Über tropische Krankheiten wie Dengue-Fieber oder Malaria mussten sich Europäer bislang nur bei Fernreisen Gedanken machen. Doch sowohl die Krankheitserreger als auch die sie übertragenden Stechmückenarten verbreiten sich immer stärker auch bei uns. Warum ist das so - und kann man etwas dagegen tun?
Vor tropischen Krankheiten wie Chikungunya und Dengue-Fieber, die durch Mückenstiche übertragen werden, wähnte man sich in Europa lange sicher. Doch in den vergangenen Jahren werden immer mehr Ausbrüche exotischer Infektionskrankheiten bekannt.
Griechenland, Italien und Serbien melden allein 2018 bereits Dutzende Todesfälle durch das West-Nil-Virus. Mit Malaria haben sich in den vergangenen Jahren Menschen in Deutschland, Spanien und Griechenland infiziert. In Norditalien brach Chikungunya aus. Am Dengue-Fieber erkrankten Menschen unter anderem in Südfrankreich und Kroatien.
Einer der Gründe: Die Mückenarten, die diese Krankheiten übertragen, breiten sich immer stärker aus.
Forscher der Goethe-Universität in Frankfurt und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung haben die ökologischen Nischen bestimmter Mückenarten auf verschiedenen Kontinenten untersucht.
Sie kommen zu dem Schluss, dass tropische Infektionskrankheiten in den nächsten 10 bis 50 Jahren in vielen Ländern zunehmen werden, wo die Überträger ursprünglich nicht beheimatet waren.
Die Tigermücke kommt per Schiff
Als wichtigste Ursache für die Verbreitung von Stechmückenarten, die tropische Krankheiten übertragen können, sieht Prof. Thomas Löscher von der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) die Globalisierung an.
"Bei der Asiatischen Tigermücke spielt der Schiffsverkehr eine besondere Rolle", sagt der Mediziner. Mit den riesigen Warenströmen werde die Tierart aus Südasien fast überall in die Welt transportiert und bereitet Epidemiologen jetzt grosse Sorgen. Ebenso wie die Japanische Buschmücke, die sich bereits seit Jahren in Süddeutschland zu Hause fühlt und sich inzwischen bis in den Norden ausgebreitet hat.
Beide Arten können beim Blutsaugen Krankheitserreger aufnehmen und mit dem nächsten Stich wieder abgeben. Im Falle der Tigermücke sind das mehr als 20 Viren, die Krankheiten wie Dengue-, West-Nil-oder Zika-Fieber auslösen.
Laut Susanne Glasmacher vom Robert Koch-Institut (RKI) muss man deshalb jedoch nicht gleich in Panik verfallen. Das Vorkommen der Mücke allein sei zunächst unproblematisch. "Für eine Infektion braucht man die Mücke und einen Menschen, der den Krankheitserreger bereits im Blut trägt", so die Biologin. Erst dann könne das Tier das Virus übertragen.
Es ist jedoch nicht mehr so selten, dass sich Touristen auf Reisen anstecken und die Krankheit so in ihr Heimatland einschleppen. Laut Thomas Löscher von der LMU war beispielsweise die Erkrankung von mehr als 200 Menschen an Chikungunya in Italien im Jahr 2007 auf eine einzige Person zurückzuführen, die sich auf einer Indien-Reise mit dem Virus infiziert hatte.
Übertragung zwischen Tier und Mensch
Einige Krankheiten können auch zwischen Tieren und Menschen weitergegeben werden. Darum erregte auch die Entdeckung des West-Nil-Virus bei einem Vogel in Halle Aufsehen. Da es sich nicht um einen Zugvogel handelte, sondern um ein in Gefangenschaft lebendes Tier, liegt die Vermutung nahe, dass die Infektion in Deutschland erfolgte. Den West-Nil-Erreger können mehrere Mückenarten übertragen.
Angesichts des heissen Sommers stellt sich auch die Frage, welche Rolle das Klima spielt. Viele Erreger vermehren sich in den Mücken tatsächlich nur dann, wenn über Wochen Temperaturen von mindestens 25 Grad herrschen. Experimente des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin zeigen allerdings auch, dass beispielsweise dem Chikungunya-Erreger bereits Temperaturen um die 18 Grad genügen.
Die Wissenschaftler befürchten deshalb, dass sich die Krankheit auch in Zentraleuropa ausbreiten kann, sollte die Tigermücke flächendeckend heimisch werden. Einen Impfstoff gegen Chikungunya gibt es nicht. Schützen kann nur die Vermeidung von Mückenstichen.
Darum sei die Erforschung der Verbreitung der unterschiedlichen Mückenarten besonders wichtig, betont Glasmacher. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Japanische Buschmücke bereits bei uns heimisch ist und nicht mehr ausgerottet werden kann. Bei der Asiatischen Tigermücke besteht noch Hoffnung, die Bestände einzudämmen.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Löscher von der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München
- Gespräch mit Susanne Glasmacher, Diplom-Biologin und Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts
- Umweltbundesamt: Die Asiatische Tigermücke
- Robert-Koch-Institut: West-Nil-Fieber im Überblick
- Robert-Koch-Institut: Chikungunya-Fieber
- Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: West-Nil-Fieber in Nordamerika
- Goethe-Universität: Tigermücken sind noch auf dem Vormarsch
- Studie der Goethe-Universität und der Senckenberg Gesellschaft
- Mückenatlas für Deutschland
- Studie des Bernhard-Nocht-Instituts
- Ärzteblatt: Malaria-Übertragung im Krankenhaus in Europa möglich
- Paul-Ehrlich-Institut: West-Nil-Virus-Übertragungen im Jahr 2017
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.