Ohne Privatarmee gäbe es den ältesten Nationalpark Afrikas nicht mehr. Rund 600 Ranger schützen den Virunga-Nationalpark und seine Berggorillas im Osten Kongos. Doch viele Milizen wollen den Park kollabieren sehen.

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Der Job der Ranger im Virunga-Nationalpark gilt als einer der gefährlichsten Berufe Afrikas. Für den Schutz der einzigartigen Naturlandschaft im Ostkongo und ihrer vom Aussterben bedrohten Berggorillas haben in den vergangen zehn Jahren bereits 150 Ranger ihr Leben gelassen.

"Virunga ist einer der Orte auf der Welt mit der grössten Artenvielfalt, aber der Park liegt in einer der ärmsten und instabilsten Regionen des Planeten", sagt der stellvertretende Parkdirektor Innocent Mburanumwe. "Momentan haben wir noch viele Probleme mit bewaffneten Gruppen."

Kalaschnikow als Grundausstattung

Viele Milizen wollen hier vom Reichtum der Natur oder den Bodenschätzen der Region profitieren. Die Kalaschnikow gehört daher zur Grundausstattung der Naturschützer. "Aber es gibt auch Maschinengewehre und für Patrouillen in gefährlichen Gebieten haben wir Panzerfäuste", erzählt Ranger André Bauma am Sitz der Parkverwaltung im Ort Rumangabo, knapp eineinhalb Stunden Autofahrt nördlich der Stadt Goma. "Ich habe keine Angst: Ich liebe die Natur und den Naturschutz", sagt Bauma. "Ich bin stolz auf meine Arbeit."

Die Ranger bekommen vom maroden kongolesischen Staat ein Monatsgehalt von gerade mal 35 US-Dollar, der Park legt aus Spenden finanziert noch einmal 165 Dollar drauf. Der Nationalpark zählt zum Unesco-Weltkulturerbe und ist mit einer Fläche von rund 7800 Quadratkilometern etwa neun Mal so gross wie Berlin.

Gründe, Angst zu haben, gibt es hier für die 600 Ranger genug: Im Südwesten des Parks ist die ruandische Rebellenmiliz FDLR aktiv, im Nordosten die islamistische Miliz ADF-Nalu, am Edwardsee und im Zentrum des Nationalparks sind es örtliche Mai-Mai-Rebellen.

Und dann sind da noch die Wilderer, die es vor allem auf Elefanten und Schimpansen im Zentrum des Parks abgesehen haben. "Die Ranger sehen sich mit einem rasch ansteigenden Gewaltniveau" konfrontiert, erklärt der aus Belgien stammende Parkdirektor Emmanuel de Merode.

Angesichts zunehmend schwerer Angriffe rund um die Stadt Beni im Norden des Parks warnte der Provinzgouverneur von Nord-Kivu, Julien Paluku Kahongya, im Juni sogar vor einem "neuen Krieg".

Gorillas als Einnahmequelle

Doch trotz aller Gefahren ist der Park vor allem von atemberaubender Schönheit. Im Norden an der Grenze zu Uganda thronen die Gletscher der über 5000 Meter hohen Rwenzori-Berge, im Zentrum tummeln sich Hunderte Elefanten in der Savanne, darauf folgt weiter südlich dichter, saftgrüner Regenwald, im Süden schliesslich brodelt im Krater des Vulkans Nyiragongo der grösste permanente Lavasee der Welt. Und dann leben im Südosten noch die majestätischen Berggorillas.

Mit rund zwei hundert Tieren lebt dort knapp ein Viertel aller Berggorillas weltweit. Die übrigen verteilen sich auf das Hochland in den Nachbarländern Uganda und Ruanda.

Nach der Besteigung des Vulkans Nyiragongo sind die Menschenaffen für den Park die wichtigste Einnahmequellen. Touristen, die sich nicht vom schlechten Image des Kongos abschrecken lassen, können für etwa 400 Dollar (370 Euro) einen Tagesausflug machen und die Tiere beobachten. Der Gorilla-Sektor bei Goma gilt als sehr sicher. Im stabilen Nachbarland Ruanda kostet ein Ausflug zu den Berggorillas stolze 1500 US-Dollar.

Milizen wollen Zusammenbruch

Der Virunga ist der älteste Nationalpark Afrikas. Der damalige Kolonialherr, der belgische König Albert I, hob ihn 1925 als Albert-Nationalpark aus der Traufe - in erster Linie, um die Gorillas zu schützen. Der Park wurde später nach Norden erweitert, 1969 dann in Virunga-Nationalpark umbenannt. 1994 flohen in Folge des Völkermordes in Ruanda rund eine Million Menschen in das Parkgebiet. Die folgenden Kriegswirren leisteten Wilderern Vorschub, über 90 Prozent der Elefanten wurden nach Park-Angaben getötet.

Das Schicksal des Parks fällt mit Wohl und Wehe seines Wappentiers, des Gorillas. 2007 wurden neun Menschenaffen massakriert. Die Täter töteten sie, damit der Park zusammenbricht und sie die Wälder für die Produktion von Holzkohle roden können. "Das war eine schrecklich dunkle Zeit für den Virunga", erklärt die Parkverwaltung.

Doch das Massaker hatte den gegenteiligen Effekt: De Merode wurde als Direktor eingestellt und griff durch. Neue Spenden gaben ihm Rückhalt - unter anderem von Howard Buffet, dem Sohn des US-Multimilliardärs Warren Buffet. Dessen Stiftung zahlte für die Anstellung von 200 neuen Rangern.

Hunderttausende Menschen in Armut

Doch 2013 war der Fortschritt wieder in Gefahr: Die Rebellengruppe M23 hatte die ganze Provinz überrannt, die Ranger waren eingekesselt. "Wir hatten Angst, dass die Rebellen den Hauptsitz des Parks besetzen würden", erinnert sich Ranger Bauma. "Aber sie haben verstanden, dass wir unpolitisch sind: Wir sind nicht für oder gegen die Regierung."

Die grösste Herausforderung für den Park sind Hunderttausende Anwohner, die in Armut leben. "Viele junge Männer sehen es als einzigen Weg aus der Armut, sich einer Miliz anzuschliessen", erklärt de Merode. Zudem schützt der Park etwa 5000 Quadratkilometer fruchtbares Land, das den armen Anwohnern kein Einkommen bringt - sie können dort kein Holz schlagen, nichts pflanzen.

Der Park fördert mit Spendengeldern unter anderem den Bau von Schulen und Gesundheitsstationen sowie Projekte der Landwirtschaft und der Fischerei. Die Buffet-Stiftung finanziert zudem den Bau von Wasserkraftanlagen, die Zehntausenden Anwohnern erstmals Strom bringen.

Von der Regierung erwartet hier kaum jemand Hilfe. Der Park müsse neben dem Naturschutz auch helfen, die Region zu entwickeln, erklärt de Merode. "Der Park kann nur Überleben, wenn Anwohner beginnen, den Park als Vorteil zu sehen und nicht als Verbot."  © dpa

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