Das Massensterben von Seeigeln weitet sich immer mehr aus. Ein Parasit vernichtet sie und macht aus gesunden Tieren binnen zwei Tagen Skelette. Für Korallenriffe ist diese Entwicklung fatal.

Mehr zum Thema Natur & Umwelt

Ein Massensterben von Seeigeln weitet sich immer mehr zur globalen Pandemie aus. Inzwischen sei die tödliche Erkrankung auch im Indischen Ozean nachzuweisen, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Current Biology". Aufnahmen zeigen unzählige tote Seeigel an einem Strand der Insel La Réunion.

Seeigelsterben
Ein infizierter Seeigel auf der Insel La Réunion. © dpa / Jean-Pascal Quod

Der Ausbruch stelle eine unmittelbare Bedrohung für Korallenriffe weltweit dar: Seeigel fressen Algen, die sonst Korallen überwuchern und abtöten würden.

Wimperntierchen sind für Massensterben von Seeigeln verantwortlich

Ein auf Wimperntierchen zurückgehendes Massensterben von Diadem-Seeigeln war im Januar 2022 zunächst auf den US-amerikanischen Virgin Islands aufgefallen. In den Monaten darauf wurden ähnliche Beobachtungen in weiten Teilen der Karibik gemacht. Dann waren auch das Mittelmeer und rasch auch das Rote Meer betroffen.

Was sind Wimperntierchen?

  • Wimperntierchen bestehen aus nur einer Zelle und haben Härchen auf ihrer Oberfläche, mit denen sie sich bewegen können. Sie kommen häufig im Wasser vor und sind oft harmlos. Allerdings wurden Verwandte der nun gefundenen Wimperntierchen bereits für Massensterben bei anderen Meerestieren wie Haien verantwortlich gemacht.

Die Forschenden schätzen, dass seit Dezember 2022 der grösste Teil der Populationen betroffener Seeigel-Arten im Roten Meer sowie hunderttausende Seeigel weltweit vernichtet wurden. Im Riffsystem nahe der israelischen Küstenstadt Eilat zum Beispiel seien die beiden Seeigel-Arten, die zuvor im Golf von Akaba am häufigsten vorkamen, vollständig verschwunden.

Das Team um Omri Bronstein von der Universität Tel Aviv identifizierte nun den Erreger, der für das Massensterben von Gewöhnlichen Diadem-Seeigeln (Diadema setosum) - langstacheligen, schwarzen Seeigeln - im Roten Meer verantwortlich ist: ein der Art Philaster apodigitiformis ähnliches Wimperntierchen.

Der einzellige Parasit sei auch die Ursache für das Massensterben des Atlantischen Diadem-Seeigels (Diadema antillarum) in der Karibik vor etwa zwei Jahren.

Lesen Sie auch

Parasit kann in kürzester Zeit grosse Gebiete befallen

Bereits 1983 war ein verheerender Zusammenbruch der Population in dieser Region beobachtet worden. Sowohl die Korallen- als auch die Seeigel-Populationen der Karibik haben sich davon nie wieder vollständig erholt, wie es von den Forschenden heisst.

Zu vermuten ist, dass auch damals schon der nun identifizierte Erreger die Ursache war. Dem Forschungsteam zufolge befällt das Wimperntierchen auch Echinothrix-Seeigel, eine eng mit Diadema verwandte Gruppe von Arten.

Der Parasit lässt die Tiere binnen zwei Tagen zur gewebslosen Hülle werden - wenn nicht Fressfeinde die geschwächten Tiere schon vorher erbeuten. Der tödliche Erreger werde über das Wasser übertragen und könne in kürzester Zeit grosse Gebiete befallen, hiess es.

Die Stabilität der Korallenriffe sei in einem noch nie dagewesenen Ausmass bedroht, sagte Bronstein. Die Seuche breite sich entlang menschlicher Transportwege aus, wie Daten aus dem Roten Meer zeigten.

Bislang noch keine Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen

Es sei unheimlich, tausende Seeigel am Meeresboden binnen kürzester Zeit zum Skelett werden und verschwinden zu sehen, so Bronstein. Bisher gebe es keine Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen. Dringend notwendig seien Brutpopulationen gefährdeter Arten in vom Meer abgetrennten Zuchtsystemen, um später wieder gesunde Tiere in die Natur entlassen zu können.

Zudem müsse erforscht werden, welche Faktoren zu dem Ausbruch führten. Als ein möglicher Grund gelten veränderte Umweltbedingungen. (ff/dpa)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.