt viel und macht viel kaputt - wie das eben so ist bei kleinen Kindern", sagte Flügger dazu.
Anouk war bei ihrer Geburt etwa so gross und schwer wie ein Meerschweinchen. Mittlerweile bringt sie 111 Kilogramm auf die Waage. Ihre grosse Leidenschaft ist Lachsöl. "Dafür macht sie fast alles", sagte Flügger dazu. Ihr tägliches Essen besteht aus drei bis vier Kilogramm Fleisch und Fisch. "Und manchmal auch noch Muttermilch - aber eigentlich nur noch zur Beruhigung."
Über den Namen für das Eisbären-Mädchen wurde öffentlich abgestimmt. Zur Auswahl standen Smilla, Sunflower, Talvi und Anouk. Abstimmen konnten die Tierparkbesucherinnen und -besucher. Im August taufte Popsänger Sasha das Eisbärenmädchen schliesslich auf den Namen Anouk.
Warum Anouk kein Knut geworden ist
Einen grossen Hype wie einst um den Berliner Eisbären Knut, der 2007 von seinem Pfleger sehr medienwirksam mit der Flasche aufgezogen wurde, gab es in Hamburg nicht. Nicht nur, weil der Eisbär im allersüssesten, tapsigen Alter noch vor den Augen der Öffentlichkeit geschützt wurde, sondern vor allem, weil Eisbärenmutter Victoria die gesamte Erziehungsarbeit übernahm und kein Mensch. "Und das ist auch der deutlich bessere Weg für alle. Das ist das grösste Raubtier der Erde, da geht kein Pfleger rein", sagte der Zootierarzt.
Die erhofften rund 200.000 Besucher pro Jahr, die eigentlich bei Nachwuchs von faszinierenden Wildtieren zusätzlich in den Park strömen, blieben in diesem Jahr allerdings aus. Und das, "obwohl wir die seit zehn Jahren grösste Werbekampagne gefahren haben", sagte Tierpark-Geschäftsführer Dirk Albrecht der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben noch nie so viel Geld ausgegeben wie für Anouk." Der Effekt fiel dennoch eher mau aus. Es kamen sogar rund 100.000 Menschen weniger als sonst üblich.
Tatsächlich war der Tierpark im vergangenen Jahr stattdessen oft wegen interner Streitereien zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern beziehungsweise Betriebsrat in den Medien. Die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen waren teils auch vor den Gerichten ausgefochten worden. Niedlicher Nachwuchs - nicht nur bei den Eisbären - ging dadurch fast ein wenig unter.
"Die Gewerkschaft hat uns kommunikativ die ganze Sache kaputt gemacht und mit ihrer Aktion das Thema an den Rand gedrückt", sagte Albrecht dazu. Der Streit scheint nun befriedet, eine neue Betriebsvereinbarung ist geplant und Albrecht hofft, dass Anouk nun doch noch viele Menschen zusätzlich in den ausschliesslich privat finanzierten Tierpark mit seinen 165 Mitarbeitern zieht. (dpa/tar)
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