Die dunklen Paneele von Solarparks entwickeln an heissen Sommertagen angeblich immense Hitze - so eine gängige Behauptung. Das sei eine "tödliche Falle" für Vögel und Insekten, heisst es. Fachleute widersprechen.

Behauptung

  • Ein Solarpark in Brandenburg soll angeblich an heissen Sommertagen so warm werden, dass über den Paneelen 80 Grad Celsius herrschten. So bilde sich ein "Hitzeschornstein", der eine Todesfalle für Vögel und Insekten sei und den Boden in der Umgebung über viele Kilometer hinweg austrockne.

Bewertung: Falsch

  • Falsch. Die Paneele selbst können zwar heiss werden, die Luft darüber ist aber nach wenigen Metern nicht heisser als über sommerlichem Asphalt oder anderen dunklen Flächen. Es gibt keinerlei Belege für einen "Hitzeschornstein", durch den Vögel und Insekten oder der umliegende Boden zu Schaden kommen.

Fährt man in nordöstlicher Richtung aus Berlin heraus, kommt man nach kurzer Zeit an der Kleinstadt Werneuchen vorbei. Direkt neben Werneuchen befindet sich der Solarpark Weesow-Willmersdorf. Als er Ende 2020 ans Netz ging, war er der grösste Solarpark Deutschlands. Die Anlage versorgt laut Betreiber EnBw 50.000 Haushalte mit Strom.

Seit November 2024 kursiert eine abenteuerliche Behauptung zu Weesow-Willmersdorf: Der Solarpark sei angeblich eine tödliche Gefahr für Tiere.

"Im Sommer wurden Temperaturen von bis zu 80 °C über der Anlage gemessen. Das Gebiet hat sich zu einer tödlichen Falle für Insekten und Vögel entwickelt. Eine gigantische aufgeheizte Fläche fungiert wie ein Hitzeschornstein, der die Umgebung über viele Kilometer hinweg austrocknet", heisst es in Beiträgen auf X und Facebook. Auch eine AfD-Kommunalpolitikerin verbreitete die Falschmeldung.

Entwickelt sich über Solarparks wirklich eine so grosse Hitze, die für Vögel, Insekten, und die umliegenden Böden eine Gefahr darstellt? CORRECTIV.Faktencheck hat sich die Sache näher angesehen.

Solarpaneele können heiss werden, eine schädliche Wirkung auf Tierwelt ist aber unbelegt

In Weesow-Willmersdorf stehen 465.000 dunkle Glasmodule auf einer Fläche von 164 Hektar. Grundsätzlich stimmt es, dass dunkle Flächen Sonnenlicht stärker absorbieren und sich stärker erhitzen als helle Flächen – das nennt man den Albedo-Effekt. Solar-Paneele selbst können sich theoretisch durchaus auf 80 Grad erhitzen, schreibt Clemens Feldmann vom Institut für Energietechnik an der TU Dresden auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck.

Doch die Temperatur von dunklen Flächen ist nicht gleichzusetzen mit der Lufttemperatur darüber. Die Hitze verflüchtigt sich.

Ein Beispiel eines Sommertags im Juni 2019: Während die Temperatur auf dem Asphalt in manchen Gegenden bei 60 Grad oder höher lag, war die zeitgleich in zwei Metern Höhe gemessene Lufttemperatur deutlich niedriger und lag bei 35 bis 38 Grad. Die Luft über heissen Oberflächen ist also schon nach wenigen Metern viel kühler als die Oberfläche selbst.

Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) verweist auf Nachfrage auf eine Studie, wonach in 2,7 Metern Höhe über Solarpaneelen keine Temperaturunterschiede mehr zur Umgebung ohne Paneele zu messen seien. Grundsätzlich gebe es in dem Gebiet zwar noch "grossen Forschungsbedarf" – bisherige Studien hätten aber keine "übermässige Hitzeentwicklung" erwähnt, so das KNE.

Solarparks werden von Tieren als Lebensraum genutzt

Weil sich die Lufttemperaturen im Solarpark nicht deutlich von modulfreien Flächen unterscheiden, gebe es keine Beeinträchtigungen für Insekten und Vögel, schreibt das KNE auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck. "Viele Untersuchungen belegen, dass Solarparks von Vögeln sowie Insekten als Lebensraum genutzt werden. [...] Dies gilt insbesondere für die Bereiche zwischen den Modulreihen, auf den Wartungswegen oder sonstigen freien Flächen". Die Paneele würden dagegen ebenso wie andere dunkle und erwärmte Elemente (Steine/Felsen, Asphaltflächen oder Ähnliches) bei zu hoher Erhitzung von Insekten gemieden.

Christoph Scherber, Leiter des Zentrums für Biodiversitätsmonitoring am Leibniz-Institut, schreibt, dass manche Insekten die glänzenden Paneele mit Wasserflächen verwechselten, was problematisch sein könne. "Hier bieten sich vertikal ausgerichtete Paneele an, sowie Designs, bei denen weisse Begrenzungen um die dunklen Paneele herum vorhanden sind." Bislang gibt es jedoch nur wenige Studien zu der Verwechslungsgefahr, die zudem teilweise mit veralteten Modulen durchgeführt wurden, die mehr glänzen als jene, die aktuell verbaut werden.

Eine aktuelle Studie zu Artenvielfalt in Solarparks des Lobbyverbandes Bundesverband Neue Energiewirtschaft aus dem Jahr 2025 kommt zu dem Ergebnis, dass der sogenannte lake effect unbelegt sei.

Tödlicher "Hitzeschornstein" über Solarparks ist frei erfunden

Anders als in den Beiträgen in sozialen Netzwerken behauptet, gibt es keine Hinweise auf einen tödlichen "Hitzeschornstein". Mit "Hitzeschornstein" ist laut Jana Hoffmann vom Entomologischen Institut Senckenberg die physikalische Bewegung von warmer Luft gemeint, die durch Konvektion nach oben steigt – ähnlich wie in einem Schornstein.

"Es wird spekuliert, dass Insekten in solchen Bereichen gefangen werden könnten, da sie Schwierigkeiten haben könnten, dem aufsteigenden Luftstrom zu entkommen. Wissenschaftliche Belege für diesen spezifischen Effekt fehlen jedoch", erklärt Hoffmann. Und: Dass Insekten in hohe Lufttemperaturen hineinfliegen, sei "aus verhaltensbiologischer Sicht unwahrscheinlich".

Für die bereits erwähnte Studie zur Artenvielfalt in Solarparks wurde auch die Temperatur der Module untersucht. Das Ergebnis: Im Laufe des Jahres 2019 lagen bei drei exemplarisch ausgewählten Solarparks die Temperaturen der Module nur an 150 Stunden über 38 Grad, und an gerade einmal fünf Stunden davon über 50 Grad.

Vögel haben kein Problem mit Temperaturen auf Solarpaneelen

Für Vögel sind selbst die heissen Paneele kein Problem: "Verschiedene Studien zeigen, dass Vögel regelmässig auf den Solaranlagen sitzen, auch im Sommer bei höchster Sonneneinstrahlung und entsprechend hoher Wärmeentwicklung. Ein Meideverhalten ist dabei nicht zu beobachten", erklärt das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU), für das die Vogelschutzwarte Steckby Informationen über Auswirkungen von Solaranlagen auf Vögel sammelt.

Das LAU schreibt, für gewöhnliche Photovoltaikanlagen wie im Solarpark Weesow-Willmersdorf lägen "keine Hinweise vor", dass die darüber herrschenden Temperaturen Vögeln schaden könnten.

Das ist wenig verwunderlich: Auch am Strand, wo im Sommer über dem Sand Temperaturen von über 60 Grad herrschen können, bewegen sich Vögel weiterhin, wie Rebekka Blessenohl vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) erklärt. Im Extremfall kann Sand sogar bis zu 80 Grad heiss werden.

Ob Flora und Fauna von Solarparks profitieren, hängt von mehreren Faktoren ab

Auch die Behauptung, dass Solarparks "die Umgebung über viele Kilometer hinweg" austrocknen würden, stimmt laut dem KNE nicht.

Tatsächlich sei die Sachlage umgekehrt: Die Paneele liefern Schatten; die Bodentemperatur unter Solarparks ist in der Umgebung tendenziell kühler und der Boden feuchter, und die Flächen weisen deutlich mehr Biomasse auf als auf Wiesen oder Äckern, wie etwa eine Studie aus dem Jahr 2018 zeigt.

Scherber vom Leibniz-Institut hält es dagegen aufgrund ausstehender Forschung für sinnvoller, Anlagen eher in Wüstengebieten oder auf bestehender Gebäudeinfrastruktur, anstatt auf Agrarflächen oder Grünland anzulegen.

Solarparks seien generell nicht pauschal gut oder schlecht für die Natur, wie Blessenohl vom Nabu schreibt. Ob Tiere oder Pflanzen von Solarparks profitieren oder dadurch Verluste erleiden, hänge unter anderem von der Umgebung eines Solarparks, der Vornutzung der Fläche sowie der Ausgestaltung eines Parks ab.

"Einige Arten verlieren durch Solarparks ihren Lebensraum, entweder weil sie die technischen Strukturen der Module meiden, spezielle Strukturen für den Bau des Parks entfernt wurden oder die Pflanzenzusammensetzung sich so ändert, dass die jeweilige Fläche keinen geeigneten Lebensraum mehr darstellt", schreibt Blessenohl. "Gleichzeitig können bestimmte Arten aber auch profitieren, wenn intensive Ackerflächen durch den Bau eines Solarparks zu extensivem Grünland umgewandelt werden."

Verwendete Quellen

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